Abrechnung in London. Thomas Riedel

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Abrechnung in London - Thomas Riedel

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zu denken, griff nach dem Hörer und bemerkte neben dem Telefon einen Zettel. Er nahm ihn an sich. In flotter Handschrift hatte jemand mit Bleistift eine Adresse darauf geschrieben: ›Bradley, Private Investigator, London, Victoria Road, Phone: …

      Die Schrift einer Frau, dachte Bradley, und steckte den Zettel ein. Durch diesen Fund angeregt, suchte er mit einer solchen Intensität weiter, dass er darüber seine Absicht, das Yard anzurufen, vergaß.

      Auf einem wuchtigen Büfett stand ein Kristallglasleuchter, der das matte Licht der Deckenleuchte vielfarbig reflektierte. Er trat an das Büfett heran, nahm ein schwarzes, schmales Kästchen an sich, das darauf lag und öffnete es. Das Kästchen war mit zitronengelbem Samt ausgelegt. Auf dem Boden entdeckte er ein Firmenzeichen: ›L.B.‹. Als er sich die Innenseite des Deckels näher ansah, fanden sich in schwarzer Zierschrift die handgeschriebenen Worte ›Liebe Amanda, ich denke immer an Dich – Dein Roger Kensington‹, zu der Mr. Kensington offenbar japanische Tusche verwendet hatte.

      Das ist das Etui in dem sich das Perlenhalsband von Mrs. Dorsey befunden haben muss!, schoss es ihm durch den Kopf. Aber es ist leer! … Und vor allem, wie kommt es hierher? Ich kenne die Tote zwar nicht, aber sie ist bestimmt nicht Amanda Dorsey. Ich glaube eher, dass es sich bei dem toten Mädchen um Mrs. Dorseys Zofe handelt. Wie um seine Vermutung zu untermauern, ließ er seinen Blick noch einmal durch das Zimmer gleiten. Das Zimmer ist einfach nicht von der Eleganz, die ich bei den Dorseys erwarten würde … Die gehören immerhin zur High Society!

      Plötzlich hatte er eine Idee. Schnell begab er sich noch einmal zur Toten hinüber, nahm das Tuch fort, mit dem er sie zuvor bedeckt hatte, so dass er ihren Hals besser sehen konnte. Enttäuscht schüttelte er den Kopf und deckte sie wieder zu Bradley schoss ein Gedanke durch den Kopf Er lief noch einmal zu der Toten hinüber, nahm das Tuch weg, mit dem er sie bedeckt hatte, so dass er ihren Hals sehen konnte.

      Sie trägt keine Halskette! Nachdenklich blieb er eine Weile stehen, dann schritt er wieder zum Telefon, um den vergessenen Anruf nachzuholen. Er wollte gerade zum Hörer greifen, als plötzlich das Licht ausging. Instinktiv reagierte er, duckte sich, schlich auf Zehenspitzen zur Seite und lauschte angestrengt ins Dunkel.

      Sekundenlang dauerte die lauernde, drohende Stille an. Aber Bradley hätte darauf schwören können, dass außer ihm und der Toten noch jemand im Raum war. Seine Vermutung bestätigte sich, als plötzlich ein verhaltenes, unterdrücktes Atmen zu hören war, dem ein behutsames Schleichen folgte und ein leises Schaben auf dem Teppich. Wer auch immer anwesend war, streifte ein Stuhlbein. Leise knarrte ein Schuh. Dann klirrte hauchfein ein Glas, polterte plötzlich, krachte und splitterte! Im gleichen Augenblick drang ein unterdrückter Fluch an Bradleys Ohr.

      Das war der Leuchter auf dem Büfett!, schoss es ihm, beim klirrenden Zerbersten des Glases, durch den Kopf. Sofort schnellte er über den dicken Teppich lautlos auf die Zimmertür zu. Sie war der einzige Ausgang aus dem Raum und genau den galt es schnellstens zu versperren. Vielleicht bringt eine kleine Konversation mit dem Besucher ein wenig Klarheit in die ganze Sache, dachte er.

      Im Vorbeigleiten packte Bradley mit festem Griff einen der Stühle, wirbelte ihn durch die Luft hinüber und warf ihn, etwa einen Yard vor der Tür auf den Boden. Blitzschnell trat er dann einen halben Schritt zurück in die Richtung der Tür, zog seine Luger aus dem Schulterhalfter und brachte sie in Anschlag. Sekunden verstrichen …

      … Er spürte die Nähe des anderen fast körperlich, meinte ihn förmlich berühren zu können und spannte jeden Muskel. Das kurze, ruckweise Atmen des Anderen, verriet ihm, dass langsame Näherkommen.

      Überraschend unterbrach ein lautes Krachen und Poltern die Stille, gefolgt von einem aufgebrachten Fluch. Knapp vor Bradleys Füßen versuchte der Fremde, sich aus den Trümmern des zerbrochenen Stuhles zu befreien und wieder auf die Beine zu kommen, was ihm beachtlich schnell gelang. Plötzlich spürte er den keuchenden Atem des Mannes im Gesicht, und schoss vorbereitet eine linke Gerade gegen ihn ab.

