Spannt die Pferde vor den Wagen!. Hermine Stampa-Rabe

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Spannt die Pferde vor den Wagen! - Hermine Stampa-Rabe

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oder wegen der Feuerwehr, in der er auch war, abends noch einmal weg musste, durfte ich ja in seinem Bett schlafen.

      An diesem Abend wurden wir alle - auch ich - in unserem eigenen Bett eingekuschelt. Nach dem Abendgebet ging Mutter aus dem Kinderschlafzimmer und machte die Tür zu. Aus irgendeinem Grunde wachte ich aber wieder auf und musste zur Toilette. Dabei stellte ich fest, dass Mutter nicht zu Hause war. Das kannte ich nicht und wollte sie suchen. Für mich war es klar, dass sie bestimmt zu Oma und Opa Lu gegangen war.

      Ich zog mich an. Da es draußen schon ziemlich dunkel war, zog ich mir auch noch meinen dunkelblauen Mantel an, bei dem eine Spange mit phosphoreszierenden Katzenaugen befestigt war, damit mich niemand umrannte. So machte ich mich auf den Weg, den meine Mutter immer mit uns allen gegangen war. Darauf, dass ich das so genau wusste, war ich ganz stolz.

      Zuerst ging ich die Blücherstraße nach links bis ans Ende, überquerte den Blücherplatz, indem ich am Eisturm rechts vorbei ging. Dort am Blücherplatz befand sich das große Haus, in dem Oma Blücher wohnte. Dort in der Nähe führte eine kleine Brücke über die Ihna. Auf der anderen Seite angekommen, ging ich wieder links den Weidensteig entlang.

      Dass ich an zwei Brücken, die in die Stadt führten, vorbeigehen musste, wusste ich ganz genau. Die zählte ich auch. Über die dritte Brücke musste ich gehen und mich danach rechts halten und war nach kurzem Weg am Luisenplatz, den ich noch überqueren musste und gleich nach einer weiteren kleinen Brücke in der Luisenstraße. Hier wohnten Oma und Opa Lu in dem dritten Haus links.

      Als ich klingelte und Oma mir die Tür öffnete, war sie gar nicht so fröhlich, mich zu sehen. Vielmehr machte sie ein ganz entsetztes Gesicht und sagte:

      „Mein Zucker-Ei, was machst du denn hier so ganz alleine?"

      „Ich will meine Mami nach Hause holen", erwiderte ich ihr.

      Ich verstand sie nicht mehr. Oma Lu, Opa Lu, Onkel Hans, Tante Wanda und meine Cousine Waltraud scharten sich verständnislos um mich. Niemand drückte mich liebevoll, wie ich es sonst immer gewohnt war. Aber nun wussten sie, was los war. Irgendwie bekamen sie es fertig, meine Eltern davon zu informieren, dass ich bei ihnen war. Später kamen sie dann und holten mich ab. Mutter nahm mich gleich in ihre Arme und beruhigte mich.

      Vater sagte: „Das darfst du aber nie wieder machen."

      Zum Glück bekam ich keine Schläge, weil ich weggegangen war. Ich wollte ja etwas Gutes tun. Jedenfalls hatte ich meine Mami wieder. Das hatte ich dann doch erreicht.

      Meine Geschwister Rotraut, Hermann und Dankwart gingen schon zur Schule. Jetzt waren die Sommerferien für sie vorbei. Auch ich sollte demnächst eingeschult werden. Da fragte Rotraut ihre Klassenlehrerin, Fräulein Bohnenstengel, ob sie mich mal mitbringen dürfe. Sie erhielt dazu die Erlaubnis. Also durfte ich mal neben meiner großen Schwester in der Klasse sitzen und beim Unterricht eine Stunde lang zuhören. Das war ein einmaliges Erlebnis!

      Vater sagte danach zu mir: „Mini, jetzt kommst du auch zur Schule. Das ist etwas ganz Besonderes. Zur Feier dieses Anlasses fahre ich mit dir allein zum Madü-See und gehe dort mit dir Kaffee trinken und Kuchen essen. Möchtest du mit?"

      Und ob ich wollte!

      „Ja, das möchte ich", war meine Antwort.

      Das tat er dann auch. Das werde ich nie vergessen.

      Es war ein herrlicher Sonntag mit Wärme und Sonnenschein. Mutter zog mir meinen Sonntagsstaat an: Einen dunkelblauen Trägerrock aus Samt, der mit vielen kleinen bunten Herzen übersät war. Dazu trug ich eine kleine weiße Bluse mit Puffärmeln, weiße Kniestrümpfe und Halbschuhe.

