Vom Kap zum Kilimandscharo. Ludwig Witzani

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Vom Kap zum Kilimandscharo - Ludwig Witzani

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bei einem Protestmarsch gegen die Zwangsunterweisung in Afrikaans erschossen worden waren. Wie eine trotzige Bekräftigung des Apartheidsregimes war noch im Jahre 1975 das Afrikaanermonument von Paarl zum Gedenken an das fünfzigjährige Jubiläum der Erhebung des Afrikaans zur Landessprache errichtet worden.

      Inzwischen war das Apartheidsregime verschwunden, doch das Afrikaanermonument existierte noch immer. Es bestand aus vier unterschiedlich hohen Pfeilern, die die vier Quellen des Afrikaans darstellen sollten. Der höchste Pfeiler, der immerhin 57 Meter maß, stellte den germanischen, besser: den niederländischen Ursprung des Afrikaans dar. Ihn umstanden drei kleinere Pfeiler, die an die Einflüsse der Khoisan Sprache, des Xhosa und des Mailaiischen erinnerten. Dass das Afrikaanermonument nach dem Machtwechsel am Kap nicht abgerissen worden war, hatte damit zu tun, dass Afrikaans längst nicht mehr nur von Weißen, sondern auch von Millionen Schwarzafrikanern gesprochen wurde. Sie hatten diese Sprache während des Apartheidsregimes unter Zwang gelernt, nun aber sprachen sie sie halt und hatten sie als Teil ihres Lebens anerkannt. Mittlerweile belegte Afrikaans unter den elf offiziellen Landessprachen Südafrikas nach Xhosa, Zulu und Englisch den vierten Rang.

      Ehe ich an die Küste zurückkehrte, unternahm ich einenletzten Abstecher nach Worchester gut siebzig Kilometer von Paarl entfernt. Schon während der Fahrt nach Nordosten verschwanden die freundlichen Wiesen und farbenfrohen Blumenteppiche. Geröllfelsen ohne jeden Bewuchs standen wie Wächterfiguren an der großen Ausfallstraße zur Karoo, der Vegetationszone des südafrikanischen Binnenlandes, die von nun an fast anderthalbtausend Kilometer lang das Landschaftsbild bis Johannesburg bestimmte.

      Schon lange bevor die Briten die Macht am Kap übernommen hatten, waren burische Siedler im 18. Jahrhundert in der Umgebung des heutigen Worchester ansässig geworden. Im Freilichtmuseum von Worchester war ein komplettes kleines Grenzdorf wieder aufgebaut worden, in dem die altburischen Tage so genau und originalgetreu wie möglich wieder zum Leben erweckt wurden. Als Pioniere drapierte Museumsangestellte mahlten das Mehl, backten in den Backsteinöfen das harte Brot der Grenze und droschen das Heu mit alten Dreschen. Man sah Aloezäune, Vorrichtungen zum Trocknen der Tabakblätter und jede Menge Vieh in den Ställen. Dass es vorwiegend schwarzafrikanische Bedienstete waren, die diese virtuelle Realität zum Leben erweckten, passte ins Bild, denn auch die burischen Grenzer hatten ihre Farmen auf der Grundlage der Sklaverei betrieben. Als die Briten die Sklaverei am Kap verboten, hatten viele Buren auch aus Worchester ihre Habe auf große Planwagen verpackt, um sich weit weg von der gottlosen britischen Kapkolonie ein neues gelobtes Land zu suchen.

Titel

      Die schönste Straße

      der Welt

      Auf der Gartenroute

      Der schöne Mann, die schöne Frau, das schöne Pferd, alles wurde schon prämiert, wie aber steht es mit der schönen Straße? Und was bedeutet überhaupt das Prädikat „schön“ im Zusammenhang mit einer Straße? Ist es eine vage Sammelbezeichnung für eine Gemengelage aus Attraktivität, Abenteuerlichkeit oder anderen Eigenschaften? Dass die schöne Straße abwechslungsreich sein sollte, versteht sich natürlich von selbst. Auch was es links und rechts der Straße zu sehen gibt, sollte grandios sein – ein Ozean dessen Brecher gegen die Felsen knallen (Highway 1 zwischen Los Angeles und Pismo Beach), mächtige Sanddünen, die sich bis zum Horizont erstrecken (Die Straße der Palmen am Rande des Grand Ergs Occidental in Algerien) oder Eisriesen, zwischen denen sich eine Straße über atemberaubende Pässe windet (Der Karakorum Highway zwischen Abottobad und dem Khunjerab Pass in Pakistan) sollten es schon sein. Und seien wir ehrlich: Auch der Gedanke, alle diese Augenöffner bequem rollend und im Sessel sitzend genießen zu können, spielen bei der Frage nach der schönen Straße ein wichtige Rolle.

