Der Jüngling. Fjodor Dostojewski

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Der Jüngling - Fjodor Dostojewski

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ganz andere Erscheinung war Wersilows Tochter. Sie war hochgewachsen, sogar ein wenig hager, das Gesicht länglich und auffallend blaß, das Haar schwarz und üppig, die Augen dunkel und groß, der Blick tief, die Lippen des frischen Mundes klein und dunkelrot. Sie war das erste weibliche Wesen, das mir durch seinen Gang keinen Widerwillen einflößte, aber sie war eben auch schlank und hager. Der Ausdruck ihres Gesichts war nicht eigentlich gutmütig, aber würdevoll; sie war zweiundzwanzig Jahre alt. Fast in keinem Teil ihres Gesichts war eine äußere Ähnlichkeit mit Wersilow zu finden; dagegen hatte sie wunderbarerweise im Ausdruck des Gesichts eine außerordentliche Ähnlichkeit mit ihm. Ich weiß nicht, ob sie schön war; das kommt auf den Geschmack an. Beide Damen waren sehr einfach gekleidet, so daß es nicht der Mühe wert ist, das zu beschreiben. Ich erwartete, daß Fräulein Wersilow mich sogleich durch einen Blick oder eine Geste beleidigen würde, und bereitete mich schon darauf vor; hatte mich doch ihr Bruder in Moskau gleich bei unserem ersten Zusammentreffen im Leben beleidigt. Von Gesicht konnte sie mich nicht kennen, aber sie hatte jedenfalls gehört, daß ich regelmäßig zum Fürsten kam. Alles, was der Fürst vorhatte und tat, erregte sogleich bei dem Schwarm von Verwandten und »Anwärtern« das lebhafteste Interesse und wurde als wichtiges Ereignis betrachtet – um wieviel mehr seine plötzliche Zuneigung zu mir. Es war mir zuverlässig bekannt, daß der Fürst sich sehr für Anna Andrejewnas Schicksal interessierte und einen Bräutigam für sie suchte. Aber für Fräulein Wersilowa einen Bräutigam zu finden, war schwerer als für die Kanevasstickerinnen.

      Aber siehe da, die Sache kam ganz anders, als ich erwartet hatte. Nachdem Fräulein Wersilowa dem Fürsten die Hand gedrückt und mit ihm ein paar heitere Worte im Stil der vornehmen Gesellschaft gewechselt hatte, sah sie sehr neugierig nach mir hin, und da sie bemerkte, daß auch ich sie ansah, machte sie mir lächelnd eine Verbeugung. An sich war daran nichts Ungewöhnliches: sie war soeben eingetreten und machte mir eine Verbeugung, aber ihr Lächeln war so freundlich, daß es augenscheinlich schon vorher beabsichtigt sein mußte. Ich hatte dabei, wie ich mich erinnere, eine höchst angenehme Empfindung.

      »Und dies... und dies ist mein lieber junger Freund Arkadij Andrejewitsch Dol...«, stammelte der Fürst, da er sah, daß sie mir eine Verbeugung gemacht hatte und ich immer noch dasaß – und plötzlich verstummte er: vielleicht wurde er darüber verlegen, daß er mich ihr vorstellte (also, genaugenommen, den Bruder der Schwester). Die Schlummerrolle machte mir ebenfalls eine Verbeugung, aber ich brauste auf einmal in sehr dummer Weise auf und sprang von meinem Platz in die Höhe: es war ein Anfall gekünstelten ganz sinnlosen Stolzes, alles nur aus falschem Selbstgefühl.

      »Entschuldigen Sie, Fürst, ich heiße nicht Arkadij Andrejewitsch, sondern Arkadij Makarowitsch«,- bemerkte ich in scharfem Ton und vergaß dabei ganz, daß ich die Verbeugung der Damen erwidern mußte. Weiß der Teufel, wie unpassend ich mich in diesen Minuten benahm!

      »Mais. .. tiens!« rief der Fürst und stieß sich mit dem Finger gegen die Stirn.

      »Wo haben Sie studiert?« hörte ich vor mir die ziemlich dumme, gedehnte Frage der Schlummerrolle, die geradeswegs an mich herangetreten war.

      »In Moskau, auf dem Gymnasium.«

      »Ah! Ich habe davon gehört. Wird dort guter Unterricht erteilt?«

      »Jawohl, sehr guter.«

      Ich stand da und antwortete wie ein Soldat beim Rapport.

      Die Fragen dieses jungen Mädchens waren ohne Zweifel nicht sehr tiefsinnig, aber sie hatte doch ein Mittel gefunden, meine dumme Heftigkeit zu vertuschen und die Verlegenheit des Fürsten zu mildern, der unterdessen schon mit fröhlichem Lächeln anhörte, was ihm Fräulein Wersilowa vergnügt ins Ohr flüsterte; auf mich hatte es offenbar keinen Bezug. Aber ich fragte mich: warum sucht denn dieses mir gänzlich unbekannte junge Mädchen meine dumme Heftigkeit und alles übrige zu vertuschen? Unmöglich konnte ich denken, daß sie sich so ganz ohne Grund an mich gewandt hatte: da steckte eine Absicht dahinter. Sie blickte mich sehr neugierig an, als wünsche sie, daß ich sie ebenfalls recht sehr beachten möchte. Alles dies habe ich mir nachher so zurechtgelegt, und ich habe mich nicht geirrt.

