Erkläre mir das Leben. Katie Volckx

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Erkläre mir das Leben - Katie Volckx

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geriet ich in Rage.

      So war ich nicht erzogen worden. Ich war kein verwöhnter Rotzlöffel, der den Eltern auf der Nase herumtanzte, nichts entbehren musste und es sich auf seinem bevorstehenden Erbe bequem machte. Ich strengte mich an, um mit meinem Abitur und dem darauffolgenden Psychologiestudium etwas Eigenes auf die Beine stellen zu können, hatte nie und nirgends Dinge eingefordert, als hätte ich alle Rechte dieser Welt, und wertete niemanden nach seinen Lebensverhältnissen ab oder auf.

      »Du willst mir allen Ernstes glauben machen, dass du das neue Haus gegen die alte Wohnung eintauschen würdest?« Er war ehrlich außer Fassung.

      »Siehst du Papa, du kriegst mal wieder gar nichts mit. Denn dann wüsstest du, dass ich das jederzeit wahrhaftig tun würde. Und weißt du auch warum? Weil Hamburg mein Zuhause ist und weil ich meine Freunde vermisse.«

      »Das weiß ich doch, immerhin hast du uns damit wochenlang vor dem Umzug in den Ohren gelegen ...«

      »Aber du glaubst, ich wäre käuflich. Du glaubst, das Luxushaus oder mein riesiges Zimmer hätten mich derweil umgestimmt und meine Freunde einfach vergessen lassen. Aber das ist nicht passiert, sieh es ein.«

      Papa blieb am anderen Ende still.

      »Ich werde mit Mama sprechen, versprochen«, sagte ich wieder im ruhigen Ton, »aber für alles andere musst du aktiv werden.« Dann legte ich ohne Tschüss zu sagen auf.

      Nun musste ich hier mal raus.

      Darum hatte ich spontan beschlossen, das Wochenende bei Tante Effi in Hamburg zu verbringen und mich mit meinen alten Kumpels zu treffen. Seit die Schule begonnen hatte, war ich nicht mehr hier gewesen, war nicht einmal von den Fluchtgefühlen heimgesucht worden, die ich zuvor hatte auf mich zukommen sehen. Aber jetzt war es notwendig.

      Mama war von meinem überstürzten Aufbruch nicht sehr begeistert gewesen, hatte Sorge wegen meiner Platzwunde an der Stirn und eine Rinderroulade zu viel im Kühlschrank. Sie war ja der Meinung, ich hätte besser daran getan, mich zu schonen und mich von ihr verwöhnen zu lassen. Schlussendlich war es ja nur für eine Nacht. Und ich fühlte mich topfit. Also hatte ich sie darum gebeten, eine fertige Roulade für mich im Kühlschrank aufzubewahren, bis ich wieder heim kam. Sie befand die Idee für gut, wenn auch nur schweren Herzens.

      Seit die erhebliche Distanz von mehr als hundert Kilometern Mama und Papa trennte, klammerte Mama sich an mich und meine Gesellschaft. Das Irritierende daran war ja, dass sie ihre Zeit für sich in aller Regel genoss und für irgendwelche geheimnisvollen Aktivitäten nutzte. Erst seit Neustem schien sie allein nicht klarzukommen. Genau genommen seit Schulbeginn.

      Tante Effi und ich behandelten zurzeit genau dieses Thema, während sie auf der Couch an einem rosarot gemuschelten Pulli strickte und ich einen Döner meines Lieblingsimbisses verdrückte.

      »Überrascht dich das wirklich so dolle?«, fragte Tante Effi ganz von den Socken. »Zeit ihres Lebens war immer jemand um sie herum. Da machte ihre freie Zeit auch noch Sinn. Doch jetzt hat sie zu viel davon. Dein Vater ist kaum noch zu Hause und du brichst immer mehr aus und gehst deine eigenen Wege.«

      »Und nun fühlt sie sich unbrauchbar?«, überlegte ich.

      »Klar. Und genau deshalb habe ich ihr immer und immer wieder gepredigt, sie solle sich einen Job suchen, solle dringend etwas für sich tun. Sie ist viel zu abhängig.«

      »Meinst du, ich sollte sie mal darauf ansprechen?«

      »Versuch dein Glück.« Tante Effi hob kurz den Blick, um zu überprüfen, wie weit ich mit meinem Döner war. »Ich hätte auch gern einen gehabt.«

      Ich hörte kurz auf zu kauen. »Allen Ernstes?« Denn es wäre mir neu, dass sie Imbissfraß gern hatte.