      Fasste man all diese Prädikate zusammen, dann gehörte die sogenannte „Gartenroute“ zwischen Kapstadt und Port Elisabeth sicher zu den schönsten Straßen der Erde. Sie ist so abwechslungsreich wie keine andere Straße in Afrika, führt vorüber an Palmen und Buschland, Wiesen und Weiden, vom Wind abgefrästen Bergrücken und üppigen Primärwäldern. Mit einigen der ältesten und geschichtsträchtigsten Orten Südafrikas ist sie so kulturrelevant wie keine andere Region des afrikanischen Südens. Swellendam, Mossel Bay, Plettenberg – die Aufzählung dieser Ortsnamen gleicht einem who´s who der südafrikanischen Geschichte. Last not least besteht die Gartenroute nicht ausschließlich, aber über weite Passagen aus einer gut ausgebauten Panoramastraße am Rande des Ozeans. Nur einen Malus muss man vermerken. Dass man nahezu überall auf der Gartenroute für ein gutes Essen oder ein Picknick anhalten kann, macht die Passage dieser Straße so bequem, dass sie fast einen Abzug für mangelnde Abenteuerlichkeit erhalten müsste.

      Ich begann meine Reise über die Gartenroute nach meiner Rückkehr aus der Weinprovinz in Sommerset West. Da war sie wieder, die schöne „False Bay“, an der das einzig Hässliche ihr Name war. Die Luft war so frisch und rein, dass es eine Freude war, tief einzuatmen, das Meer mit seiner vom Wind gekräuselten Gischt glich einem Spiegel aus unzähligen Splittern. Hinter Gordons Bay schoben sich die Hottentotten-Holland Mountains bis an das Meer heran, und nur eine kleine eng an den Fels gewundene Straße führte wie ein Saum nach Osten. An der Pringle Bay, ganz im Süden der Hottentotten-Holland Mountains, überblickte ich die False Bay zum letzten Mal und sah das Kap der Guten Hoffnung weit entfernt auf der anderen, der westlichen Seite der Bucht. Ein langgestreckter Wolkensaum, vom Wind getrieben, lag wie eine waagerechte Wetterfahne über dem Kap.

      Jenseits der Pringle Bay führte die Nationalstraße 2 nach Caledon, einem Ort, der für seine Heilquellen und seinen Wild Flower Garden berühmt ist. Wer wollte, konnte sich hier die Marsh Rose ansehen, einen Pyrophyten, dessen Keimdauer dreimal so lange war wie seine Lebenszeit. Wie bei vielen Imperien, die in Jahrhunderten wuchsen und dann in Jahrzehnten vergingen. Ich ließ die Marsh Rose aber links liegen und bog in Caledon nach Südosten ab, um das Kap Agulhas zu besuchen. Irgendwie glaubte ich, das dem Kap schuldig zu sein, denn kein Ort der Welt von vergleichbarer Lage wird derart übersehen wie dieses Kap, das besser den Namen „el cabo despreciado“, das missachtete Kap, tragen sollte. Der Augenschein erklärte warum. Eine flach und unspektakulär auslaufende Landzunge markierte genau am 20. Breitengrad das wirkliche südliche Ende des afrikanischen Kontinents. Vor einem schmucklosen viereckigen Steinblock am Ufer befanden sich zwei Schilder mit der Aufschrift „Indischer Ozean“ (links) und „Atlantischer Ozean“ (rechts), eine Einladung für alle Besucher ihr linkes und ihr rechtes Bein vor dem Steinblock so zu positionieren, dass sie wenigstens virtuell in ihrem Körper beide Ozeanregionen miteinander verbanden. Soweit so albern, auch wenn der Wind keinen Zweifel daran ließ, dass ich mich an einem Kreuzweg der Welten befand. Der Zusammenfluss des warmen Agulhas Stroms aus dem Indischen Ozean und der kalten Benguela Gewässer aus dem Atlantik erzeugte einen so orkanartigen Wind, dass ich mich schon nach wenigen Minuten zurück ins Auto flüchtete und weiterfuhr.

      Zwischen Cap Agulhas und Swellendam führte die Straße gut einhundert Kilometer lang über baumlose Hügel, die mit ihrer Moosbewachsung grünen Glatzen glichen, die aus der Erde wuchsen. Kurz vor Swellendam passierte ich eine Reihe von Farmen, die wie kleine Burgen auf den Anhöhen lagen. Weites, verlockendes Land, das seit dem 18. Jahrhundert die Siedler aus dem Kap nach Osten gelockt hatte. Die Khoisan, die hier ansässig waren, wurden schnell vertrieben, auf die kampfstarken Bantuvölker sollte man erst weiter östlich am Fisch River stoßen.

      Swellendam selbst, die drittälteste Stadt Südafrikas, lag gut fünfzig Kilometer vom Indischen Ozean entfernt und in leichter Schräge an sanft auslaufenden Bergen. Ihre Hauptsehenswürdigkeit war das sogenannte „Drostdy Museum“, in dem das Leben der burischen Ortsvorsteher in einer Art Freilichtmuseum dargestellt wurde. Bei den Drostdys handelte es sich um drei wuchtige Hollandhäuser mit steil abfallenden Dächern, massiven Wänden und Nutzgärten. Angefüllt waren die Drostdys mit unbequemen Stühlen aus dem 18. Jahrhundert, auf denen ein Elefant hätte sitzen können,

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