Zwischen Anfang und Ende. Helmut Lauschke

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Zwischen Anfang und Ende - Helmut Lauschke

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erstmal einen Kaffee.“ Vater und Tochter waren froh, dass sie zurück waren und sich an den Tisch in der warmen Küche setzten. „Wie war’s?“, fragte Luise Agnes, wobei sie den beiden in die Gesichter blickte und dann mit dem Schälen der Kartoffeln weitermachte. „Es gibt zwei gute Nachrichten und eine schlechte. Welche willst Du zuerst hören?“, fragte Anna Friederike die Mutter. „Fang mit den guten an!“ Da berichtete ihr Anna Friederike, dass sie in der Frauenklinik sofort mit der Arbeit beginnen könne und dass der Namensvetter Lebensmittelkarten mit den besseren Zuteilungen beschaffen werde, die der Fahrer morgen bringen würde, wenn er sie nicht selbst bringt. „Das sind in der Tat gute Nachrichten“, sagte Luise Agnes, die auf Kartoffel und Schälmesser blickte.

      „Nun weiß ich auch die schlechte Nachricht“, fuhr sie fort, „dass Vater mit dem Superintendenten gesprochen hat, der ihm nicht helfen kann, weil er keine Arbeit für ihn hat.“ „So ist’s; du bist eine Hellseherin“, sagte Anna Friederike. Die Mutter meinte, dass man kein Hellseher sein muss, um die Schwächen von Kirchenleuten zu kennen. Schweigend saß Eckhard Hieronymus vor seiner Tasse Kaffee, die die Bäuerin Dorfbrunner eingegossen hatte. Er war mit seinen Gedanken noch einmal bei dem kurzgewachsenen Konsistorialrat Braunfelder in Burgstadt, der, als er ihm an dem großen Schreibtisch mit der polierten Schreibtischplatte gegenübersaß, wie ein Wasserfall sprach und jeden Versuch, wenn er etwas sagen wollte, „wegspülte”, dass er bei den Gesprächen, zu denen er ihn gerufen hatte, einfach nicht zu Wort kam. Er sah die Manie, wie der Rat in seinem Wortschwall das metallene Brustkreuz mit seinen kurzen, fleischigen Finger fasste und umfuhr und nicht mehr aus den Fingern gab. Der andere Kirchenmann war der Bischof Rothmann in Breslau, der am Entwurf des pastoralen Rundbriefes die Passage streichen wollte, in der davon die Rede war, dass der Geist der Zeit gegen die Wahrheit sei, die zu verkünden war, weil das Böse mächtig zuschlägt, wenn die weltliche Macht größer sein will als die Macht Gottes, wo aus dem Machtkonflikt jene Unbilden entstehen, die durch Verdrehung der Wahrheit die Monster von Hass und Zwietracht hervorbringen. Der Bischof begründete den Weglassungsvorschlag mit seinem baldigen Ruhestand, dem er in Ruhe entgegensehen wolle, ohne vorher von der Gestapo noch gestört zu werden. Eckhard Hieronymus hatte die spöttische Bemerkung seines Namensvetters in SS-Uniform im Ohr, der sagte, dass die Kirchenleute jämmerlich versagen, wenn man sie braucht. Doch gab es unter den Kirchenmännern auch den Pfarrer Richter mit dem einen, dem rechten Arm, in Burgstadt und den jungen Pfarrer Kannengießer in Breslau. Sie waren Vorbild, was den Mut, die Wahrheit zu sagen, anging und die Unerschütterlichkeit des Glaubens betraf. Eckhard Hieronymus war der Auffassung, dass der Namensvetter diesen beiden Pastören seinen Respekt gezollt hätte. Ob er sie vor der Gestapo in Schutz genommen hätte, diese Frage konnte sich Eckhard Hieronymus allerdings nicht beantworten.

      Da der Obersturmführer gesagt hatte, dass er die besseren Lebensmittelkarten vielleicht selbst bringen würde, mussten die Vorbereitungen bezüglich Klaus und Heinz gleich getroffen werden. Die sollten vor dem Namensvetter versteckt gehalten werden, denn keiner konnte sich seine Reaktion vorstellen, wenn diese beiden für ihn völlig überraschend über den Hof liefen oder von ihm in der Scheune gefunden würden. Etwa hundert Meter hinter dem Plumpsklo stand ein altes Holzhäuschen. Eckart, Heinz und Klaus gingen zu dem Häuschen und richteten es soweit her, dass sich die beiden solange dort verstecken konnten, wie der Namensvetter mit den anderen Dorfbrunners in der Küche des Hauses saß und mit ihnen Bohnenkaffee trank, wofür er die gerösteten Bohnen mitbringen wollte. Die drei holten leere Kanister, eine leere Tonne und zwei Radfelgen heraus und stellten den Kram draußen vor das Häuschen. Dann brachten sie zwei Strohballen aus der Scheune und breiteten das Stroh auf dem Boden des geleerten Häuschens aus. Darauf kam eine alte Pferdedecke, dass ihnen der Bodenfrost nichts anhaben konnte.