      Dann nahm mich Vater mit seinem Fahrrad mit und fuhr zum Madü-See. Hier tummelten sich schon viel mehr Menschen als in der Stadt. Er nahm mich bei der Hand und ging mit mir zuerst auf dem weißen Sand zum Ufer. Gebadet haben wir nicht, aber ich hielt meine Hände in das angenehm warme Wasser. Darauf wanderte Vater mit mir in die Gaststätte und bestellte für uns beide Kuchen, für sich Kaffee und für mich Kakao. Und hier erzählte er mir die Geschichte, wie die Maränen in den Madü-See gekommen sind:

      'Im Kloster Kolbatz ist der Koch zum See gegangen und wollte Maränen fangen. Es befanden sich aber keine in seinem Fischernetz, als er dieses wieder hochgezogen hatte. Er sagte: "Wenn der Teufel käme, dann könnte er die Maränen aus Ostpreußen hierher holen."

      Tatsächlich ist ihm der Teufel erschienen, und er bat darum. Der Teufel sagte ihm dies zu, aber nur unter der Bedingung, dass er ihm seine Seele verschreiben müsse. Der Koch versprach es ihm aber nur, wenn der Teufel mit den Maränen noch vor dem ersten Hahnenschrei ankommt. Sonst hätte der Teufel verloren und würde seine Seele nicht bekommen. Der Teufel verschwand.

      Über Nacht versteckte sich der Mönchskoch im Schilf. Als gegen Morgen die Hähne krähen müssten, es aber noch nicht taten, ließ er den Hahnenschrei hören. Daraufhin haben alle Hähne in der Nachbarschaft zu krähen angefangen. Aber der Teufel war noch nicht da. Als er merkte, dass er zu spät gekommen war, hat er vor Wut den Sack mit den Maränen aus Ostpreußen in den Madü-See geschmissen. Und seitdem gibt es die Maränen in diesem See und keinem anderen in Pommern.'

      Ganz glücklich saß ich auf dem Rückweg wieder bei Vater auf dem Fahrrad. Ich freute mich schon sehr auf die Schule.

      Am 24. August 1944 wurde ich eingeschult. Meine Schule hieß Ihna-Volksschule. Auch bekam ich Fräulein Bohnenstengel als Klassenlehrerin. Sie erkannte mich gleich wieder.

      Das erste, was wir lernen mussten, war das Grüßen am Anfang der ersten Stunde. Bevor unsere Lehrerin in den Klassenraum kam, stellten wir uns auf den Gang neben unsere Tische. Sobald Fräulein Bohnenstengel dann im Raum stand, hoben wir alle die rechte Hand schräg hoch in die Höhe und grüßten mit den Worten: „Heil Hitler." Unsere Lehrerin grüßte genauso zurück. Nun durften wir uns wieder hinsetzen und der normale Unterricht fing an.

      In diesen ersten Monaten bis zum 8. Februar 1945 lernte ich noch, in der altdeutschen Schrift zu schreiben.

      Mein erstes Lied, das ich bei Fräulein Bohnenstengel lernte, gefiel mir so, dass ich es später sogar meinen drei kleinen Kindern beibrachte:

      Die Fröschelein, die Fröschelein, das ist ein lustig Chor,

      sie haben ja, sie haben ja kein Schwänzchen und kein Ohr.

      Quak, quak, quak,.......

      Und kommt der Storch und kommt der Storch, verschwinden sie im Moor.

      Und kommt der Storch und kommt der Storch, verschwinden sie im Moor

      Quak, quak, quak, ........

      Und ist er fort und ist er fort, dann kommen sie wieder hervor. Und ist er fort und ist er fort, dann kommen sie wieder hervor.

      Quak, quak, quak, .......

      In meiner Klasse schloss ich Freundschaft mit einem Mädchen, das in unserer Nähe im Krankenhaus wohnte. Den Namen weiß ich leider nicht mehr. Aber einmal wurde ich von ihren Eltern eingeladen, sie zu besuchen. Ich fand auch den Weg zu ihr. Aber was mir allein lebhaft von diesem Besuch in Erinnerung geblieben ist, das ist, dass sie mir erzählte, dass sich im Nebengebäude die ganzen Leichen befänden von den Menschen, die in den letzten Tagen im Krankenhaus gestorben waren.

      Ich bin nie wieder zu ihr gegangen.

      Langsam kam jetzt der Herbst, den ich als faszinierende

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