Das Heideprinzesschen. Eugenie Marlitt

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Das Heideprinzesschen - Eugenie Marlitt

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– meine Großmutter zog den Brief aus dem Kouvert.

      »Laß mal sehen!« sagte sie, indem sie langsam das Blatt entfaltete.

      Sie las nicht, ihr Blick fiel nur auf die Unterschrift – was mußte es wohl für ein Name sein, der eine solche Wirkung haben konnte? ... Mit einem Wutgeschrei zermalmte die alte Frau sofort den Brief zwischen den Fingern. »Deine Christine!« lachte sie gellend auf, schleuderte den gestaltlosen Papierklumpen weit in die Tenne hinein und lief mit einer wildabwehrenden Bewegung in ihr Zimmer zurück – gleich darauf kreischte drinnen der vorgeschobene Riegel.

      Ilse, die eben mit einem Korb voll Torfstücken aus dem Hofe kam, blieb erstaunt auf der Schwelle stehen.

      »War das nicht die Großmutter?« fragte sie halb erschrocken, halb ungläubig. Die Thür, die da eben krachend zuschlug, wurde ja nie benutzt – Schloß und Riegel mußten längst eingerostet sein.

      Mir schlugen die Zähne wie im Fieber zusammen; aber ich fühlte mich doch gleichsam erlöst und erzählte ihr flüsternd und atemlos den Vorgang. Ich sah wohl, wie sie zusammenschrak und sich verfärbte; aber Ilse hätte nicht Ilse sein müssen – sie sagte kein Wort, stellte ihren Korb neben den Herd und fing an, die Torfstücken auszupacken und symmetrisch aufeinanderzulegen; nur als Heinz herantrat, hob sie den Kopf – sein heiliger Respekt vor den scharfen Augen war sehr begründet, sie hefteten sich vernichtend auf sein schreckerfülltes Gesicht.

      »Bist ja ein Mordkerl, Heinz!« sagte sie. »Hab' jahrelang gesorgt, daß nicht einmal Groschengeld auf den Dierkhof gekommen ist, und jetzt macht solch ein Politikus das nette Kunststückchen und wirft mir eine ganze Handvoll Silberthaler auf die Steine! ... Ei je, die Vierzig auf dem Rücken und keine Ueberlegung!«

      Mir traten die Thränen in die Augen. Trotz meiner wahrheitsgetreuen Schilderung und meiner Selbstanklage bekam Heinz die Schelte, und er ließ alles geduldig über sich ergehen, er widersprach mit keinem Wort. Ich schlug meine Arme um ihn und drückte das Gesicht in den Aermel seines alten Drellrockes.

      »Ja, tröste ihn nur, deinen Heinz! – Das hält eben immer wie die Kletten zusammen!« sagte Ilse; aber schon war alle Schärfe aus Blick und Ton verschwunden.

      Sie nahm die Lampe vom Tisch und schritt die Tenne hinab, um den Papierknäuel zu suchen, aber so viel sie auch umherleuchten mochte, er fand sich nicht.

      Bis dahin hatte ich in dem Zimmer meiner Großmutter nur selten eine Lebensäußerung gehört, vielleicht nur nicht beachtet; ich mied ja auch instinktmäßig die nächste Umgebung desselben; jetzt drang das Murmeln einer leidenschaftlich erregten, rauhen Stimme, von Stöhnen und tiefem Aufseufzen unterbrochen, durch das teppichverhangene Fenster.

      »Sie betet,« flüsterte Heinz mir zu.

      Aber dieses Gebet wurde nicht knieend verrichtet. Sie ging mit so wuchtigen Schritten drinnen auf und ab, daß der Teppich hinter den Glasscheiben leise schwankte und der Boden hier draußen unter unseren Füßen nachschütterte.

      »Gebt Licht herein!« schrie sie plötzlich angstvoll auf.

      »Licht?« wiederholte Ilse. »Ich habe ja die Lampen hineingestellt.« Sie lief nach dem engen Gang, der, an der östlichen tiefen Seite der Wohnräume hinlaufend, nach dem Garten mündete, und in welchem sich die Hauptthür des Zimmers befand.

      Nicht lange darauf kam sie scheinbar beruhigt zurück. Darauf aber rasselte fast in demselben Augenblick der Pumpbrunnen, und man hörte den Wasserstrom zischend in den Trog stürzen.

      »Es ist ihr schwarz vor den Augen geworden,« antwortete Ilse kurz auf meine ängstlichen Fragen. »Das wird wieder einmal eine schöne Nacht werden!« murmelte sie sorgenvoll vor sich hin, während sie das Geschirr vom Eßtisch wegräumte und das Kästchen mit den Papieren in das Wohnzimmer zurücktrug.

