Erkläre mir das Leben. Katie Volckx

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Erkläre mir das Leben - Katie Volckx

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verließ sie mich.

      »Warte doch mal!« Mit zwei großen, schnellen Schritten lief ich ihr hinterher und ergriff ihren Oberarm, um sie am Weitergehen zu hindern. Ich konnte sie nicht einfach so davonziehen lassen, im Wissen, dass ihr nicht wohl war.

      »Was ist?« Sie riss ihren Arm zurück.

      »Wie geht es dir?«

      »Was glaubst du?« Mit ihrem Blick deutete sie flüchtig auf ihren kugelrunden Bauch, den sie mir in ihrem leichten, weißen, knielangen Sommerkleid ein Stück entgegenstreckte. »Ich fühle mich fett wie ein Seehund, das Gehen fällt mir schwer und ich habe keinen Mann, der mir die Einkaufstüten nach Hause schleppt.« Kurz hob sie die Einkaufstüten in ihren Händen ein Stück an, um dem Nachdruck zu verleihen.

      »Falls das eine Aufforderung ist«, blies ich den Hoffnungsfunken, der in ihren Augen aufblitzte, erbarmungslos aus, »ich habe jetzt echt keine Zeit. Wir sind auf dem Weg nach Quickborn.«

      Sie hob das Kinn an und näselte tödlich beleidigt: »Nein, das war keine Aufforderung. Ich wohne zwei Blocks weiter. Ich brauche deine Hilfe also nicht jetzt – und auch sonst nicht.«

      Ich schaute mich um. Es war nicht der exklusivste Stadtteil wie Harvestehude, aber erfreulicherweise auch kein Problemviertel wie Billstedt. Ich war beruhigt, denn laut Tante Effis Aussage, schien Luisa ja unter irgendeiner Kanalbrücke unter wüsten Bedingungen zu hausen. Na gut, vermutlich war auch nur meine Fantasie mit mir durchgegangen.

      »Was ist aus deinem Plan geworden, Jura zu studieren?«

      »Hat sich nur verschoben. Ich habe ihn nicht aufgegeben.« Sie wirkte nicht, als wäre sie selbst davon überzeugt. Doch sie wirkte auch nicht wehmütig. »Ich bin noch jung. Das rennt mir nicht weg.«

      »Freust du dich?«

      »Auf das Kind?« Ich nickte bestätigend. »Nicht das Kind bereitet mir Unannehmlichkeiten, wohl aber die missliche Lage.«

      »Kevin hat sich aus dem Staub gemacht ...« Zum Beispiel.

      Sie schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nicht er hat mich verlassen, sondern ich ihn. Denn ich kann keinen Junkie in der Nähe meines Kindes dulden.«

      »Er hat Drogen konsumiert?«

      »An der Nadel hing er nicht gerade, aber er war dauerbekifft.« Sie verlagerte ihr Gewicht von links nach rechts. »Und nichts sprach dafür, dass er für unser Kind in Zukunft die Finger davon lassen wird. Also habe ich die Reißleine gezogen, bevor mein Kind das Licht der Welt erblickt und sich an diesen Hirntoten gewöhnt.«

      »Nicht einmal sein Kind ist es ihm wert, etwas zu ändern? Ich meine, es wäre ja auch ihm zugute gekommen. Oder findet er es befriedigend, so ein asoziales Leben zu führen?«

      Sie zuckte mit den Schultern, wusste sich offenbar auch keinen Rat. »Er hat so ein schlagendes Argument hervorgebracht wie: ›Es war ja nicht geplant und darum muss ich auch nichts ändern.‹«

      Demonstrativ legte ich den Zeigefinger ans Kinn und grübelte angestrengt. »Mir erschließt sich die Logik nicht.«

      »Mir auch nicht, aber ich schätze, durch seinen Drogenkonsum ist die Hälfte seines Denkvermögens schon im Nirwana verschwunden.« Auch sie grübelte. »Schließlich hat er schon mit dreizehn damit begonnen. Das ist nun gut zehn Jahre her.«

      Bevor ich etwas dazu sagte, ließ ich den Lkw, der in die Seitenstraße einbog, in der wir uns befanden, passieren, um nicht über das laute Motorengeräusch brüllen zu müssen. »Wo lernst du solche Typen kennen?«

      Schmerzerfüllt verzog sie das Gesicht und neigte sich ein wenig nach vorn, nur ganz kurz, als hätte das Baby ihr einen kräftigen Tritt verpasst. »Kann ja nicht jeder so perfekt sein wie du«, zischelte sie scharfzüngig.

