Erkläre mir das Leben. Katie Volckx

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Erkläre mir das Leben - Katie Volckx

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Gelegenheit«, log ich aus Anstand zu Tante Effi. Ich wollte sie nichts darüber wissen lassen, was ich wirklich für Luisa empfand, wie strapaziös der Kampf mit dem Verlust ihrer Liebe gewesen war und wie mörderisch groß auch jetzt noch meine Enttäuschung darüber war. Tante Effi war zu alt für Feindseligkeit, war geradezu angeekelt von jeder Art von Negativgefühlen. In ihr herrschte hauptsächlich traute Harmonie und purer Frieden. Sie würde meine Haltung also nie und nimmer verstehen.

      7

      Auch Basti war ein Freund aus Kindertagen. Laut der Aussage unserer Mütter waren wir ein Herz und eine Seele, schlicht wie siamesische Zwillinge. Wir waren nicht auseinanderzudenken.

      Als er mich aus der Entfernung wahrnahm, rief er zur Begrüßung meinen Namen und: »Willkommen zurück in der Zivilisation.«

      »Ich genieße es, solange ich kann«, erwiderte ich lachend. Dann fielen wir uns in die Arme und klopften einander hart auf den Rücken. Je härter, desto schmerzhafter, aber je mehr es schmerzte, desto größer war die Freude des Wiedersehens. »Wo hast du die anderen gelassen?« Die anderen waren Aaron, Constantin, Samu und Tim. Sie machten unsere Clique komplett. Zusammen waren wir ein lustiger Haufen, der sich dem Spaß des Lebens widmete und sich von jeder Art von Bockmist distanzierte. Wir waren bestimmt keine Musterknaben und gingen nicht an jedem Sonntag zum Beten in die Kirche, aber wir waren auch keine brutale Gang aus gemeingefährlichen Gesetzesbrechern, die mit Gangstaaa-Rap-Arien, diversen Kampfgeräten und vernichtenden Blicken die uns entgegenkommenden Passanten zu einem Gehwegwechsel zwangen. Wir waren bloß die lieben, blassen Jungs von nebenan – der Traum aller Schwiegermütter, dessen schwerste Vergehen daraus bestanden, dass sie in Lachen ausbrachen, wenn jemand ulkig zu Fall kam oder sich vor dem ersten Mal ihr sexuelles Wissen durch Pornos angeeignet hatten oder mit vierzehn um Monde zu spät von einer Party nach Hause gekommen waren.

      »Die anderen warten in Quickborn auf uns.«

      »In Quickborn? Was läuft da?«

      »Ich habe dir doch vorhin am Telefon gesagt, du sollst dich überraschen lassen. Also warte es ab und steig ein.« Mit dem Kinn deutete Basti auf einen kleinen, weißen, dreitürigen Peugeot, der am Straßenrand parkte. Ehe ich mir wie ein Esel vorkommen konnte, lief er um den Wagen herum, öffnete die Fahrertür und setzte sich hinein.

      Es handelte sich also um keinen Witz!

      Erst dann wagte ich, mich auf der Beifahrerseite niederzulassen und fragte: »Seit wann hast du einen Führerschein? Ich meine, du hast doch einen, oder?«

      »Klar doch«, lachte er, startete den Motor und verließ die Parklücke erfolgreich. »Ich habe ihn in den Sommerferien in so einem Express-Kurs gemacht. Meine Großeltern haben ihn mir gesponsert. Dafür kriege ich im Januar von ihnen keine Geschenke zum Geburtstag, und aller Wahrscheinlichkeit nach auch keine zu Weihnachten. – Als ob ich ihnen auch das noch abverlangen würde!«

      »Du Glückspilz.«

      »Weshalb sponsern dir eigentlich deine Eltern nicht den Führerschein? Es ist ja nicht so, dass die Kohle dafür nicht da wäre. Und nun lebt ihr auch noch in so einem Kuhkaff, wo man auf einen fahrbaren Untersatz angewiesen ist.«

      »Gute Frage!« Ich hatte nie mein Interesse an einen Führerschein geäußert, darum konnte ich die Frage nicht beantworten. In der Großstadt hätte ich nie ein Auto benötigt, wäre mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sogar noch viel besser dran gewesen. Aber nun, wo er es erwähnte, fiel mir ebenfalls auf, dass ein Pkw-Führerschein nie mehr Sinn gemacht hatte als jetzt. »Ich werde es einmal ansprechen, wenn ich wieder zu Hause bin.«

      An der nächsten roten Ampel erkundigte sich Basti über Niko. »Er hat sich nämlich ganz schön von uns abgeschottet. Er reagiert neuerdings überhaupt nicht mehr auf Nachrichten.«