      Also hatte sie öfter schlimme Nächte mit meiner Großmutter zu überstehen! Das war eine unheimliche Neuigkeit für mich; mein gesunder, glücklicher Schlaf hatte mich nie ahnen lassen, daß nächtlicher Weile irgend etwas im Hause vorgehe. Nun erinnerte ich mich freilich, daß ich Ilse schon gar oft des Morgens niedergeschlagen und erschöpft gefunden hatte; aber da waren stets ihre Kopfschmerzen, an denen sie häufig litt, schuld gewesen.

      Ich verschränkte die Arme auf dem Tisch und legte den Kopf darauf; mir war so bang und beklommen zu Mute, als müsse mit der Nacht draußen auch Schlimmes über den Dierkhof hereinbrechen. Fast mechanisch horchte ich auf Heinzens Schritte, der noch einmal die Runde um das Haus machte; er vermied wohlweislich den Baumhof, denn wenn auch der Schwengel des Pumpbrunnens augenblicklich ruhte, so hielt sich doch meine Großmutter jedenfalls noch dort auf. Da, wo die Umhegung des Baumhofes als scharfe Ecke in die Heide hineinschnitt, stand sie oft stundenlang und starrte in die unermeßliche Weite hinaus.

      »Geh in dein Bett, Kind, du bist müde!« sagte Ilse und strich mir mit der Hand über den Scheitel.

      Ich war bis dahin, kraft meiner glücklichen Unbefangenheit, das indolenteste, eigennützigste Geschöpf der Welt gewesen – das fühlte ich tief in diesem Augenblick.

      »Nein, ich gehe nicht schlafen,« sagte ich und versuchte einen festen Ton anzuschlagen. »Ilse, ich bin heute siebzehn Jahre alt geworden, und nun groß und stark genug – ich lasse mich nicht mehr ins Bett schicken, während dir die Großmutter so schwer zu schaffen macht!«

      Ich war aufgesprungen und stellte mich neben sie hin.

      »So, das hätte mir gefehlt, daß du mir auch noch im Wege herumstündest!« entgegnete sie trocken; sie sah seitwärts auf mich nieder. »Hm, ja, nun weiß ich doch auch, wie ein großes und starkes Frauenzimmer aussieht! Es reicht mit dem Kopfe gerade über den Eßtisch und piept in die Welt hinein wie ein Küchlein, das eben aus dem Ei gekrochen ist –«

      »Ilse, solch ein armseliges Ding bin ich doch nicht!« unterbrach ich sie empört, aber auch kleinlaut – sie übertrieb ja nie.

      »Uebrigens weiß ich gar nicht, was du willst!« fuhr sie unbeirrt fort. »Lächerlich! die Großmutter steht ruhig draußen im Baumhof und wird in einer Stunde so fest schlafen, wie wir alle. Aber das will ich dir sagen, es regt sie stets auf, wenn sie das Licht zu lange auf dem Fleet brennen sieht.«

      Sie nahm ohne weiteres die Lampe vom Tisch – und aus und vorbei war es mit meiner heroischen Anwandlung; den hätte ich sehen wollen, der auf Ilses letztes Wort, auf ihre energische Kopfwendung hin noch etwas zu erwidern versucht hätte.

      Ich rief Heinz, der eben das Hausthor schloß, gute Nacht zu und folgte ihr pflichtschuldigst nach der Eckstube, in welcher wir beide schliefen.

      5.

      »Hier, du Leichtsinn, sind deine neuen Schuhe!« sagte sie, und zeigt unter den Stuhl, der neben meinem Bett stand. »Wäre Heinz nicht gewesen, da stünden sie noch draußen, und das Gewitter wüsche sie heute Nacht in den Fluß.«

      Ich fühlte, wie meine Wangen heiß wurden beim Anblick der zwei nägelbeschlagenen, häßlichen Unglückskameraden. Zudem fiel das Lampenlicht grell auf den alten, verräucherten Kupferstich, der an der Wand hing und Karl den Großen vorstellte. Das Bild heftete seine großen Augen unverwandt auf mich – ich wandte ihm den Rücken und stieß die Schuhe unvermerkt mit dem Fuß tiefer unter den Stuhl; ich mochte sie nicht mehr sehen, ich wollte nie mehr an die Fremden erinnert sein, mit deren Erscheinen eine ganze Reihe von Unannehmlichkeiten und neuen peinvollen Empfindungen in mein einsames, harmloses Leben hereingebrochen war.

      Ilse

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