      Genervt verdrehte ich die Augen und zog eine meiner buschigen, wohlproportionierten Augenbrauen hoch. »Echt jetzt? Diese Frage lässt dich glauben, dass ich mich für die Krönung der Schöpfung halte?«

      Wieder neigte sie sich nach vorn. Doch dieses Mal verharrte sie in dieser Position und blies den Atem durch spitze Lippen so aus, als würden die Wehen bei ihr einsetzen. Sie hielt mir eine der Einkaufstüten entgegen und bat mich, sie ihr kurz abzunehmen, denn sie benötigte die freie Hand, um ihren Babybauch zu streicheln. Ich nahm an, dass das Handauflegen beruhigend auf Mutter und Kind einwirkte. Davon hatte ich schon mal gehört.

      »Gib ruhig zu, dass dich mein steiler Absturz freut und regelrecht Genugtuung in dir auslöst«, war sie trotz des Umstandes nicht zu bremsen und presste die Worte krampfhaft durch zusammengebissene Zähne heraus, sodass sie kaum verständlich waren.

      »Da muss ich dich leider enttäuschen. Ich erfreue mich nicht am Leid oder Schaden anderer Leute. Wenn du mich wirklich kennen würdest, wüsstest du das auch.« Ich fühlte mich nicht wohl dabei, das mit ihr in ihrem gegenwärtigen Zustand in einer Diskussion weiter zu erörtern.

      »Nun, ich habe dich damals skrupellos abserviert. Verletzte Menschen haben schon so einiges aus Verbitterung getan. Da wäre Hass empfinden noch das Harmloseste.« Statt sich vom Schmerz zu erholen, neigte sie sich nun noch ein Stück nach vorn. Das veranlasste mich, sie zu entlasten und auch die zweite Einkaufstüte an mich zu nehmen. »Und erinnere dich an unsere letzte Begegnung vor einem Jahr ...«

      Ich hatte genug von dem Theater. Offensichtlich hatte sie Schmerzen. Ich konnte es unmöglich gutheißen, dass die dicke Luft zwischen uns über Luisas Gesundheit und das Kind stand. »Ich bin ja kein Experte, aber solltest du nicht einen Arzt aufsuchen?«

      »Nein«, sagte sie japsend, »ich will das jetzt klären!« Dass sie aber jetzt nicht dazu imstande war, blendete sie völlig aus. Das konnte nur bedeuten, dass unsere Trennung sie seither immens beschäftigt hatte.

      »Ich verspreche dir, dass wir das klären werden. Aber jetzt lass mich dich zum Arzt bringen.« Ich sorgte mich ehrlich um sie. Sie wurde ganz blass und schwankte ein wenig. Vermutlich machte ihr darüber hinaus die Hitze zu schaffen.

      »Wirklich? Du versprichst es mir?«

      »Ja … ja, das tue ich.«

      Sie rang sich ein Lächeln ab, das ihre Freude darüber ausdrücken sollte. Doch die Schmerzen nahmen zu, was sich vor allem dadurch bemerkbar machte, dass sie zu Stöhnen begann. Das letzte Mal, als dieses Geräusch ihren Mund verlassen hatte, hatten wir es miteinander getrieben. Es war seltsam, es nun wieder zu hören, jedoch in Verbindung mit etwas vollkommen anderem.

      Ich beugte mich vor und bat sie, ihren Arm um meine Schultern zu schlingen. So stützte ich sie beim Gehen. Jeder Schritt, den sie machte, tat ihr weh und schwächte sie. Zum Glück hatte Basti in nächster Nähe, ich schätze, einen Steinwurf entfernt, geparkt. So erreichten wir das Auto recht fix. Ich öffnete die Beifahrertür, kippte die Rücklehne des Sitzes nach vorn, schmiss die Tüten auf den Rücksitz und kletterte auch dorthin. Für einen großen Kerl wie mich war das eine Kunst für sich. Ich zog die Rücklehne zurück und bat Luisa, endlich einzusteigen. Wie ein nasser Sack ließ sie sich in den Sitz fallen, schien mit ihrer Kraft völlig am Ende zu sein.

      Bis dahin hatte Basti dem Vorgang nur mit offenem Mund zugesehen. Als er wieder zu sich gefunden hatte, fragte er skeptisch: »Was wird das, wenn es fertig ist?«

      »Hallo Basti«, begrüßte sie ihn mit gespielt sonniger Stimme, »wie geht es dir? – Mir geht es soweit gut, danke

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