Maria Stuart. Stefan Zweig
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Ein solches Verlangen ist nur natürlich. Aber immer bedeutet es für Maria Stuart Gefahr, ihrer Lässigkeit nachzugeben. Verstellung bedrückt sie, Vorsicht ist ihr auf die Dauer unerträglich, jedoch gerade diese Tugend des »Nicht-sich-verschweigen-Könnens«, dieses »Je ne sais point déguiser mes sentiments« (wie sie einmal schreibt), schafft ihr politisch mehr Unannehmlichkeiten als andern der böswilligste Betrug und die grimmigste Härte. Denn die Ungezwungenheit, mit der sich die Königin unter diesen jungen Leuten bewegt, lächelnd ihre Huldigungen hinnehmend und vielleicht sogar unbewußt sie herausfordernd, erzeugt bei diesen Zügellosen eine unangebrachte Kameraderie, und sie wird für leidenschaftliche Naturen sogar zur Verlockung. Etwas muß in dieser Frau, deren Schönheit auf den Bildern nicht ganz ersichtlich wird, sinnlich aufreizend gewesen sein; vielleicht haben an unmerklichen Zeichen einzelne Männer schon damals vorausgefühlt, daß unter der weichen, umgänglichen und scheinbar völlig selbstsicheren Art dieser mädchenhaften Frau eine ungeheure Leidenschaftsfähigkeit verborgen war wie ein Vulkan unter lieblicher Landschaft; vielleicht haben sie, lange ehe Maria Stuart selbst ihr eigenes Geheimnis erkannte, jene Unbeherrschtheit aus männlichem Instinkt geahnt und gewittert, denn irgendeine Macht war in ihr, die Männer zum Sinnlichen stärker drängte als zu einer romantischen Liebe. Möglich, daß sie, gerade weil selbst in ihren Trieben noch nicht erwacht, kleine körperliche Vertraulichkeiten – eine streichelnde Hand, einen Kuß, einen einladenden Blick – leichter gewährte als eine wissende Frau, welche das Kupplerisch-Gefährliche solcher Ungezwungenheiten kennt: jedenfalls, sie läßt die jungen Menschen um sich manchmal vergessen, daß die Frau in ihr als Königin jedem kühnen Gedanken unnahbar bleiben muß. Schon einmal hatte ein junger schottischer Kapitän, namens Hepburn, sich tölpisch-freche Ungehörigkeiten gegen sie erlaubt, und nur die Flucht bewahrte ihn vor der äußersten Strafe. Aber zu mild geht Maria Stuart über diesen ärgerlichen Zwischenfall hinweg, leichtherzig verzeiht sie ihn als läßliche Sünde und gibt damit einem andern Edelmann aus ihrem kleinen Kreise neuen Mut.
Dieses Abenteuer gestaltet sich durchaus romantisch; wie fast jede Episode in diesem schottischen Land formt es sich zur blutdunklen Ballade. Der erste Bewunderer Maria Stuarts am französischen Königshof, Monsieur Danville, hatte seinen jungen Freund und Begleiter, den Dichter Chastelard, zum Vertrauten seiner Schwärmerei gemacht. Nun muß Monsieur Danville, der Maria Stuart gemeinsam mit den anderen Edelherren auf ihrer Reise nach Schottland begleitet hatte, nach Frankreich zurück, zu seiner Frau, zur Pflicht: der Troubadour Chastelard aber bleibt in Schottland, gleichsam als der Statthalter fremder Neigung. Und es ist nicht ungefährlich, immer zärtliche Verse zu dichten, denn aus dem Spiel wird leicht Wirklichkeit. Maria Stuart nimmt unbedacht die poetischen Huldigungen des jungen, in allen ritterlichen Künsten wohlerfahrenen Hugenotten entgegen, sie erwidert sogar seine Verse mit eigenen Gedichten; welche musisch empfindsame, inmitten einer rauhen und rückständigen Umgebung vereinsamte junge Frau würde nicht geschmeichelt sein, sich in so bewundernden Strophen gefeiert zu hören wie:
»Oh Déesse immortelle
Escoute donc ma voix
Toy qui tiens en tutelle
Mon pouvoir sous tes loix
Afin que si ma vie
Se voie en bref ravie
Ta cruauté
La confesse périe
Par ta seule beauté«
und besonders, wenn sie sich ohne Schuld fühlt? Denn einer wirklichen Gegenliebe für seine Leidenschaft kann sich Chastelard nicht rühmen. Melancholisch muß er eingestehen:
