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Rodica gehörte zu den Pflügern. Sie lenkte zwei schwere Pferde, die die Pflugschar hinter sich herzogen und musste darauf achten, dass die Furchen gerade verliefen und gleichmäßig tief waren. Die Arbeit mit dem Pflug war anstrengend und wenn sie morgens zurück nach D’Aryun kam, war sie vollkommen erschöpft.

      Zu ihrer großen Überraschung genoss sie die Aufenthalte außerhalb der Festung. Eine neue Welt eröffnete sich ihr, die nicht furchterregend sondern fesselnd war. Das Rauschen der Bäume in den dunklen Wäldern, durch die sie auf dem Weg zu den Feldern wanderten. Nachttiere, die vor ihnen ins Unterholz flohen. Der Geruch von feuchter Erde. Über alldem die vom Mond beschienen schneebedeckten Gipfel der Berge und der unendliche dunkelblaue Nachthimmel, an dem Sterne wie Diamantensplitter funkelten.

      Sie fragte sich, was nach den Bergen kam und stellte sich den Weg des Baches vor, der dem See entsprang. Wie er in den Fluss mündete, dessen Wasser um bemooste Felsbrocken floss und über die Äonen tiefe Schluchten ins Gestein fraß. Tosende Wasserfälle, die einem kühle Gischt ins Gesicht sprühten. Bäume, in deren tief über dem dahineilenden Wasser hängenden Ästen sich Zweige und Grasbüschel, vom Hochwasser der Schneeschmelze mitgerissen, verfingen. Wie der Fluss sich in die weiten Niederungen der Grasländer ergoss.

      Als sie Maksim davon berichtete, lächelte der. »Warum lächelst du?«, fragte sie.

      »Das ist Freiheit.«

      »Was ist Freiheit?« Sie runzelte die Stirn.

      »Dem Bach folgen zu können, herauszufinden, was sich an seinem Ende befindet.«

      »Das würde ich gerne. Zusammen mit dir.«

      »Und ich mit dir.« Er fuhr leicht mit dem Daumen über ihre Wange. »Zelinkan und ich haben heute übrigens unsere Ideen im Rat vorgestellt.«

      »Und?«

      »Nun ja. Einige der Räte sind auf unserer Seite, andere nicht.« Ein düsterer Ausdruck legte sich auf sein Gesicht. »Aber alle sind sich einig, dass uns alsbald das Menschenblut ausgehen wird.«

      »Was wollen diejenigen, die mit euren Vorschlägen nicht einverstanden sind, dagegen unternehmen?«

      »Die Menschen im Niemandsland unterwerfen.« Er seufzte. »Das würde das Unvermeidliche nur hinauszögern. Als ich das sagte, meinte Hroar Gisher, wir sollten einen Plan entwickeln, um die Grasländer zu queren und die Städte der Menschen zu erobern. Er sei der Überzeugung, dass wir nur dickwandige Zelte bräuchten, in denen wir uns vor der Sonne schützen können. Die Städte selbst, denkt er, sind leicht zu überrennen.«

      Rodica kicherte. »Das macht es den Städtern einfach. Sie überfallen das Vampirlager bei Tag, zerstören die Zelte und lassen die Sonne die Arbeit machen.«

      »Stimmt. Daran hatte Gisher natürlich nicht gedacht. Und das war ihm noch nicht einmal peinlich. Stattdessen, so argumentierte er, könnten wir Kundschafter schicken, um Höhlen in den Grasländern ausfindig zu machen, und diese Höhlen für einen Feldzug nutzen.«

      »Aber ich denke, es gibt in den Grasländern keine Höhlen?«

      »Das haben frühere Erkundungen gezeigt. Allerdings, da muss ich Gisher recht geben, konnten wir wegen unserer Sonnenempfindlichkeit nicht wirklich ausgedehnte Erkundungen vornehmen. Selbst wenn: Die Grasländer trügerisch. Viele denken, dass es nur weite Ebenen und Hügel mit spärlichen Bewuchs sind. Aber es gibt gerade in den westlichen Grasländern ausgedehnte Sümpfe, die schon vielen Reisenden zum Verhängnis geworden sind. Nur Wegelagerer und vielleicht der ein oder andere Fallensteller, Händler oder Viehhirte kennen sich dort aus. Und das sind alles Menschen, die einen Teufel tun werden, uns Vampiren den Weg zu zeigen.«

      »Und was meinte Gisher dazu?«

      »Nicht mehr viel.«

      »Also wird es dauern, bis sich etwas ändert«, sagte Rodica leise.

