Charles Finch: Die Karte des Todes. Thomas Riedel
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»Also wirklich, Dorothy! Ich denke, zumindest für Mutter solltest du …«
»Um Gottes willen, Spencer!«, widersetzte sich Dorothy.
Spencer Cantrell saß neben seiner Frau Lucille auf der Couch und hielt ihre Hand sehr fest in der seinen. Spencer hatte nicht Cedrics Schick, was die Kleidung anbelangte. Er sah immer ein wenig ungepflegt aus. Seine Hornbrille gab ihm einen eulenhaften Ausdruck, der die Symmetrie seines Gesichts verwischte. Seine Augen waren blau wie die von Hazel. Seine Nase war gerade, perfekt geformt und genau richtig. Seine Stimme hatte nichts Besonderes an sich – sie war sanft und beruhigend.
»Dorothy hat recht, Liebling«, sagte Lucille zu ihrem Mann.
Hazel ließ Lucille nicht aus den Augen, während sie mit Spencer sprach.
»Es hat keinen Sinn, sich den Tatsachen zu entziehen«, beharrte Lucille weiter. »Wir lassen uns schon nicht unterkriegen!« Lucille war attraktiv, schlicht und einfach. Sie war nicht hübsch genug, um stundenlang an ihrer Schönheit zu arbeiten, aber auf ihre Art sehr weiblich. Die Männer mochten sie – sogar Cedric Cantrell.
Jeder im Salon wusste, dass Lucille recht hat. Sie mussten sich der Tatsache stellen.
***
4
Inspector Bradley und Dr. Finch folgten dem Hausmädchen, das einen gefüllten Teewagen vor sich herschob, in den Salon. Es war offensichtlich, dass sie geweint hatte.
Bradley bemerkte, dass sie augenscheinlich die einzige Person war, die offen ihre Gefühle zeigte …
Der Inspector entsprach mit seiner Milde, Sanftheit und Geduld nicht dem, was die Cantrells erwartet hatten. Aber seine grauen Augen täuschten. Sie betrachteten ihren Gegenüber bei einer Befragung zunächst nichtssagend und verbreiteten plötzlich Unruhe, weil sie demjenigen das Gefühl gaben ihn zu durchbohren.
Dr. Finch stellte jedes Familienmitglied der Reihe nach vor.
Der oberflächlichen Bekanntmachung folgte eine gewisse Anspannung. Sie alle schienen darauf zu warten, dass Inspector Bradley mit seiner Einvernahme begann. Aber das geschah nicht. Bradley hatte eine schon beunruhigende Fähigkeit zur Stille. Seine Augen bewegten sich langsam von Angesicht zu Angesicht, als hoffe er, irgendwo bereits eine Antwort zu finden.
»Warum fangen wir nicht an!«, forderte Cedric Cantrell. »Ich nehme an, es geht erst einmal um Alibis.«
»Alibis? Wozu, Mr. Cantrell?«, fragte Bradley.
»Wozu? … Es geht doch um den Zeitpunkt des Mordes, oder?«
»Und wann soll der gewesen sein?«
Cedric starrte den Kriminalbeamten an. Seine Zigarette hing schief in einem Mundwinkel. »Vater starb vor etwa vier Stunden. Ich nehme an …«
»Ich wünschte, es wäre so einfach«, erwiderte Bradley und seufzte. »Wissen Sie«, er sah in die Runde, »ich habe von Zeit zu Zeit einen Traum. Es ist ein schöner Traum, glauben Sie mir … Ich stelle mir vor, dass ich zu einer Morduntersuchung gerufen werde und kaum, dass ich Vorort bin, jemand vortritt und sich zu der Tat bekennt. Nur geschieht das leider nie. Dabei wäre es wirklich nett und so hilfreich … denn am Ende finden wir es sowieso heraus.« Hoffnungsvoll sah er sich um, aber keiner rührte sich – nur Hazels Hände flatterten.
»Ich weiß, dass Sie nur Ihre Pflicht tun, Mr. Bradley«, sagte sie. »Aber ich bin mir sicher, Dr. Finch liegt falsch. Ich bin mir sicher, dass da etwas nicht stimmt.«
»Ich fürchte, Sir irren sich, Mrs. Cantrell. Ich wünschte, es wäre so.«
Wieder trat Stille ein, nur unterbrochen von einem, wie es schien, sehr lautem Geräusch.
