Das gottgelobte Herz. Erwin Guido Kolbenheyer

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Das gottgelobte Herz - Erwin Guido Kolbenheyer

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Brun ist kein Klepper nit“, gab der Vetter lächelnd zu, „vor ein’ Rittermäßigen ist sin Rucken ze kurz, der müeßt ein harter Gang han unter dem Sattel.“

      „Der Rucken kurz, dasselb war nit letz vor ein Roß im Zuog“, meinte der Ebner.

      Sie schritten langsam gegen den Meierhof, wohin der Meier vorausgeeilt war, und blieben unterweilen stehen. Betrachtungen über die wechselnden Pferdepreise ließ der Vetter einspielen, der Ebner aber wußte zu berichtigen, daß rittermäßige Hengste auch dieser Täg an die hundert und mehr Gulden Wert seien. Er war fröhlich, daß er es an dem Schemming getroffen hatte, also kitzelte er den Vetter in freundlichem Übermut. Und der Vetter merkte die spielende Laune eines Mannes auf gutem Grund und Boden. Er wollte es kurz machen, ehe ihn selbst ein Unwille ankäme, und nannte eine runde Summe, die zeigen mochte, was die von der Ilgen leichterhand hingeben konnten, wenn sich etwas ins Haus schicke. Dabei wurde der Ebner ernst. Er sah dem an zehn Jahre Älteren klar in die Augen.

      „Es soll sin als unter Brüederen, Vetter von der Ilgen.“

      Er unterbot das Angebot um ein beträchtliches. So konnte der Vetter merken, er werde mit allem anderen willkommen sein. Sie drückten einander die Hand.

      Noch rückte die Meierin an der Zurüstung des Tisches, und ihr Mann stellte einen stattlichen Krug auf. Die beiden Kaufleute legten ab, traten heran. Und da die Meierin nicht abließ, voll Eifer an dem Zwillich zu zupfen, den sie quer über den Tisch gebreitet hatte, schlug ihr der Ebner mit der flachen Hand aufmunternd auf ihre strammste Rundung, daß alle drei Männer auflachten und die junge Frau errötend zurückfuhr, ihnen einen Knicks zu machen.

      „Nu gang, Meigerin! Guet ists zuegricht, Meiger. Und es soll uns gsegnet sin.“ Er wies den Vetter auf die polsterbelegte Bank und wendete sich nochmals dem Weibe zu: „Was tuets Büeble, Meigerin? Der min’ ist wohluf.“

      „Bhüet ihn Gott, Herr, und min’ als ouch. Der ist im Zahnen.“

      „Muoßt ihme mit Hennerschmalz inreiben. Ich will ihme etlich Süeßholzstengle schicken, der Roßbue sollt midi anreden drumb ze Werde.“

      „Vergelts Gott, Herr.“

      Sie aßen zunächst schweigend und wußten die kräftigen Dinge zu würdigen. Dann lobte der Vetter den Roßhof und das Gut Scheffstall. Er meinte, daß es zusammengehalten werden müsse.

      „Ze miner Lebzit wohl“, gab der Ebner zu. Aber er glaube, daß sein Gestüt das Jahr über gute Gulden barer Münze brächte, wenn auch das Gut selbst fast ganz an die Erhaltung des Gestüts gewendet werden müsse. Natürlich würfen die Gilten auch ins Hauswesen nach Werde ab, was not tat: etliche Malter Korn, etliche Quart öl, Gefiedertes für Fastnacht und zur Herbstzeit, Eier, Butterschmalz, Kohl und Rüben. Was aber aus dem Roßhof zufiel, das konnte immerhin geteilt und es konnte ein Erbe für die Zeit des Absterbens verbrieft werden.

      „Gott geb Uch allzit sin Gnad, und der heilig Jörg schütz den Roßhof vor Sucht und üblen Flüessen, so, sich usbreitent, ein Gstüt verzehren.“

      „Sant Jörg b’hüet, Vetter! Allein wir sänt all in des Herrgotts Händ, und Üer Salz kunnt als ouch darneben fahren und ungewarneter Sach ein’ andern Ort finden, als Ihr meinet, do Ihr es geladen. Ein Vierteil Scheffstall, das ist ein gueter Brocken. Darzuo an fahrend Guet ein Broutlohn, daß sich keine Ebnerin müeßet schämen.“

      Damit war von dem jüngeren Mann das Gespräch auf den Kern gebracht, dem Vetter von der Ilgen zu rasch und zu hart. Er fühlte sich genötigt, wo er in aller Stille Vordringen sollte, denn er wußte noch nicht, was das Vierteil abwerfen konnte.

