Vom Kap zum Kilimandscharo. Ludwig Witzani

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Vom Kap zum Kilimandscharo - Ludwig Witzani

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war ein aufgeräumer Ort, den man durchfuhr wie eine Freiluftausstellung properer Häuser und Straßen. Ein Ort wie ein makelloses Gesicht, von dem nichts mehr in Erinnerung blieb.

      Ebenso makellos war der weite, prachtvolle Sandstrand von Wilderness, eine sichelartige Bucht mit sanft auslaufender Dünung – und vollkommen leer. Vielleicht bestand darin eine der Attraktionen Afrikas für den Europäer: in dem ungewohnten Nebeneinander von Schönheit und Menschenleere, auf die die Bewohner urbaner Gesellschaften meist verzichten müssen. Aber die Schönheit ist auch wie ein Gewicht, das alleine nicht leicht zu tragen ist. Manchmal erzeugt sie sogar ein Gefühl der Vereinzelung - gerade so, als könne man die Welt ab einer gewissen Verzauberung nur noch zu zweit ertragen. Aber gottlob besaß ich noch eine zweite Flasche Chardonnay aus Stellenbosch.

      Zwei Felsen bewachten den Eingang zur Lagune von Knysa, Die Brandung des Ozeans krachte gegen die Klippen, ein alter Leuchtturm diente als Aussichtspunkt auf die Küste. Zwischen Meer und Land befand sich ein Binnensee, der seine Größe nach dem Rhythmus von Ebbe und Flut veränderte. Kaffernadler zogen ihre Kreise und hielten Ausschau nach Beute. Am Ende des George Rex Drive, der direkt zur Lagune von Knysa führte, hatten Läden, Cafés und Restaurants geöffnet, in denen eine so entspannte Stimmung herrschte, als sei die ganze Küste eine Region des ewigen Friedens. Ich notierte: Die Gartenroute – ein verschönertes Europa auf dem Silbertablett.

      Der Ort Plettenberg, die „Perle der Gartenroute“, trug seinen Namen nach Gouverneur Joachim von Plettenberg, der ab 1779 hier eine Verladestation für Holz eingerichtet hatte. Ein Euphemismus dafür, dass die Kolonisten über Swellendam hinaus vorgedrungen waren und damit begonnen hatten, die Küsten abzuholzen. Dann wurde man im 19. Jahrhundert auf die herrliche Lage der Bucht aufmerksam, und wohlhabende Südafrikaner begannen damit, den Ort zu einer mondänen Ferienenklave umzubauen. Villengelände mit üppigen Gärten, breiten Zufahrten und fantastischen Ausblicken auf Küste und Meer entstanden und prägten das neue Bild der der Stadt. Das einzige Handicap, das Plettenberg aus dieser Gründerphase mitnahm, ging auf eine Bausünde zurück, die die Stadtväter begingen, als sie den Neubau eines klobigen Hotelkomplexes direkt am Strand gestattet hatten. Dieser Hotelkomplex, dessen Anblick von den Höhen der Berge aus noch heute störte, teilte den Strandbezirk von Plettenberg in zwei Teile, die sich in nichts voneinander unterschieden und an denen eines unbekannt zu sein scheint: Überfüllung und Bedürftigkeit. Sanft rollte die flache Dünung am über den goldgelben Sand, der Xhosa-Eismann und der Zulu-Getränkeverkäufer staksten heran, ansonsten waren Schwarzafrikaner nirgendwo zu sehen.

      Ich fand ein kleines Apartment hoch über der Bucht von Plettenberg gleich neben einem Palmengarten mit einer unverstellten Aussicht auf die gesamte Bucht. Das Meer lag vor mir wie ein tiefblauer Samtbelag, und die Umrisse der Bucht verloren sich im Dunst der östlichen Tsitsikammaberge. Konnte es einen besseren Ort geben, der Bucht von Plettenberg teilhaftig zu werden, als dieser Adlerhorst hoch über der Stadt? Schönheit ist nicht immer nur eine Frage der Form und Stimmung sondern auch der Distanz.

      Als ich mit einem Kaffee auf der Veranda saß und dem Zug einer Schönwetterwolke beobachtete, bemerkte ich auf dem Nebenbalkon ein Paar. Der Mann trug Shorts und Unterhemd, hatte die Beine auf die Brüstung der Veranda gelegt und las ein Buch. Auf seiner Stirn befand sich eine steile Falte, die auszudrücken schien: Stör mich nicht. Die Frau, die ihm am Tisch gegenüber saß, war etwas jünger, trug einen knapp sitzenden Badeanzug und lackierte ihre Fußnägel. Die Aussicht auf die Bucht war Nebensache. Ich machte mich bemerkbar. Ein kurzer Gruß, ein Kopfnicken, das reichte offenbar. Dann ging es weiter mit Buch und Zehennägeln.