Dr. Finch besah sich die Zeitschriften auf dem Beistelltisch und holte seine Taschenuhr heraus, um sie aufzuziehen.
Cedric Cantrell nahm die die Zigarette aus dem Mund. »Es gab eine kritische Zeit, der einige von uns Rechnung tragen mussten«, meinte er.
»Diese kritische Zeit«, sagte Finch unerwartet, »war wahrscheinlich irgendwo in der Zeit, da sie drei oder vier Jahre alt waren, Mr. Cantrell.«
»Wovon reden Sie, zum Teufel?«, fragte Cantrell.
Bradley übernahm. »Ich denke, ich kann Ihnen die Situation verdeutlichen«, erklärte er ihm. »Duncan Cantrells letzter Anfall war vor ungefähr zwei Wochen. Dann kam der heute am Nachmittag. Er nahm natürlich wie immer seine Medizin, nur wirkte die nicht, weil jemand das Medikament gegen Wasser ausgetauscht hatte. Sehen Sie, wohin mich das führt? Dieser Austausch kann jederzeit in den letzten zwei Wochen stattgefunden haben. Es ist unmöglich einen exakten Zeitpunkt festzulegen … und damit für Alibis.«
Spencer blickte durch die Gläser seiner Hornbrille auf. Er hielt Lucilles Hand so fest, dass seine Fingerknöchel jeder Farbe verloren hatten. »Ich weiß über kriminalistische Ermittlungen ja nicht viel, aber … sind Fingerabdrücke nicht inzwischen gerichtlich als Beweis anerkannt, … und gibt es sonst keine?«
Bradley schüttelte den Kopf und wartete.
»Dann … Was zur Hölle …!«, setzte Cedric an.
»Die Frage, Mr. Cantrell, lautet: Warum?! Allein nach dieser Antwort gilt es zu suchen.«
»Und deshalb bin ich mir ziemlich sicher, dass das alles ein Fehler ist«, bemerkte Hazel schnell. »Mein Mann war freundlich und großzügig, Inspector. Jeder in diesem Haushalt liebte und respektierte ihn.« Sie schaute fragend, nach Zustimmung suchend, in die Runde. »Ist das nicht so?«
»Natürlich ist das so!«, entfuhr es Dorothy, in einer Schärfe, die an eine Explosion erinnerte.
»Wenn Duncan ermordet wurde, wonach es ja offensichtlich aussieht«, warf Elizabeth Evans leise ein, »dann kann das ja wohl nicht an dem sein, nicht wahr?!«
»Elizabeth!«, missbilligte Hazel sie klagend.
Elizabeth zuckte nur mit den Schultern. »Hör doch auf! Was nützt es denn so zu tun als ob, Hazel?«
Hazel erhob sich. Sie streckte eine ihrer lieblichen Hände nach hinten aus, um sich zu beruhigen. In der Weise, wie sie Inspector Bradley gegenüberstand, herrschte eine besondere Art von Würde. »Sie verlangen von mir zu glauben, dass eines meiner Kinder … oder meine Schwester gemordet hat, Mr. Bradley! Ich weigere mich, derartiges auch nur im Entferntesten in Betracht zu ziehen. Ich will nicht einmal für den Bruchteil einer Sekunde darüber nachdenken, verstehen Sie?! Duncan war krank. Er hätte jederzeit sterben können. Er …«
»Er hätte noch zehn Jahre oder mehr, bei richtiger Fürsorge, haben können, Mrs. Cantrell«, stellte Finch klar, ohne von der Zeitschrift, in die er geblickt hatte, aufzusehen.
»Ich verstehe Sie nicht, Dr. Finch«, erwiderte Hazel und musterte ihn. »Sie waren immer unser Freund und nun …«
»Ich war auch Duncans Freund«, gab Finch gelassen zurück. Er legte das Magazin beiseite und sah sie direkt an. »Ich könnte einen Mord ja sogar verstehen und möglicherweise auch entschuldigen, der in einem Anfall der Wut, eines seelischen Ausnahmezustandes, stattgefunden hat. Aber auf diese Weise ist