      Da der Abstand zu den Jungs von Niko ausging, tat ich so, als wüsste ich von nichts. Ich mochte keinen Verrat begehen und Details ausplaudern, wenn es ihm nun mal nicht recht war, dass seine alte Clique aus seiner alten Heimatstadt etwas erfuhr. Ich befürchtete nur, dass Niko sich künftig auch von mir immer mehr distanzieren würde. Und das würde mich wirklich unglücklich machen. Mehr und mehr wurde mir klar, dass ich sein Vertrauen neu erlangen und ihm wieder ein besserer Freund werden musste. Die Entfernung, die uns vor dem Umzug in das beschauliche Siebentausendseelendorf getrennt hatte, hatte auch in unserer Freundschaft Spuren der Zerstörung hinterlassen, ohne dass ich mir je darüber bewusst gewesen war. Aber vielleicht machte ein weiter, räumlicher Abstand genau das aus Menschen. Vielleicht gelang es uns auf Dauer nicht, auch Personen, die wir liebten, für immer in unserem Herzen zu bewahren. Vielleicht würden sie immer einen besonderen Platz darin einnehmen, würden jedoch irgendwann nicht mehr in den neuen Zeit- oder Lebensabschnitt passen und man würde sich nur noch an sie erinnern als den Teil, der sie einmal gewesen waren. Vorbei die Zeit, in der uns diese Personen noch glücklich gemacht hatten. Wie viel Einfluss hatten wir denn schon auf unsere Gefühle?

      »Vielleicht solltet ihr ihn mal besuchen. Das habt ihr noch nie getan. Das könnte ihn aufmuntern.« Und erst, als ich die Worte laut ausgesprochen hatte, checkte ich, dass auch ich das nie zuvor getan hatte. Wieso? Weil ich mich darauf ausgeruht hatte, dass er einmal im Quartal ohnehin nach Hamburg gekommen war, um Heimatluft zu schnuppern. Aber könnte es sein, dass unser fehlendes Interesse an Nikos neuem Leben daran Schuld gewesen war, dass er sich von uns zu lösen begann?

      »Er hat letztens was von einer Strandparty an der Ostsee erzählt, die demnächst stattfinden soll. Was denkst du, sollten wir dorthin kommen? Das wäre immerhin ein Anfang.«

      Über eine Strandparty war mir noch nichts bekannt, jedoch würde ich mich mit Sicherheit informieren. »Das wäre großartig, wenn ihr das einrichten könntet.«

      Beim Rechtsabbiegen in eine enge Seitenstraße legte Basti plötzlich eine Vollbremsung ein und betätigte die Hupe wie ein wild gewordener Affe. »Bist du farbenblind, du blöde, fette Tussi?«, schrie er dermaßen laut, dass mein linkes Ohr tinitusartig pfiff. »Du hast rooohooot!«

      »Verflucht noch mal, Basti, mein Trommelfell hat sich soeben bei mir verabschiedet«, schrie ich nun ebenfalls.

      »Entschuldige bitte, du Diva, aber ich habe fast ein Mädchen über den Haufen gefahren. Da dürfen einem schon mal kurz die Nerven durchgehen.«

      Durch die Windschutzscheibe starrte ich das besagte Mädchen an, das mir wie ein eingefrorenes Bild erschien. Nur quälend langsam kamen alle Beteiligten wieder zu sich. Bis ich endlich realisierte, wer dort vor uns stand. »Sie ist nicht fett, sie ist schwanger.«

      Mit zitternder Unterlippe murmelte Basti: »Luisa!« Er war völlig vom Schock befallen. »Hamburg hat eins Komma acht Millionen Einwohner, und ich fahre ausgerechnet Luisa über den Haufen?«

      Ich hatte keine Zeit, ihn aufzurichten. Ich sprang aus dem Auto und eilte zu ihr, um sie von der Straße zu führen und den Verkehr nicht weiter aufzuhalten. Derweil lenkte Basti den Peugeot in die nächste Parklücke und wartete dort auf mich.

      »Hast du das geplant?«, motzte ich, zwar klar im Schädel, aber innerlich noch immer aufgewühlt.

      »Natürlich, und ich habe das vorher auch zehnmal täglich geübt, bis der Tag der Tage endlich gekommen ist!«, motzte Luisa atemlos zurück und tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. »Was denkst du eigentlich, wer du bist? Leonardo DiCaprio?«

      »Tu doch nicht so. Eben noch legte mir Tante Effi nahe, mich um dich zu kümmern, und zwei Stunden später stehst du auf einmal so mir nichts, dir nichts vor mir.«

      Sie machte erstickte

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