Maria Stuart. Stefan Zweig

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Maria Stuart - Stefan Zweig

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– und darum wird er so bedeutsam – auch zwischen England und Spanien, zwischen Reformation und Gegenreformation.

      Erschwert wird diese an sich schon schicksalsträchtige Situation durch den Umstand, daß der religiöse Zwiespalt hier bis in ihre Familie, in ihr Schloß, in ihr Beratungszimmer hineinreicht. Der einflußreichste Mann Schottlands, ihr eigener Stiefbruder James Stuart, Earl of Moray, dem sie die Führung der Staatsgeschäfte anvertrauen muß, ist entschlossener Protestant und Schirmherr jener »kirk«, die sie, die gläubige Katholikin, als Ketzerei verdammen muß. Als erster hat er schon vor vier Jahren seine Unterschrift unter den Eid der Schutzherren, der »Lords of Congregation«, gesetzt, die sich verpflichteten, »die Lehre Satans abzuschwören und ihren Aberglauben und ihren Bilderdienst und sich von nun ab als ihr offener Gegner zu erklären«. Diese Satansreligion (»Congregation of Satan«), welche sie abschwören, ist nun keine andere als die katholische, also die Religion Maria Stuarts. Damit klafft zwischen der Königin und dem Regenten von allem Anbeginn ein Zwiespalt in der letzten, der wesentlichsten Lebensauffassung, und ein solcher Zustand verspricht keinen Frieden. Denn im innersten Herzen hat die Königin nur einen Gedanken: die Reformation in Schottland zu unterdrücken, und ihr Regent und Bruder nur einen Willen: sie in Schottland zur einzig herrschenden Religion zu erheben. Ein derart schroffer Gegensatz der Überzeugungen muß unaufhaltsam bei erster Gelegenheit zu offenem Konflikt führen.

      Dieser James Stuart ist bestimmt, eine der entscheidendsten Gestalten im Drama Maria Stuarts zu verkörpern, eine große Rolle hat ihm das Schicksal zugedacht, und er weiß sie als Meister darzustellen. Sohn desselben Vaters, aber aus dessen langjährigem Liebesverhältnis mit Margaret Erskine, der Tochter einer der edelsten Familien Schottlands, scheint er durch das königliche Blut und nicht minder durch seine eherne Energie von der Natur zum würdigsten Erben der Krone berufen. Allein die politische Schwäche seiner Position hatte James V. seinerzeit gezwungen, auf eine legale Ehe mit der sehr geliebten Lady Erskine zu verzichten und zur Festigung seiner Macht und seiner Finanzen sich mit einer französischen Prinzessin, der Mutter Maria Stuarts, zu vermählen. So lastet auf diesem ehrgeizigen Königssohn der Makel der unehelichen Geburt, der ihm für alle Zeit den Weg zum Throne sperrt. Wenn ihm auch auf die Bitte James' V. der Papst öffentlich nebst fünf anderen Liebeskindern seines Vaters das königliche Blut zuerkennt. Moray bleibt dessenungeachtet Bastard und von jedem Anspruch auf die väterliche Krone ausgeschlossen.

      Unzählige Male hat die Geschichte und ihr größter Nachbildner, Shakespeare, die seelische Tragödie des Bastards gestaltet, dieses Sohnes und Doch-nicht-Sohnes, dem ein staatliches, ein geistliches, ein irdisches Gesetz unbarmherzig das Recht nimmt, das Natur ihm in Blut und Antlitz geprägt. Verurteilt durch das Vorurteil – das härteste, das unbeugsamste aller Urteile –, sind diese Unehelichen, diese nicht im Königsbett Gezeugten, hintangesetzt den meist schwächlicheren, weil nicht aus Liebe, sondern aus politischer Berechnung gezeugten Erben, ewig Zurückgestoßene und Ausgestoßene und zu Bettel verdammt, wo sie befehlen und besitzen sollten. Wird aber einem Menschen der Stempel der Minderwertigkeit sichtbarlich aufgedrückt, so muß dieses dauernde Minderwertigkeitsgefühl ihn entweder entscheidend schwächen oder entscheidend stärken; ein solcher Druck kann einen Charakter brechen, oder er kann ihn wundervoll härten. Feige und laue Charaktere werden durch solche Demütigkeit noch kleiner, als sie waren; als Bettler und Schmeichler lassen sie von den anerkannt Legitimen sich beschenken und beamten. In starken Naturen aber steigert Zurücksetzung alle dunklen und gebundenen Kräfte; wo ihnen der gerade Weg zur Macht nicht gutwillig gewährt ist, werden sie lernen, Macht aus sich selbst zu schaffen.

      Moray nun ist eine starke Natur. Die wilde Entschlossenheit seiner königlichen Stuartsahnen, ihr Stolz und ihr Herrscherwille wogen stark und finster in seinem Blut; als Mann, als Erscheinung überragt er durch Klugheit und klare Entschlossenheit um Haupteslänge das kleine raffgierige Geschlecht der andern Lords und Barone. Seine Ziele sind weit gesteckt, seine Pläne politisch überdacht; klug wie seine Schwester, ist der Dreißigjährige ihr durch Besonnenheit und männliche Erfahrung unermeßlich überlegen. Wie auf ein spielendes Kind blickt er auf sie herab und läßt sie spielen, solange ihr Spiel nicht seine Kreise stört. Denn als reifer Mann gehorcht er nicht wie seine Schwester heftigen, nervösen romantischen Impulsen, er hat nichts Heldisches als Herrscher, aber er kennt dafür das Geheimnis des Wartens und Sichgeduldens, das den Erfolg sicherer verbürgt als der rasche leidenschaftliche Elan.