      »Ohne Quatsch«, schwor sie feierlich.

      »Aber ...«

      Sie unterbrach mich schon im Ansatz meines Satzes: »Ja, ja, wohl wahr, ich war immer ein Gegner von so was, bin eher für Kartoffeln mit Mischgemüse und einen saftigen Braten und zeige mich wenig aufgeschlossen für alles Moderne.« Sie zog sich selbst ins Lächerliche, indem sie laut gackerte. »Aber neulich hatte ich die Gelegenheit, in den Döner einer Freundin zu beißen, und der war saulecker.«

      Nun lachte auch ich. Ich konnte mir Tante Effi auf keinen Fall mit einem Döner vorstellen. Sie war einundsechzig, sehr großmütterlich mit ihrem weißen, schütteren Haar und einer altmodischen, bunt gemusterten Kittelschürze. Auch ihr sehr faltiges Gesicht und ihre knochigen Finger an stark pigmentierten Händen ließen sie viel älter wirken als sie war.

      »Bevor ich mich mit den Jungs treffe, besorge ich dir eben auch einen Döner, einverstanden?«

      Tante Effi lächelte zufrieden und widmete sich wieder ihrer Strickerei. »Vor einigen Tagen bin ich Luisa im Supermarkt begegnet.«

      »Und?«, reagierte ich ungerührt und verputzte den letzten Bissen meines Döners.

      »Sie hat nach dir gefragt und war ganz verwundert, dass du weggezogen bist.«

      »Aha.«

      Tante Effi sah wieder auf und musterte mich fragend über ihre Brille. »Sag mal, langweile ich dich irgendwie?«

      »Keineswegs.«

      »Aber?«

      Mein Blick ruhte auf ihren Händen. »Worauf willst du hinaus? Luisa und ich sind seit einer halben Ewigkeit kein Paar mehr. Gewöhn dich allmählich daran.«

      »Ach herrje, wo denkst du hin?« Tante Effi war sichtlich entsetzt. »Ich wollte darauf hinaus, dass sie eine dicke Kugel vor sich herträgt. Der Entbindungstermin ist in zwei Wochen.«

      Das war allerdings ein starkes Stück. War sie denn nicht fest entschlossen gewesen, Jura zu studieren? Mit einem Kind würde sich das sicher ziemlich schwierig gestalten. »Wer ist der Vater?« Keine Ahnung, warum ich das wissen wollte. Spielte das eine Rolle? Ich war doch sowieso nicht mehr auf dem Laufenden. Schon über ein Jahr war es her, als ich sie das letztes Mal gesehen und mit ihr gesprochen hatte. Und das Aufeinandertreffen war nicht gerade das, was man ideal nannte.

      »Ihr letzter Freund. Kevin.«

      »Auch der ist schon Schnee von gestern? Alle Achtung!« Ihr Männerverschleiß seit unserer Trennung vor zweieinhalb Jahren war kaum noch zu toppen. »Und hat sie schon einen Ersatzdaddy gefunden?«

      Tante Effi verging das Lächeln. »Cedric, nimm dich zusammen!«

      »Entschuldige.«

      »Sie ist allein. Vielleicht solltest du sie mal anrufen. Ich glaube, sie kann jemanden wie dich gut gebrauchen.«

      Ich musste mich wohl verhört haben. »Bitte?«

      »Ich musste feststellen, dass sie in etwas … nun ja, gesellschaftsschädliche Verhältnisse geraten ist, lebt noch dazu von Stütze. Stell dir das mal vor, mit achtzehn schon. Und nun habe ich mir gedacht, wenn sie dich sieht ... wenn sie sieht, was aus dir geworden ist, meine ich, könnte es sie anspornen und wieder auf ihren rechten Weg bringen.«

      Falsch gedacht! Luisa war Geschichte. Und das sollte auch so bleiben. Sie hatte mich nicht mehr gewollt, weil sich ihre Ansprüche an Jungen geändert hatten. Und als sie mich nicht nur

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