Die Earanna Chroniken. Wolfgang Seibert

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Die Earanna Chroniken - Wolfgang Seibert Die Earanna Chroniken

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      Darauf schwiegen alle und mancher vor Verblüffung, denn bisher kannten sie nur zwei, die in dieser Sprache mit einander sprachen: Narael und Ardun.

      Narael hatte ihre Muttersprache sofort erkannt – es mochte ein etwas anderer Dialekt sein und mit ungeübter Zunge gesprochen, aber eindeutig elbisch. Und der Wächter sagte noch mehr:

      „Please honor our home with your presence.“

      Schräg hinter Narael entfloh Farril ein aufgeregtes: „Ja! Ich habs euch gesagt!“

      Aber Narael achtete nicht weiter auf ihn. Stattdessen antwortete sie dem Wächter: „Raise and stand, human knight! And well met Elven friend! For that is what I take you for. We gladly accept your hospitality and know ourselves safe under your roof.“

      Der Orkwächter hatte mittlerweile seinen Helm abgenommen und hatte sich ebenfalls nieder gekniet. Nun stand er etwas zögerlich auf und hielt sich halb hinter dem anderen Wächter.

      Narael bemerkte dies und sagte darum: „Fürchtet euch nicht Herr Ork, ich werde den Frieden wahren. Haltet mir zugute, das heute der erste Tag in meinem Leben ist, an dem ich Orks wie euch begegne!“

      Natürlich hatte auch Sie das spärliche Material über das schon lange vergangene Nordreich gelesen und wusste daher von dem Pakt zwischen Menschen und Orks, mit welchem dieses Reich begründet wurde. Aber das war Buchwissen, vage und nicht immer zuverlässig. Tatsächlich einem Ork gegenüber zu stehen und nicht auf der Stelle anzugreifen, kostete sie mehr Mühe als sie sich anmerken ließ.

      „Auch für uns ist der Anblick eines Elben eine Prüfung, hohe Frau!“ antwortete der Ork mit einer tiefen Verbeugung. „Allein das Licht in euren Augen wird viele von uns vor Angst erstarren lassen!“

      „Ach was, redet nicht so!“ fuhr Farril dazwischen. „Seht euch nur Gontar an – natürlich hat er sich am Anfang auch ordentlich erschreckt, aber nun geht es ihm wieder gut! Oder, Gontar?“

      Bevor Gontar antworten konnte, sprach der menschliche Wächter: „Sicherlich habt ihr Recht, Herr Farril, lasst uns aber weder unsere Manieren, noch unsere Gastgeberpflichten vergessen!“

      „Oh! - Ja! - Natürlich!“ stimmte dieser zu und da er die Namen aller Anwesenden Personen kannte, übernahm er die Vorstellung.

      So erfuhren die Freunde das der Name des Menschen Halmir und der Name des Orks Rotgar war.

      Bevor Farril aber die Begleiter Naraels vorstellen konnte, unterbrach ihn Halmir: „Verzeiht mir, hohe Frau, aber mein Amt als Meister der Ostwarte verlangt es von mir: Ich muss euch fragen woher ihr kommt und wohin ihr wollt und wie ihr den Weg ins Eidestal gefunden habt. Denn leider ist wahr, das nur unruhige Zeiten die Menschen in den Landen draußen weit genug von ihren Wegen abbringen, so das sie die unsrigen entdecken!“

      „Vielleicht könnte ich an dieser Stelle behilflich sein. . .“ bot Targon sich an, aber erst als Narael zustimmend nickte, lösten Halmir und Rotgar den Blick von ihr.

      Targon bemerkte dies sehr wohl und machte sich seinen Reim darauf, wusste aber in seinem Herzen, das sie hier in der Ostwarte kein Geheimnis um sich machen mussten. Darum sprach er:

      „Von Darrelbrück am Fluss Darrel kommen wir. Das ist südlich des Waymeet, die Treppen hinunter, bis zu einem großen Fluss der von Osten nach Westen fließt. Wir waren auf dem Weg zu den Steppen als uns eine ungewöhnlich große Malm den Weg verlegte, bis nur noch die Straße blieb, welche zu eurer Tür führte. Wir waren unterwegs zur Stadt der Serekan, denn die Serekan kamen in unsere Stadt und stahlen das goldene Herz aus Rannas Schrein.“

      „Unsere Hoffnung war es, den Dieben den Weg abzuschneiden, bevor sie ihre Stadt erreichen.“ wollte er noch sagen, doch kaum waren die Worte „stahlen das goldene Herz aus Rannas Schrein“ aus seinem Munde, gab es ein regelrechtes Wehklagen um ihn herum. Nicht nur Halmir und Rotgar entfuhr ein entsetztes Nein, sondern auch einige Bogenschützen oben auf den Grabenmauern konnten nicht an sich halten.