»Et néansmoins la flâme
Qui me brûle et entflâme
De passion
N'émeut jamais ton âme
D'aucune affection.«
Wahrscheinlich bloß als poetische Huldigung inmitten soviel anderer höfischer und liebedienerischer Schmeicheleien nimmt Maria Stuart, die selbst als Dichterin um das Übertreibliche alles Lyrischen weiß, derartige Strophen ihres hübschen Seladon lächelnd hin, und völlig ohne andere als spielerische Laune duldet sie Galanterien, die an einem romantischen Frauenhofe nichts Befremdliches bedeuten. In ihrer unbefangenen Art scherzt und spaßt sie mit Chastelard genau so arglos wie mit ihren vier Marys. Sie zeichnet ihn aus mit kleinen unverfänglichen Artigkeiten, sie wählt ihn (der dem Range nach ihr kaum nahen dürfte) als Partner zum Tanz, sie lehnt sich während einer Tanzfigur, dem Falking-Dance, einmal sehr nahe an seine Schulter, sie erlaubt ihm eine freiere Rede, als sie in Schottland, drei Straßen von John Knoxens Kanzel, üblich ist, der »such fashions more lyke to the bordell than to the comeliness of honest women« schilt; sie gewährt Chastelard vielleicht sogar einmal beim Masken- oder Pfänderspiel einen flüchtigen Kuß. Aber an sich nicht bedenklich, zeitigen solche Vertraulichkeiten doch die schlimme Wirkung, daß seinerseits der junge Dichter, ähnlich Torquato Tasso, die Grenzen zwischen Königin und Diener, Respekt und Kameradschaftlichkeit, zwischen Galanterie und Schicklichkeit, Ernst und Scherz nicht mehr deutlich wahrnimmt und heißköpfig seinem Gefühle folgt. So ereignet sich unvermutet ein ärgerlicher Zwischenfall: Eines Abends finden die jungen Mädchen, die Maria Stuart bedienen, Chastelard im Schlafzimmer der Königin hinter den Vorhängen versteckt. Sie vermuten zunächst nichts Unziemliches, sondern betrachten diese jugendliche Tollheit als Schabernack; mit muntern und scheinbar erzürnten Reden wird der Übermütige von den Mädchen aus dem Schlafzimmer hinausgetrieben. Auch Maria Stuart nimmt seine Taktlosigkeit mehr mit verzeihender Milde auf als mit wirklicher Entrüstung; der Vorfall wird sorgfältig vor dem Bruder Maria Stuarts verschwiegen, und von einer ernsten Bestrafung für einen so ungeheuerlichen Verstoß gegen jede Sitte ist bald keine Rede mehr. Aber diese Nachsicht war fehl am Ort. Denn entweder fühlt sich der Tollkopf von der leichten Auffassung im Kreise der jungen Frauen eher ermutigt, seinen Spaß zu wiederholen, oder eine wirkliche Leidenschaft zu Maria Stuart beraubt ihn aller Hemmungen – jedenfalls, er folgt heimlich der Königin auf ihrer Reise nach Fife, ohne daß jemand bei Hofe von seiner Anwesenheit eine Ahnung hätte, und erst als Maria Stuart schon halb entkleidet ist, entdeckt man den Unsinnigen abermals in ihrem Schlafgemach. Im ersten Schreck schreit die beleidigte Frau auf, der schrille Ruf hallt durch das Haus, aus dem Nachbarzimmer stürzt Moray, ihr Stiefbruder, herein, und jetzt ist Verzeihen und Verschweigen nicht mehr möglich. Angeblich verlangte damals Maria Stuart (es ist nicht wahrscheinlich), Moray solle sofort den Verwegenen mit dem Dolch niederstoßen. Aber Moray, der bei jeder Handlung, im Gegensatz zu seiner leidenschaftlicheren Schwester, klug und rechnerisch alle Folgen überdenkt, weiß genau, die Ermordung eines jungen Mannes im Schlafzimmer einer Königin würde mit seinem Blute nicht nur den Estrich, sondern auch ihre Ehre beflecken. Öffentlich muß ein solches Vergehen angeklagt, öffentlich auf dem Marktplatz der Stadt muß es gesühnt werden, um die völlige Unschuld der Herrscherin vor dem Volke und vor der Welt darzutun.
Wenige Tage später führt man Chastelard zum Block. Seine freche Verwegenheit