Das Heideprinzesschen. Eugenie Marlitt

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Das Heideprinzesschen - Eugenie Marlitt

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Fleet, unter dem Dach zu sitzen, auf das der plätschernde Regen unermüdlich niedertrommelte; dazu der Glutschein vom Herde her und die trauliche Stille in dem weiten, von langen Streifen der Tabakswolken durchzogenen Raum der dämmernden Tenne. Dann und wann klirrte leise die Kette an Miekes Hals, hoch oben auf den Querstangen rührte sich schlaftrunken eines der Hühner, oder Spitz dehnte sich behaglich seufzend vor dem warmen Herde – alles, was ich liebte, geborgen inmitten der festen vier Wände!

      Da war es still in meiner Seele; ich hatte keinen Wunsch, kein Verlangen! Mein junges Herz war nur voll von Zärtlichkeit für die Beiden, zwischen denen ich saß ... Nun drängten sich auf einmal fremde Gesichter von draußen herein, und ich errötete heiß vor mir selber, indem ich daran dachte, was heute unter ihrem plötzlichen Einflusse aus mir geworden war. Da half kein Leugnen – statt zu dem alten Freunde zu halten, den der vornehme junge Herr mit so verächtlichen Blicken gemessen, hatte ich mich feiger Weise seiner geschämt; ich war maßlos heftig geworden, hatte mit dem Fuße gestampft ihm gegenüber, der mir allezeit mit der grenzenlosesten Geduld und Nachsicht begegnete, und ihn einfältig dafür gescholten, daß er seinen einfachen Kopf anstrengte, um genau nach meinem Wunsch und Willen zu antworten ... Und warum that ich das? Weil mir auf einmal der glorreiche Einfall kam, mit meinem berühmten Vater prunken zu wollen, mit dem Vater, für den ich nicht existierte, während ich auf Heinzens Armen groß geworden war.

      Ich mußte abbitten, reumütig abbitten, und zwar auf der Stelle, und der Entschluß wurde mir leicht gemacht, denn in demselben Augenblick ging die Thür nach dem Baumhof auf, und Heinz trat, gefolgt von Spitz, auf den Fleet.

      Ich flog auf ihn zu und legte meine Hände auf seine breite Brust – höher kam ich nicht.

      »Heinz, du bist furchtbar böse auf mich, gelt?«

      »Ei beileibe, davon müßte ich doch auch ‚was wissen, Prinzeßchen!« brummte er neben der Pfeife heraus. Er stand verlegen und unbeholfen wie eine Mauer vor mir und rührte kein Glied.

      »Du weißt es auch, Heinz,« sagte ich. »Geh', zanke mich tüchtig aus ... Ich bin bodenlos ungezogen gewesen! ... Gelt, das hättest du nie von mir gedacht? – mit dem Fuße zu stampfen –«

      »Ach, das war ja nur ein Späßchen –«

      »Ein Späßchen? Glaub' doch das nicht! Es war Ernst, nichtswürdiger Ernst! ... Sei du nur nicht so gut mit mir, Heinz – ich verdiene es nicht, und Strafe muß sein ... Kindisch bin ich und heftig und ein erbärmliches, undankbares Ding –«

      »Ei ja – und was nicht noch alles!«

      »Ein Hasenfuß, Heinz! ... Ja, siehst du, das war's eben, was mich so außer Rand und Band brachte. Da stand ich wie hingeschneit am Hügel, und alle die Köpfe wären doch ganz gewiß nach mir herumgefahren, wenn du gesagt hättest –«

      »Hab' nichts gesagt! Hä, hä, hä! Nicht ein Wörtchen!« – Er stippte bedeutsam den Zeigefinger gegen die Stirn. – »Ja, so schlau ist man auch – die hätten lange fragen können!« – Mit einer schwerfälligen Bewegung griff er in die Brusttasche seines Rockes. »Aber das unmenschlich viele Geld, das da nur so auf dem Boden hinkollerte, das haben die Leute nicht wiedergenommen, durchaus nicht! ... Ich hab's auflesen müssen – und da ist's, Prinzeßchen!«

      Er zählte die blanken Thaler in langer Reihe auf seine Rechte. Seine kleinen Augen glitzerten und funkelten und huschten liebäugelnd darüber hin.

      Fünf Silberstücke – für jede Perle eins! So war es gemeint gewesen. Das »Hier, mein Kind!« des alten Herrn hatte so selbstverständlich geklungen, als seien die Dinger da von mir verlangt worden, und ich hatte die Perlen doch hinschenken wollen. Das verdroß mich jetzt erst über die Maßen.

      »Ich will sie nicht, Heinz!« grollte ich und stieß nach seiner Hand.