      Am Abend aß ich in „The Plettenberg“, dem besten Hotel der Stadt. Das Lamm war ebenso gut wie der Personalaufwand unglaublich. Man zuckte nur mit irgendeinem Körperteil und schon stand ein Bediensteter am Tisch. Natürlich waren alle Kellner Schwarzafrikaner, und die Gäste waren Weiße, dazu aßen an diesem Abend auch einige Inder und Ostasiaten im Restaurant. Ich dachte daran, was geschehen würde, wenn ich jetzt alleine in einem guten Lokal in Russland oder Thailand säße. In Russland würde ich eine Karte auf dem Tisch finden, auf der mir eine Ludmilla ihre Dienste anbieten würde. In Thailand würde mich die Bardame möglicherweise direkt ansprechen. In „The Plettenberg“ trat der Kellner, nachdem ich zu Ende gegessen hatte, an meinen Tisch und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, mich in den Garten zu setzen. Als ich bejahte, ergriff er mein Glas und die Weinflasche wie eine Trophäe und führte mich in den Garten, wo ich an einem extra herangeschafften Tisch unter einem prachtvollen Sternenhimmel meinen Wein weiter trinken konnte. Auch das war Afrika, aber nur, wenn man über das nötige Kleingeld verfügte.

      In einer anderen Ecke des Gartens saßen meine Apartmentnachbarn, sie bemerkten mich und grüßten kurz und verhalten. Die junge Frau war sündhaft schön, sie hatte ihre Haare kunstvoll hochgesteckt und trug eine Perlenkette um den Hals. Ob ihre Zehennägel inzwischen in Schuss waren, konnte ich aus der Entfernung nicht erkennen, aber unverkennbar war, dass sie ihren Mann mit Missfallen betrachtete. Er ignorierte die unfreundliche Inaugenscheinnahme, der er unterzogen wurde, stellte ein Gesicht wie ein Pokerspieler zur Schau und trank ein Glas Wein nach dem nächsten. Eine Sentenz von Henri de Montherlant viel mir ein. „Immer wenn ich einen durchschnittlichen Kerl mit einem schönen Weib sehe, frage ich mich, was dieser Kerl zu ertragen hat.“ Manchmal bin ich so neidisch, dass ich das nur durch Zitate kaschieren kann.

      ***

      Von Plettenberg aus führte die Straße weiter nach Osten. Kurz vor dem Tsitsikamma Nationalpark stoppte ich an der Bloukran Brücke, der mit 216 Metern höchsten Brücke Südafrikas. Die mächtige Bogenkonstruktion, die dem Reisenden hoch über dem Meer freie Fahrt gestattete, war landesweit bekannt als Absprungrampe für einen der höchsten Bungee-Jumps der Welt. Wenn man den Plakaten glauben durfte, dann rangierte der Sprung von der Bloukran Brücke mit ihrer Höhe von 216 Metern nach der Royal George Bridge in Colorado (321 Meter) als zweithöchster Absprungplatz der Welt. Bezog man Fernsehtürme und Staudämme als Absprungorte mit ein, dann belegte die Bloukran-Brücke immerhin weltweit auch noch den vierten Rang. Dementsprechend war der Andrang. Die Wartezeit von der Buchung eines Sprungs bis zum Sprung betrug zur Zeit etwa zwei Stunden. Obwohl Klienten über sechzig umsonst springen durften, waren es ausschließlich junge Leute, die ein Ticket kauften, und bezeichnenderweise waren in den wartenden Gruppen immer diejenigen ganz gut zu identifizieren, die einen solchen Sprung wagen wollte und jetzt nicht mehr zurückkonnten.

      Aus Sicherheitsgründen war der Absprungort in der Brückenmitte abgesperrt, nur die Springer und einige Begleiter durften zur Rampe, die anderen mussten das Ereignis vom Rand der Schlucht aus beobachten. Soweit ich erkennen konnte, dauerte die ganze Prozedur pro Sprung etwa zwanzig Minuten. Der Springer wurde von zwei Betreuern begrüßt und eingewiesen. Dann wurden ihm die Beine reißfest zusammengebunden und mit dem elastischen Bungee-Seil verbunden. Solchermaßen gesichert hoppelte der Klient wie ein Sackhüpfer auf die Rampe und sprang. Manche breiteten die Arme auf und sprangen in dramatischer Pose in die Tiefe, manche ließen sich einfach fallen, und wenn ich mich nicht versehen habe, wurde ein besonders Zögerlicher mit einem kurzen Body Check auf die Reise befördert.

      Der Sturz selbst war eine Sekundensache. Der Springer fiel wie ein Stein, das Seil spannte sich, und schon schnellte der Bungee-Jumper bereits wieder in die Höhe und schwang dann am Seil aus. Ein Mitarbeiter des Bungee Teams wurde von oben heruntergeseilt, um dem Klienten beim Hochziehen zu assistieren. Oben wurde der Springer dann von seinen Begleitern mit Klatschen und Händeschütteln empfangen, und schon kam der Nächste an die Reihe.

      Wenige Kilometer hinter der Bloukran-Brücke führte ein Stichstraße zum Eingang des Tstitsikamma Nationalparks. Der etwa achtzig Kilometer lange Park war eine wildromantische Küstenlandschaft, deren Berge sich Hunderte von Metern unmittelbar aus dem Ozean erhoben.

      Schon bei der Fahrt vom Parkeingang zum Besucherzentrum an der Küste verblüffte der undurchdringliche Bewuchs einer der ältesten Primärwälder Afrikas. So sehr die Portugiesen, Buren, Engländer und Eingeborenen auch das Holz an der Küste geschlagen hatten, in

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