      »Wie? Wirklich heute schon?« rief der Fürst auf einmal und sprang von seinem Platz auf.

      »Also haben Sie es nicht gewußt?« fragte Fräulein Wersilowa erstaunt. »Olympe! Der Fürst hat nicht gewußt, daß Katerina Nikolajewna heute ankommt. Wir wollten ja doch jetzt eben zu ihr kommen, weil wir glaubten, sie wäre schon mit dem Frühzug gefahren und längst zu Hause. Aber wir sind mit ihr eben an der Haustür zusammengetroffen; sie kam direkt von der Bahn und sagte uns, wir möchten nur zu Ihnen gehen; sie selbst werde auch gleich kommen... Da ist sie ja schon!«

      Eine Seitentür öffnete sich, und – jene Frau erschien!

      Ich kannte ihr Gesicht schon von dem wundervollen Porträt, das im Arbeitszimmer des Fürsten hing; ich hatte dieses Porträt den ganzen Monat über studiert. In ihrer Gegenwart verbrachte ich jetzt in dem Arbeitszimmer etwa drei Minuten und wandte meine Augen auch nicht eine Sekunde von ihrem Gesicht. Aber wenn ich das Porträt nicht gekannt hätte und nach Ablauf dieser drei Minuten gefragt worden wäre, wie sie aussähe, so hätte ich nichts antworten können, so benommen war ich.

      Ich erinnere mich aus diesen drei Minuten nur an eine tatsächlich sehr schöne Frau, die der Fürst küßte und bekreuzigte und die auf einmal, unmittelbar nach ihrem Eintritt, anfing, mich anzublicken. Ich hörte deutlich, wie der Fürst mit einem kleinen, leisen Lachen etwas von dem neuen Sekretär murmelte, wobei er offenbar auf mich zeigte, und wie er meinen Familiennamen nannte. Sie warf das Gesicht in eigentümlicher Weise zurück, musterte mich auf abscheuliche Art und lächelte so frech, daß ich mich auf einmal in Bewegung setzte, zum Fürsten hintrat und heftig zitternd, kein Wort zu Ende aussprechend und wahrscheinlich mit den Zähnen klappernd, murmelte: »Ich muß jetzt... ich habe jetzt für mich zu tun... Ich gehe.«

      Damit drehte ich mich um und ging hinaus. Niemand sagte ein Wort, auch der Fürst nicht; alle sahen mich nur an. Der Fürst hat mir später gesagt, ich sei so blaß geworden, daß er es »geradezu mit der Angst bekommen habe«.

      Das hatte nun allerdings nichts zu sagen!

      Drittes Kapitel

      Das hatte wirklich nichts zu sagen; die höchste Vorstellung verschlang alles Geringere, und das eine mächtige Gefühl entschädigte mich für alles andere. Ich ging in einer Art Wonnerausch hinaus. Als ich auf die Straße trat, hätte ich am liebsten losgesungen. Und es traf sich auch noch, daß es ein entzückender Morgen war: Sonnenschein, Passanten, Lärm, Bewegung, Freude, Gedränge. – Wie? Hatte mich denn diese Frau nicht beleidigt? Von wem hätte ich einen solchen Blick und ein so freches Lächeln ertragen, ohne sofortigen Protest meinerseits, mochte er auch noch so dumm herauskommen (das wäre dabei egal)? Man beachte noch: sie war schon mit der Absicht angereist gekommen, mich so schnell wie möglich zu beleidigen, obwohl sie mich noch nie gesehen hatte: in ihren Augen war ich »ein Abgesandter Wersilows«, und sie war damals, ebenso wie noch lange nachher, davon überzeugt, daß Wersilow ihr Schicksal in seinen Händen habe und imstande sei, sie, wenn er wolle, mittels eines Schriftstücks zugrunde zu richten; wenigstens vermutete sie das. Hier fand ein Duell auf Leben und Tod statt. Und siehe da – ich war nicht beleidigt! Eine Beleidigung war erfolgt, aber ich empfand sie nicht! Ja noch mehr! Ich war sogar froh; ich war hergekommen, um sie zu hassen, und nun fühlte ich sogar, daß ich anfing, sie zu lieben. ›Ich weiß nicht‹, dachte ich, ›ob eine Spinne Haß gegen die Fliege empfinden kann, die sie zu fangen beabsichtigt! Liebe kleine Fliege! Ich glaube, man liebt sein Opfer; wenigstens kann man es lieben. Ich, ich liebe meine Feindin da: es gefällt mir zum Beispiel sehr, daß sie so schön ist. Es gefällt mir sehr, gnädige Frau, daß Sie so hochmütig und stolz sind: wären Sie bescheidener, so würde mein Vergnügen

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