Die reisegeplagte Reliquie. Denise Remisberger

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Die reisegeplagte Reliquie - Denise Remisberger

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im hinteren Teil der Grotta, Unterschlupf gefunden hatte, setzte sich, ganz in seinen Träumereien gefangen, auf die Bank neben dem Eingang, um jederzeit wieder hinausrennen zu können.

      «Der Tschai ist bald fertig, Ulrich», sprach ihn Senda lächelnd an.

      Ulrich drehte ihr den Kopf zu, mit einem erstaunten Gesichtsausdruck, und nickte feierlich.

      Nach und nach trudelten die üblichen Gäste ein. Manuel, der Musiker, der noch bei seiner Mutter wohnte, Blero, der die Karten legte, und die neu in die Grotta Eingezogenen: Biffi mit seinem Wolfshund Raiuk und Aristo, den hohen Zauberhut auf dem Kopf, ebenfalls in Begleitung seiner Hündin Hexe.

      Der Tschai war fertig, und für zwei Franken die Tasse wurde er von Kandel eingeschenkt und verteilt. Santana tönte aus den grossen Lautsprechern, während sich das Hybridium langsam mit Mensch und Tier füllte.

      Gegen Mitternacht stand plötzlich ein junger Mann neben dem Kachelofen und wusste nicht so recht, wohin er sich setzen sollte. Er hatte als Einziger weit und breit kurze Haare, einen nüchternen Blick und eine seltsam gewöhnliche Ausstrahlung.

      Alle grinsten auf den Stockzähnen – der Ankömmling war ein Fahnder, der hier, in diesem besetzten Haus, nach Haschisch suchte.

      Er konnte es aber nirgends sehen, nur riechen, und das zermürbte ihn ein bisschen. Darum begann er ein Gespräch mit Senda, die gerade an Manuels Gitarre zupfte. «Bringst du mir ein Lied bei, Gitarrera?», strahlte er sie in seiner hellwachen Art an.

      Senda kicherte zurück: «Sicher, auch du sollst etwas Sinnvolles lernen.»

      Sie fing den Unterricht gleich mit einem komplizierten klassischen Stück an, um den Herrn Polizisten etwas aus der Bahn zu werfen, was ihn aber unerwartet zu wahren Begeisterungsschüben animierte.

      Die Polizei setzte sich eben gerne in Szene.

      3

      Armand schaute sich den seltsamen Gegenstand, den er hatte klauen müssen, genauer an. Er drehte die löcherige schwarze Kugel in der Hand und zuckte dann mit den Schultern. Was für schwachsinnige Aufträge er manchmal ausführen musste. Was wollte dieser blutjunge protestantische Pfarrer aus Zürich nur mit diesem hässlichen Ding? Es vielleicht seiner Zukünftigen vor die Füsse legen? Die durften ja heiraten, die falschen Hochwürden. Dieser Jacques mit seinem Blick. Schlimmer als sein Nachbar, der Börsenspekulant. Profitgier bis ins Mark.

      Er selber, Armand, war eigentlich konfessionslos. Er arbeitete schon sein ganzes Leben lang als Dieb. Seine eine Stärke war, dass er sich überall unbemerkt einschleichen konnte, sozusagen geräuschlos war. Und unsichtbar. Ja, er gab es ja zu, diesen Umstand des Unsichtbarseins verdankte er seiner Unscheinbarkeit. Aber dies verursachte ihm keine Komplexe. Darum war seine zweite Stärke, dass er niemandem erzählen musste, dass er ein Dieb war. Er verspürte dieses Bedürfnis einfach nicht.

      Und das würde auch so bleiben, denn als Armand die vielbefahrene Küstenstrasse kurz vor Algeciras entlangbrauste, rammte ihn ein Lastwagen, dessen Fahrer, völlig übermüdet, nur für ein paar Sekunden eingenickt gewesen war und nun, beim Lärm des Zusammenpralls, wachgerüttelt wurde und sogleich in einen Schockzustand verfiel.

      Als die Polizei kam, fand sie einen kreideweissen Chauffeur vor, der am Strassenrand hockte und über die Strasse hinweg aufs Meer starrte, und hinter der Leitplanke, im dornigen Gestrüpp verheddert, einen gewissen Armand Mélange, wie es in seinem Fahrzeugausweis zu lesen war, der als völlig unbeschriebenes Blatt in der Unfallstatistik vermerkt werden würde.

      Ganz zuunterst im Dornenbusch lag die Reliquie der Giuseppa. Und als die Polizei und die Beteiligten, einer tot, der andere krank, ihre ramponierten Fahrzeuge im Schlepptau, das Feld geräumt hatten, lag sie immer noch dort.