      Erstes Anzeichen einer wirklichen politischen Begabung bleibt es allezeit, wenn ein Mann von vornherein darauf verzichtet, Unerreichbares für sich zu fordern. Dieses Unerreichbare ist für diesen unehelich Geborenen die Königskrone. Nie wird Moray, dies weiß er, sich James VI. nennen dürfen. So stellt der besonnene Politiker von Anfang an den Anspruch zurück, jemals König von Schottland zu werden, um desto gewisser Schottlands Herrscher zu bleiben – Regent, da er Rex niemals werden kann. Er verzichtet auf die Insignien der Macht, auf den sichtbaren Schein, aber nur, um die wirkliche Macht dann noch fester in Händen zu halten. Schon als junger Mensch rafft er die sinnlichste Form der Macht an sich. Reichtum, er läßt sich von seinem Vater viel vererben und viel von anderen schenken, er nützt die Auflösung der Klostergüter, er nützt den Krieg, bei jedem Fischzug füllt sich sein Netz als das erste. Ohne alle Hemmung nimmt er von Elisabeth Subsidien an, und wie seine Schwester Maria Stuart dann als Königin einzieht, muß sie in ihm bereits den reichsten und mächtigsten Mann des Landes erkennen, stark genug, um von niemandem mehr beiseite geschoben zu werden. Mehr aus Not als aus wirklicher Neigung sucht sie seine Freundschaft; sie gibt ihrem Stiefbruder, um die eigene Herrschaft zu sichern, alles in die Hände, was er begehrt, sie füttert seine unersättliche Gier nach Reichtum und Macht. Diese Hände Morays sind nun – zum Glück für Maria Stuart – wirklich zuverlässig, sie wissen zu halten und wissen nachzugeben. Ein geborener Staatsmann, bewährt sich Moray als Mann der Mitte: er ist Protestant, aber kein Bilderstürmer, schottischer Patriot und doch in guter Gunst bei Elisabeth, er ist leidlich Freund mit den Lords und weiß doch, ihnen im gegebenen Augenblick die Faust zu zeigen – im ganzen ein kalter, nervenloser Rechner, den der Schein der Macht nicht blendet und nur die Macht selbst befriedigt.

      Ein solch außerordentlicher Mann ist ein ungeheurer Gewinn für Maria Stuart, solange er an ihrer Seite steht. Und eine ungeheure Gefahr, sobald er ihr entgegentritt. Als Bruder durch gleiches Blut verbunden, hat auch rein egoistisch Moray alles Interesse, seine Schwester an der Macht zu erhalten, denn ein Hamilton oder ein Gordon an ihrer Stelle würde ihm nie soviel unbeschränkte Gewalt und Freiheit des Regierens gewähren; gerne läßt er sie darum repräsentieren, neidlos sieht er zu, wie man bei feierlichen Anlässen ihr Szepter und Krone voranträgt, sofern er nur die wirkliche Macht in seinen Händen weiß. Aber im Augenblick, da sie versuchen wird, selber zu regieren und seine Autorität zu mindern, stößt eisenhart Stuartstolz gegen Stuartstolz. Und keine Feindschaft ist furchtbarer, als wenn Ähnliches wider Ähnliches aus gleichen Trieben und mit gleicher Kraft gegeneinander kämpft.

      Auch Maitland of Lethington, der zweitwichtigste Mann ihres Hofes, Maria Stuarts Staatssekretär, ist Protestant. Aber auch er ist zunächst an ihrer Seite. Maitland, ein feiner Kopf, ein geschmeidiger, kultivierter Geist – »the flower of wits«, wie ihn Elisabeth nannte –, liebt nicht wie Moray herrisch und stolz die Macht. Ihn freut als Diplomat bloß das verworrene und verwirrende Spiel des Politisierens und Intrigierens, die Kunst der Kombination; ihm geht es nicht um starre Prinzipien, um Religion und Vaterland, um Königin und Reich, sondern um die artistische Kunst, überall die Hände im Spiel zu haben und nach eigener Lust Fäden zu knüpfen oder zu lösen. Er ist Maria Stuart, der er persönlich merkwürdig zugetan ist – eine der vier Marys, Mary Fleming, wird seine Gattin –, weder recht treu noch recht untreu. Er wird ihr dienen, solange sie Erfolg hat, und sie verlassen in der Gefahr; an ihm, der farbigen Wetterfahne, kann sie erkennen, ob der Wind günstig weht oder ungünstig. Denn als wahrer Politiker wird er nicht ihr, der Königin, der Freundin, dienen, sondern einzig ihrem Glück.

      Zur Rechten und zur Linken, in der Stadt und im eigenen Hause – schlimmes Vorzeichen! – findet also Maria Stuart bei ihrer Ankunft keinen verläßlichen Freund. Aber immerhin, mit einem Moray, mit einem Maitland läßt sich regieren und paktieren – unversöhnlich dagegen, unerbittlich,

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