      „Der Matthies ist an der Zit unde hat den Füereimer ufs Füerhus ton sider Jahren vier, ist als ein Bürger ze Werde. Der will sin eignen Rouch schmecken und soll hintan der Ilgen in das Hus uf die Bäckengaß zuo. Hat er sin Husstand, als teil ich den Handel mit ihme. Do sitzet sin Ehfrou in ein gueten Stand und sollt uf ihr Morgengab und Wittum sehen in Fröiden und ohnbekümmeret.“

      „Dies ist wohl gesprochen, Vetter von der Ilgen, und do kunnt eins getrost’ sin. Allein, es ist guet vor all Zuofäll, so das Wittum als ouch gebriefet sije, nit anders dann das Erb von miner Sit.“

      „Das kunnt b’schechen, Ebner, und soll gemessen sin glich dem Erbguet und nit geringer.“

      Der Ebner lachte, denn nun saß er in der Zwickmühle. Aber er war am Zug.

      „Wohl gesprochen desglichen, Vetter. Allein, Ihr hänt gsehn und wissent, woruf das Erb ist gründ’t, do ist alls unverborgen, als Ihr gsehn hänt.“

      Auch der Vetter lächelte.

      „Als Ihr wisset, Ebner, ich han uf dem Markt fufzehen Brotbänk und der Fleischbänk acht. Die werfent Zins und künnten unter Brüederen bi sechshundert Pfund gelten, so einer sie wellt koufen. Allein ich die Bänk will halten. Darus künnt ein guet und gewiß Wittum beschaffen sin vor die jung Husfrou, und Ihr und ich itweder stürend ze glichen Teilen zuo: Ihr us dem Erbguet und ich us deme Wittum.“

      So wuchsen die Hände der beiden zum anderen Mal ineinander, und es blieb nur zu beraten, wann sie die beiden Jungen zusammentun wollten, und wie der Brautlauf sollte bestellt sein, denn die reichsstädtische Polizeiordnung hatte das Fest bis zur Kümmerlichkeit beschnitten: die Bürger zu Werde sollten sparen, daß man desto voller greifen könne, wenn es nottat.

      ***

      „Vor diner Seelen sing, o Mensch, als ein Nachtigall. Do das Ei ist geleget in das Nest, setzet sich der Vater darvor und singet lieblich, hält nit an, bis dem Eie das Jung ist usgeschloffen. Also din Seel, Mensche: die leit im Gfangnis einer Schalen, das ist die Welt. Do solltu singent vor gar lieblichen ohn Unterlaß zuo Gott und den Heiligen. Als schlüpfet din Seel us der Schalen dieser Welt.“

      Margretlein lächelt und hebt die hellen Augen. Rings um sie, dicht gedrängt sitzen und stehen die Leute dieser Predigt. Aus ihnen geht ein Lauschen auf wie eine leise, erglühende Bewegung. Denn jeder ist von der Lieblichkeit der Erinnerung ergriffen. Schön ist es, die Nachtigall am Burgweiher in den Büschen oder an der Donaulände unter den Lederern zu hören. Bald sollen die Tage erwärmen und die Nächte lau werden. Dann schlägt die Nachtigall um Werde, die Stadt. Margarete hat nur nicht gewußt, warum sie so voll und zwingend singt, daß einem bang werden kann für das Fiederbrüstlein. Sie weiß nun: das Ei liegt im Nest, und das Nachtigallenhähnchen singt dem Jungen Kraft zu, daß es schlüpfe.

      Auf der Kanzel steht der Mann mit dem blassen Gesicht, das für alle da ist und sich doch zu keinem neigt, das groß aus sich heraus spricht und weit hinaussieht, als spräche und blicke es durch alle hindurch und über alle hinweg wie das Gesicht eines Altarheiligen. Auch die Agnes-Mutter hat ihren Kopf gehoben, sie sieht hinauf und lächelt ein wenig.

      „Und tu uf dine Seelen, Mensche! Sie ist ein Jungfrou, lieblich in sich geneiget und heiß, die harret des Bröitigams. Du sollt öffnen din Seel als die Brout, so dem Bröitigam uftuet die Rosen ihres Leibes mit Lust und Fröiden. Also tue dich uf, dann siehe, der Bröitigam stehet vor der Tür …“

      Es ist der vierte Sonntag in den Fasten. Dann bleiben nur mehr drei bis auf den Weißen Sonntag, und darnach ist der Alheid und dem Matthies die Handreichung gesetzt und die Lautmehrung im Haus, weil das Rathaus schon abgerissen wird und kein Saal sonst zu finden ist. Da kommt die Stunde der Alheid, und sie muß auftun die Rose ihres Leibes. Margarete hört den Klang der dunklen, tragenden Stimme von der Kanzel, aber sie vernimmt die Worte nicht mehr. In ihr hallt es nach, immer wieder dasselbe, und läßt sie nicht los. Es ist wie ein Spruch der alten Ann,

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