      4

      Er verzichtete gänzlich darauf, zu kiffen, und zog nervös an seinen Bidis, eine Art indischer Zigaretten, während er vom grossen Passagierschiff hinunterstolperte und auf dem festen Grund des Hafens von Algeciras aufkam. Er holte sich nur eine kleine Schramme an einem Zeh, die niemand bemerkte, da das wenige Blut, das aus der Verletzung tröpfelte, in der dicken Teerschicht, die seine Fusssohlen überzog, versickerte.

      Felix hasste Schuhe. Darum bewegte er sich barfuss fort. Zudem trug er lange senfgelbe Jeans und ein rot-oranges wallendes Oberteil, mit Spiegelchen verziert. Seine hennagefärbten roten Haare lockten sich im Wind, während er panisch nach den Hunden des spanischen Zolls Ausschau hielt. Zu seinem Glück waren diese aber mit einem Lieferwagen beschäftigt, der allem Anschein nach mehrere Kilo Haschisch aus Marokko in seinen Innereien versteckt gehabt hatte. Blöderweise war ein geringer Teil der Droge auf dem Beifahrersitz gelandet, was sofort den Geruchssinn der Polizeihunde alarmiert hatte.

      Als Felix endlich im Bus nach Málaga sass, zitterte er immer noch. Mit ihm wackelten die drei Kilo bester Qualität aus dem klimatisch einwandfreien Atlasgebirge, eingewickelt in diverse Verpackungen, die wichtigste davon waren Bienenwaben, die den Geruch am Durchdringen hindern sollten. Die ganze Emballage war mit Klebeband um Felix’ Bauch befestigt, das sich jetzt, vor lauter kaltem Schweiss, zu lösen begann. Bei der nächstbesten Gelegenheit würde er aus dem Bus aussteigen und das ganze Zeugs einfach in seinen Rucksack umtopfen. Bis zur Schweizer Grenze gab es keine Zölle mehr und dort, ja, dort verliefen so viele grüne Grenzen, dass ihm ganz froh ums Herz wurde.

      5

      In diesem Café hier in Algeciras würde er noch versauern. Jacques hockte nun schon seit drei vollen Stunden am gleichen runden Tischchen und schlürfte einen Kaffee nach dem anderen.

      Langsam aber sicher machten sich der Kellner und vor allem der Gastwirt Sorgen, ob dieser blonde junge Mann mit dem komischen Talar inklusive Beffchen nicht etwas völlig anderes war, als er zu sein vorgab. Zum Beispiel ein Journalist, der Tests in diversen Lokalen durchführte, um dann in seiner Zeitung Noten für die Freundlichkeit des Personals und die Qualität des Ausgeschenkten zu verteilen. Als Jacques sich endlich erhob, bezahlte und gegangen war, atmeten die beiden sichtlich auf.

      Wo war die Reliquie? Wo war Armand? Der verzichtete doch nicht auf tausend Euro, die zweite Hälfte seiner Bezahlung. Irgendetwas Unvorhergesehenes musste geschehen sein. Er wusste nicht, was. Aber eines wusste er: Er musste unbedingt die göttliche Kugel haben. Jacques knirschte mit den Zähnen und setzte sich entschlossen in seinen Camper. Er glaubte zwar nur an Gott und keineswegs an irgendwelche Götzenbilder, doch in Momenten der Not sprach er mit seinem Camper, so wie gewisse andere mit der Maria.

      «Wo muss ich suchen?», fragte Jacques und fixierte das Steuerrad. Er liess seine Hände ganz locker darauf ruhen und wartete, bis sie sich auf dem Lenker wie von selbst in eine bestimmte Richtung drehten. Also startete er den Motor und nahm die Küstenstrasse in Richtung Frankreich.

      6

      Als Felix kurz nach Algeciras den Bus verlassen hatte, überquerte er die Strasse und suchte Sichtschutz hinter einer Gruppe Dornengestrüppen. Er kauerte sich auf den Boden, entfernte die Haschischplatte von seinem Bauch und schob sie mitsamt dem feuchten Klebeband zuunterst in seinen Rucksack, wobei er zuerst alles andere daraus hervorgeholt hatte, um es jetzt über seine Schmuggelware zu legen. Sein Päckchen Bidis fiel dabei in eines der Dornengestrüppe, und als Felix es herausfischte, fiel sein Blick auf etwas Dunkles, das ihn magisch anzog. Als er vorsichtig

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