      Es folgte ein Sturz. Direkt darauf kam ein schmerzhafter Fluch des Fremden als Antwort vom Teppich her.

      Bradley hatte schon die Taschenlampe in der Linken, als ihm plötzlich mit einem wuchtigen Schlag das Standbein weggerissen wurde. Er ließ sich auf Kampfsportart nach hinten abrollen. Sein Gegner konnte nicht ahnen, dass er sich mit einem Sparringspartner einließ, der während des Ersten Weltkrieges in einer Spezialeinheit des schottischen Hochlandregiments unter Major Frederick Russel Burnham gedient hatte. Die ›Lovat Scouts‹ waren in der Kampf-, Feld- und Schießkunst gut geübt. Nach dem Krieg war er in die erste Scharfschützeneinheit der britischen Armee gewechselt, wo man ihm den Spitznamen ›Cobra‹ verpasst hatte. Ein Name, den die Londoner Unterwelt das Fürchten lehrte. Den Dienst hatte er vor zwei Jahren im Rang eines Lieutenants quittiert.

      Blitzschnell hatte er bei seiner Rolle beide Beine angezogen, denn sein Kontrahent warf sich mit kolossaler Wucht auf ihn, sodass ihm für einen Moment die Luft wegblieb. Es war klar, dass der Fremde ein enormes Körpergewicht haben musste. Dann spürte er auch schon zwei mächtige Pranken an seinem Hals, die erbarmungslos zudrückten. Krampfhaft begann er um Luft zu ringen.

      Gleichzeitig packte er die kleinen Wurstfinger an beiden Händen des Würgers und riss sie Qualen verursachend seitwärts. Mit Erfolg, denn augenblicklich ließ der Gegner seinen Hals mit einem Schmerzensschrei los. Bradley streckte ruckartig die angezogenen Beine und rammte sie dem Unbekannten gegen den Leib. Mit Genugtuung hörte er, wie der Tisch krachte, als berste er auseinander, und vernahm zugleich ein Knurren, das von einem Raubtier hätte herrühren können. Mit dem Schwung seines Rammstoßes war Bradley wieder auf die Beine gekommen und vollzog einen sofortigen Stellungswechsel zur Tür hin.

      Schnaufend wie eine Dampflok raste sein Gegner kurz danach auf die Tür los, und Bradley hatte das Gefühl, einem spanischen Stierkämpfer gleich, einem verwundeten Bullen in der Arena gegenüberzustehen, der ihn blindwütig angriff. Er reagierte blitzschnell, sprang zur Seite und knipste gleichzeitig das Licht an. Er sah gerade noch einen riesigen Mann, der, den Kopf weit vorgebeugt, dicht an ihm vorüber gegen die schmale Tür raste, die zum Flur hinaufflog. Tapsend eilte der Riese durch den schummerigen Flur davon und war auf Nimmerwiedersehen verschwunden.

      Während Bradley ihm hinterher sah, überlegte er kurz, ob er ihm folgen sollte. Aber er erkannte, dass es wohl eher nicht von Erfolg gekrönt war und steckte mit einem tiefen Seufzer seine Selbstladepistole in das Schulterhalfter zurück und die Taschenlampe wieder in die Jackettasche. Er warf einen Blick hinüber, wo die Seitentür, durch die Fremde gekommen war, noch immer offenstand, und ärgerte sich maßlos darüber, dass er ihr nicht schon früher Beachtung geschenkt hatte.

      Er wandte sich dem kleinen Raum zu, der anscheinend das Schlafzimmer der Toten darstellte, sofern sie überhaupt in das Haus gehörte und sah sich um. Aber trotz intensiver Durchsicht konnte er nichts Auffälliges feststellen. Wer ist dieser Riese nur, und was hat er hier gewollt?, fragte er sich. Er grübelte noch darüber nach, als er vom Flur her eilige Schritte vernahm, die immer lauter wurden. Erneut galt es für ihn, auf schnellstem Weg zu verschwinden. Mit wenigen langen Sätzen begab er sich hinter einen der Vorhänge, nahe beim Fenster, der bis zum Boden reichte; und wieder holte er seine Luger heraus, mit deren Lauf er einen winzigen Spalt von der Stoffbahn offenhielt, sodass er den ganzen Raum gut überblicken konnte.

      Die Schritte verhielten ruckartig vor der Tür, ehe sie aufgerissen wurde und eine Frau eintrat. Einen Augenblick blieb sie unschlüssig stehen und sah sich prüfend im Raum um. Auf diese Weise bot sie ihm ausreichend Gelegenheit, sie genauer zu betrachten. Das könnte Amanda Dorsey sein, dachte er bei sich, auch wenn er nur ihre Stimme vom Telefon her kannte, aber die gepflegte Erscheinung dieser Frau zählte unzweifelhaft zur ersten Gesellschaft Londons.

      Sie war schlank, gerade, hochgewachsen

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