      Halmir hatte sichtlich Mühe die Tränen zurück zu halten, gab sich aber einen Ruck und sagte mühsam beherrscht: „Es ist also wahr, hohe Frau! Ihr bringt traurige Kunde ins Eidestal!“

      „Ja! Und eine große Herausforderung für unsere Art!“ fügte Rotgar hinzu. Mehr noch als Halmir schien er mit seiner Beherrschung Mühe zu haben. Steif und starr stand er neben Halmir und plötzlich war er wieder auf einem Knie und quetschte mit gesenktem Kopf hervor: „Aber wir werden den Eid nicht brechen! Sagt mir vielmehr hohe Frau: Wie kann ich euch helfen den Dieb zu fangen?“

      „Wächter!“ schnaubte Farril und es klang fast wie ein Befehl. „Ein wenig mehr Beherrschung, wenn ich bitten darf! Seht ihr denn nicht, das ihr unsere Gäste überrumpelt? Auch wenn der Besuch einer Elbin ein ganz unerhörtes Ereignis ist, so sollten wir nicht unsere Manieren vergessen! Oder wollt ihr den Begleitern einer hohen Frau nicht die Ehre erweisen?“

      „Vergebt uns, hohe Frau!“ klang es zweistimmig.

      Rotgar stand wieder auf und nach einem kurzen Augenkontakt mit Halmir sprach er weiter: „Hohe Herrin von den Sternen, willst du uns die Namen deiner Begleiter nennen?“

      Farril schnaufte noch einmal und sie alle wussten, das er die Vergabe von Beinamen missbilligte. Nachdem alle Namen genannt waren, sagte er dann auch: „Ihr Wächter wisst selbst: dieser Beiname rührt an Dinge die nicht hier, zwischen Tür und Angel, besprochen werden sollten. Ein angemessener Ort wäre der hohe Saal in Elis Heim und eine angemessene Zeit wäre nach dem Abendmahl!“

      „Aye!“ sagten nach einem Moment mehrere Stimmen zugleich.

      „Und die angemessenen Gesprächspartner wären die Ältesten und der Rat der Weisen!“ fuhr Farril fort.

      Hatte er vor der Begegnung mit der Wache nur eine verschwommene Vorstellung davon gehabt, was es denn gleich nochmal mit der Elbin und der Prophezeiung auf sich hatte, war es ihm mittlerweile nur zu klar geworden: Es ging um die Lehren des südlichen Wächters, im besonderen Jene, welche die Orks mit Ranna in Zusammenhang brachten. Dies gehörte zu einer orkschen Variante der Ranna-Verehrung, in welcher ihre eigene mythologische Gründerfigur zu Rannas Prophet wird. Offenbar hatte diese Variante mehr Anhänger als er bisher glaubte . . .

      Was die Reisenden nicht ahnen konnten, war das hohe Ansehen und die glühende Verehrung die Ranna bei den Orks genoss. Zugleich wussten die Orks sich in der Schuld – ihre Vorfahren waren als Plünderer in die Reiche der kleinen Mütter gekommen. Doch hier im Eidesland wachten sie über die Häuser der Göttin und warteten auf den Tag, da sie ihre Schuld begleichen könnten. Und dieser Tag würde kommen, so war es prophezeit.

      Von einer Elbin, die Kunde von Rannas Not brachte, war die Rede, wenn er sich richtig erinnerte. Darum hatte Rotgar auch von einer Herausforderung gesprochen.

      Farril selbst war nicht sonderlich gläubig und war ein Gelehrter durch und durch. Mythen, Prophezeiungen und mündlicher Überlieferung fehlte es in seinen Augen an Seriosität.

      „Was hat es auf sich mit diesem Beinamen, Farril?“ fragte ihn in diesem Moment die hohe Frau Narael persönlich.

      „Das musste wohl so kommen!“ dachte er bei sich und sackte ein wenig zusammen: „Rotgar, sage die Worte der Prophezeiung, du weißt sie sicher auswendig“.

      „Starfarers daughter at the Eastward appears when Rannas darkest hour nears.“

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