      Das Geld rollte abermals hinab ... Was war das für ein entsetzliches Geräusch, als die schweren Metallstücke klingend und klirrend auf das harte Steinpflaster niederschmetterten! ... Ich hatte es noch nie, und der Dierkhof wohl seit vielen Jahren nicht mehr gehört.

      Unwillkürlich fuhr ich herum, und mein Blick zuckte scheu über das Fenster, das nach dem Fleet mündete. Hinter den halbblinden Scheiben hing ein dicker, farbenbunter Plüschteppich, den, so lange ich denken konnte, nie eine Hand von drinnen gehoben hatte – jetzt wurde er zurückgeschleudert, und die Augen meiner Großmutter funkelten heraus.

      Das war ein Anblick, der dem Beherztesten Grauen einflößen konnte. Zitternd bückte ich mich, um das Geld zu sammeln; aber da flog auch schon die neben dem Fenster befindliche Thür auf – wie ein Windstoß brauste es heran – ich wurde an der Schulter gepackt und auf die Tenne hinabgestoßen.

      »Nicht anrühren!« gellte es mir in die Ohren. Welch einen erschütternden Klang hatte doch die Stimme, die seit langen Jahren für mich verstummt war! Ich schlug entsetzt die Augen auf.

      Da stand die gewaltige Frau und schüttelte grimmig die Faust nach Heinz hin. »Du« – zischte es drohend von ihren Lippen.

      »Gut sein, gnädige Frau, gut sein!« stotterte er bittend. »Ich trage ja gleich, jetzt auf der Stelle, das ganze dumme Lumpenzeug 'nüber in den Fluß!« Er zitterte wie Espenlaub – ich sah zum ersten Male, daß diese unverwüstlich frische Gesichtsfarbe bis in die Lippen erbleichen konnte.

      Sie wandte ihm mit einer heftigen Bewegung den Rücken. Die langen, grauen Flechten peitschten ihre Hüften, und ich erwartete unter stockenden Pulsen, daß sie sich wieder auf mich stürzen werde. Da stieß ihr Fuß an eines der Geldstücke; sie fuhr zurück, als habe sie auf eine Schlange getreten. – Nun kam ein Schauspiel, das ich nie, nie vergessen kann. Kichernd schleuderte sie das Geldstück mit der Fußspitze fort, daß es weithin flog und rasselnd auf die Steine niederschlug, dann ein zweites, ein drittes, und so schritt sie auf dem Fleet hin und her – ich mußte an das grausame Spiel der Katze mit der Maus denken ... Und wie grauenhaft wechselte das Mienenspiel auf dem rot überflammten Gesicht! Man sah, sie stieß das Geld voll Ingrimm und Abscheu von sich, und doch, sobald es wirbelnd niederfiel, lauschte sie vorgestreckten Halses mit unverkennbarer Lust, ja mit einer Art von Begierde, dem hellen Silberklang, bis die letzte leiseste Schwingung erloschen war.

      Ich rührte mich nicht von der Stelle und wagte kaum zu atmen; Spitz, der sonst so rauflustige Spitz, schlich mit eingeklemmtem Schwanz vom Herde weg und drückte sich dicht neben Heinz, der regungslos, wie festgemauert auf seinem Platze verharrte, nur seine todesängstlichen Augen huschten einige Mal nach mir hinüber ... Ach! Ilse – wo blieb sie nur? ... Sie war die Einzige, die Macht über meine Großmutter hatte. Hörte sie denn den Lärm gar nicht, der so unheimlich und nervenerschütternd gegen die alten Balken des Dierkhofes schlug?

      Das Klingen und Springen der Silberstücke dauerte fort. Die alte Frau schien nicht mehr zu wissen, daß zwei Menschen wie Bildsäulen in ihrer Nähe standen. Sie rannte immer leidenschaftlicher auf und ab und flüsterte und gestikulierte nach etwas Unsichtbarem hin ... Da auf einmal fuhr es wie ein Ruck durch ihre Glieder; sie kam eben am Eßtisch vorüber und blieb förmlich versteinert stehen, während die Augen minutenlang seitwärts auf die Tischdecke niederstierten – da lag der unglückselige Brief, der nach dem ausdrücklichen Befehl meines Vaters ihr nie zu Gesicht kommen sollte.

      »An Frau Rätin von Sassen!« unterbrach sie endlich das tödliche Schweigen und strich sich tiefaufseufzend mit der Hand über die Stirn. »Frau Rätin von Sassen! Das war ich – ich!«

      Ich kämpfte mit mir selber, ob ich hinzuspringen und ihr den Brief entreißen solle, auf den sie eben die Hand legte. Aber was war ich schwaches zerbrechliches Geschöpf unter den Händen dieser Frau! Sie hätte mich ohne Weiteres zurückgeschleudert

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