      Sie waren mit der Vorbereitung noch zugange, als Eckart die schwarze Limousine auf den Hof zufahren sah. Er rief aufgeregt: „Er kommt ja heute schon. Los, macht, dass ihr reinkommt!“ Schnell nagelte Eckart zwei Bretter quer über die geschlossene Laubentür. Die schwarze Horchlimousine fuhr in den Hof ein. Aus der Beifahrertür stieg der Hüne von Obersturmführer aus. Mit einem Päckchen in der linken Hand drehte er sich auf dem Hof um, denn lange war er nicht mehr da gewesen. Er zog den Kopf tief ein, als er durch die Tür ging und auf die Küche zuschritt. Alle schauten verblüfft, als der Hüne plötzlich in der Küche stand, mit dem doch erst morgen, und dann mit dem Vielleicht gerechnet wurde, wie er es gesagt hatte. „Das ging aber schnell“, rutschte es Anna Friederike heraus. Die Begrüßung war jovial, wobei die Bäuerin zu ihm aufschaute und die allgemeine Verblüffung dadurch runterspielte, indem sie sagte, dass er nun mal aufhören könne zu wachsen. Der Namensvetter lachte, drückte ihr das Päckchen in die Hand und sagte, dass sie mal einen guten Kaffee machen solle. Er setzte sich zu den andern an den Tisch und überreichte Anna Friederike die drei Lebensmittelkarten mit den besseren Zuteilungen, während Luise Agnes noch mit dem Kartoffelschälen beschäftigt war. Der Fahrer drehte die Limousine im Hof, so dass sie mit der Frontscheibe zur Hofausfahrt zu stand. Eckart hatte die Schlafstellen auf dem rechten Schober unkenntlich gemacht, die Mäntel zusammengerollt und mit den Taschen im Heu versteckt. Die Leiter hatte er an den linken Schober angelegt und schob nach Verlassen der Scheune das große Tor zu, klopfte beim Vorbeigehen ans Fenster der Fahrertür, grüßte den Fahrer auf zivile Weise, der zurückgrüßend mit dem Kopf nickte.

      Eckart trat in die Küche und fragte, woher dieser Duft käme. Der Obersturmführer, der die Jacke ausgezogen hatte und mit Hemd und offenem Kragen neben Anna Friederike saß, rief: „Der Duft kommt aus der Kaffeekanne. Heute gibt es richtigen Bohnenkaffee. Den sollten wir zusammen trinken. Wer weiß, ob wir so noch einmal zusammenkommen. Luise Agnes stellte den Topf mit den geschälten Kartoffeln zur Seite, hängte die Schürze an den Haken neben dem Herd und setzte sich neben ihren Mann an den Tisch. Der Namensvetter schaute sie an und fragte ironisch: „Hat dir der heilige Hieronymus schon erzählt, welche Unterstützung ihm sein Amtsbruder zuteil werden lässt?“ „Er hat nur zugehört, als Anna Friederike von zwei guten Nachrichten und einer schlechten sprach und mich fragte, welche Nachricht ich zuerst hören wolle. Ich bat sie, mir erst die guten zu erzählen. Da sie bei den guten Nachrichten nichts vom Gespräch mit dem Superintendenten erwähnte, konnte ich mir die schlechte Nachricht selbst zusammenreimen. Da brauchte Eckhard Hieronymus kein Wort weiter zu verlieren.“ Der Namensvetter lachte: „Du bist eine kluge Frau und rücksichtsvoll dazu. Mit so einer Frau könnte ich auch leben.“ Luise Agnes lachte, Anna Friederike schmunzelte, und Eckhard Hieronymus schaute seinem Namensvetter in die blauen Augen. „Habe ich es nicht prophezeit“, fuhr der Namensvetter fort, „auf die Kirchenleute kann man sich nicht verlassen; sie haben immer dann eine Entschuldigung, wenn man ihre Hilfe braucht.“ Eckhard Hieronymus wandte ein, dass es, gottlob!, Pastöre gibt, die eine übermenschliche Hilfsbereitschaft an den Tag legen und in ganz selbstloser Weise helfen, worauf der Namensvetter meinte, dass jede Regel ihre Ausnahmen hat.

      Die Küchenluft war vom köstlichen Duft geschwängert. Man erinnerte sich der Zeiten, als dieser Duft über den Frühstückstischen schwebte. Alle genossen den richtigen Bohnenkaffee. Es kam eine Stimmung am Ecktisch in der Küche des Bauernhofes in Pommritz auf, die ganz umgekehrt war zu den Ereignissen, die außerhalb der Küche abliefen. Man erzählte Geschichten aus den Zeiten, die in Bezug auf den Kaffeegenuss doch besser waren, die für alle länger und für manche schon lange zurücklagen. Was da jeder zum Besten gab, mutete oft wie ein Märchen, besonders für die Jüngeren, an, weil es eben immer mit dem „Es war einmal“ begann, ob es bei Oma Hedwig oder Onkel Gustav war. Die Geschichten nahmen ihre Zeit, die ihnen auch solange gegeben wurde, bis die Grenze der Geduld erreicht war, weil sie alle in der Vergangenheit steckenblieben, wo doch die Fragen nach der Zukunft ihren Ursprung haben und deshalb unter den Nägeln brannten, deren Antworten aus den Geschichten, als die Zeiten noch besser waren, nicht gewonnen werden konnten.

      Reinhard Dorfbrunner im Hemd mit offenem Kragen, der seine Uniformjacke für die Zeit des gemeinsamen Kaffeetrinkens in der Küche des Dorfbrunner’schen Familienhofes an den Nagel gehängt hatte, hatte doch einen Hang zur Philosophie, als er sagte, dass nun eine Ära des deutschen Volkes mit den herausragenden Kulturleistungen von Jahrhunderten zu Ende geht, die nicht wiederholbar sei und in ihrer Höhe und Größe unerreichbar bleiben wird. Wenn die Russen im Osten und die Westalliierten im Westen und

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