      »Ja, das wird es. Aber wir haben endlich angefangen, über die Änderungen zu sprechen. Das ist es, was zählt.«

      Sie schwieg. Warin hatte gesagt, dass Maksim es stets schaffte, seine Vorstellungen zu verwirklichen. Doch war er wirklich in der Lage, die Ansichten und Gewohnheiten eines ganzen Volks zu ändern? Sie wollte gern daran glauben, blieb aber skeptisch. Dass Menschen gleichberechtigt neben den Vampiren leben konnten, würde viele Winter dauern. Falls sich Maksims und Zelikans Vorstellungen überhaupt durchsetzten. Vielleicht musste Maksim sogar erst selbst Herrscher werden, war Alaric doch gegen die Änderungen. Was bedeutete das für ihre Liebe?

      »Rodica.«

      Aus ihren Gedanken gerissen, sah sie ihn verwirrt an. »Entschuldige, hast du etwas gesagt?«

      »Ich sagte, vertrau mir. Wir schaffen das.«

      Sie schmiegte sich an ihn. Ja, sie vertraute ihm. Aber sie war sich nicht sicher, ob sie es schaffen würden.

      Kapitel 24

      Die Aussaat des Getreides und des Wurzelgemüses begann. Jeder Arbeiter trug einen flachen Korb mit Saatgut und warf die Körner in die Erdfurchen, während er langsam über das Feld schritt.

      Rodica fühlte sich in dieser Nacht nicht gut. Ihr war übel. Nur das schöne Wetter, nicht zu heiß und nicht zu kalt, mit einem angenehmen Wind, half ihr, die Übelkeit in Schach zu halten und nicht hinter den nächsten Busch zu rennen, um sich dort zu übergeben. Inams Angriff war nun schon lang her und noch immer spürte sie die Auswirkungen!

      Sie seufzte und warf eine Handvoll Körner. Als sie wieder in den Korb greifen wollte, blieb sie stocksteif stehen. Übelkeit.

      »Oh, nein!«

      Hastig rechnete sie nach. Bitte, ihr Götter, lasst es nicht wahr sein!

      Doch selbst, als sie zum dritten Mal nachrechnete, kam sie zu dem Ergebnis, dass ihr Mondfluss ausgeblieben war. Auch ein viertes Nachrechnen änderte das nicht. Und ein fünftes.

      »Alles in Ordnung?« Einer der Krieger, die die Sklaven bewachten, kam zu ihr geritten. Die lange Reihe der Arbeiter hatte sich fortbewegt, während sie noch immer an dieser einen Stelle stand.

      »Was? Ja, ja, natürlich.« Hastig warf sie eine Handvoll Körner. »Alles in Ordnung.«

      Der Krieger sah sie scharf an, zuckte mit den Schultern und kehrte zum Feldrand zurück.

      Eilig holte sie zu den anderen Arbeitern auf. In ihrem Kopf wirbelte es. Konnte das sein? Sie hatte bei Maksim gelegen, aber wie wahrscheinlich war es, dass sie sein Kind in sich trug? Nicht besonders, antwortete sie sich. Aus der Verbindung von Vampir und Mensch ging nur selten ein Kind hervor, ein Ewiger. Sehr selten, versuchte sie, sich einzureden. Wahrscheinlich war es der Schock über Inams Angriff, der ihren Mondfluss verzögert hatte. Das musste es sein! Nur, dass sie ihren Mondfluss schon vor dem Angriff gehabt haben sollte.

      Es gab nur eine Erklärung. Sie erwartete ein Kind von Maksim. Ihrem letzten Mondfluss nach zu urteilen, würde es zum Ende des Sommers geboren werden.

      Ein Kind! Das durfte nicht sein!

      Wie betäubt schritt sie weiter in der langen Reihe der Säleute, warf mechanisch Hände voller Körner in die gefurchte frische Erde. Wie hier die Saat aufging, würde in ihrem Leib ein Kind heranwachsen.

      Wieder

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