Das Heideprinzesschen. Eugenie Marlitt

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Das Heideprinzesschen - Eugenie Marlitt

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bleiben, wenn eine Judenseele geradewegs in die Hölle fährt! ... Ilse, wenn das mein Vater wüßte, daß du bei einer Judenfrau gedient hast!«

      »Heinz, wenn das mein Vater wüßte, daß du bei einem Christen gedient hast, wo du halb verhungert und erfroren bist, und der dir alle Tage mit Ohrfeigen und Stockprügeln gedroht hat!« parodierte sie ihn zornig. »Das ist mir ja eine ganz neue Weisheit, die du da auskramst, und die hast du von da drüben!« Sie zeigte nach der Richtung eines großen Dorfes hinter dem Walde, wo Heinz in früheren Jahren als Knecht gedient hatte.

      »Ja, hast Recht, von dort her hab' ich's!« versetzte er trotzig wie vorher und nickte verstockt mit steifem Nacken. »Die Juden sind verflucht bis in alle Ewigkeit, weil sie den Heiland gekreuzigt haben. Mein Herr hat's gesagt, und das war ein Reicher und ein Hofbesitzer, und der Pfarrer hat's von der Kanzel gepredigt, und der muß es noch besser wissen – dafür war er der Pfarrer!«

      Ilse sah dem Sprecher scharf ins Auge. »Jetzt paß auf!« setzte sie kurz und resolut hinzu und trat ihm mit aufgehobenem Zeigefinger so nahe, daß er ängstlich zurückwich. »Es ist ein für allemal nicht wahr, daß der Heiland von unserm Herrgott bis in alle Ewigkeit gerächt sein will! Wenn er das zuließe, nachher wär's aber auch aus und vorbei mit meinem Glauben, denn er hat uns geboten: ›Segnet, die euch fluchen‹, und thät's selber nicht! ... Wenn ich Christi Leidensgeschichte lese, dann hab' ich freilich allemal einen Heidenzorn auf die Juden, aber, wohlgemerkt, Bruder Heinz, nur auf die Juden, die dazumal gelebt haben ... Wie werd' ich denn so ein Unmensch sein und meinen Zorn an Leuten auslassen, die bis auf den heutigen Tag als unschuldige Kinder auf die Welt kommen und von ihren Eltern in der alten Lehre auferzogen werden! ... He, Musje Heinz, wie gefiele dir denn das, wenn irgendein Mensch mir etwas zuleide thäte, und ich wollte seine Kinder dafür schlagen?«

      »Das ist lauter Studiertes!« sagte Heinz kleinlaut, »das hast du alles von der alten Frau gelernt –«

      »Das hab' ich nicht gelernt wie die Bibelsprüche in der Schule; das hat mir mein Gewissen und,« sie deutete auf ihre Stirn, »der gesunde Menschenverstand gesagt ... Gesprochen hab' ich freilich im Anfang viel mit meiner armen Frau, und es hat ein Wort das andere gegeben, und ich hab' sie manchmal beruhigt, wenn ›die Leute im schwarzen Rock‹ Unheil angerichtet hatten ... Die Juden haben den Heiland einmal gekreuzigt; aber solche, wie der Herr Pfarrer dort drüben,« sie zeigte abermals nach dem Dorfe hinter dem Walde, »die kreuzigen ihn alle Tage – Feuer und Schwert und Verfluchen und böse Worte, die machen das Reich Christi gar nicht fein, und ist es den Leuten nicht zu verdenken, wenn sie nicht hinein wollen! ... Da hast du meine Meinung, und nun sage ich noch zu dir selber: Pfui, schäme dich in dein Herz hinein, du undankbarer Mensch! Hast lange Jahre das Brot auf dem Dierkhof gegessen – und ich meine, es ist dir recht gut bekommen, das Judenbrot- und nun lässest du die alte Frau in ihrer Sterbestunde allein – geh heim und lies das Kapitel vom barmherzigen Samariter!«

      Sie wandte sich um und ging in das Haus hinein.

      Recht hatte sie, vollkommen Recht! Bei jedem Worte wurde es mir so leicht, als hätte ich selber gesprochen und meiner Erbitterung Luft gemacht. Ich war tief empört, und doch dauerte mich der arme Sünder, wie er ganz zerknirscht, mit niedergeschlagenen Augen an der Schwelle stehen blieb und sich nicht in das Haus hineintraute ... Wie war es nur möglich? Dieser Mensch mit der kinderweichen Seele, der kein Tier leiden sehen konnte, er zeigte plötzlich eine dunkle Stelle in seinem Gemüt, eine unbegreifliche Härte und Erbarmungslosigkeit, und glaubte sich dazu auch noch völlig berechtigt, ja förmlich autorisiert gerade – als Christ!

      »Heinz, du hast einen sehr schlechten Streich gemacht!« schalt ich in hartem Ton.

      »Ach, Prinzeßchen, wem soll man's denn nur recht machen?« seufzte er auf, und Thränen funkelten in seinen Augen. »Todsünde gegen den lieben Gott soll's sein, wenn man dem Pfarrer nicht gehorcht, und nun meint Ilse, ich sei ein schlechter Kerl, weil ich ihm folge.«

      »Ilse trifft immer das Richtige – das hättest du doch wahrhaftig wissen sollen,« sagte ich. Die Strenge, die ich mir vorhin erlaubt, gelang mir nicht mehr. So unreif ich auch noch im Denken war, das sah ich doch ein, die Grausamkeit wurzelte auch nicht mit einem Fäserchen in seiner Seele selbst, sie war ihm systematisch eingeimpft worden – abscheulich!

      Meine Augen schweiften unwillkürlich über den Himmel – mir graute nicht mehr vor dem vielen Licht, das nun gekommen war; es floß wie milder Balsam in mein gepreßtes Herz, und ich begriff zum ersten Mal, nachdem ich heute Nacht dem Tod in die düsteren Augen gesehen, die Wunderverkündigung des Auferstehens.

      Ich nahm Heinzens Rechte zwischen meine Hände. »Hier im Hofe kannst du doch nicht stehen bleiben,« sagte ich. »Komme nur mit herein – Ilse wird schon wieder gut werden; und meine liebe, arme Großmutter – die hat dir längst verziehen; sie ist im Himmel!«

      »Weiß es Gott, wie leid mir die alte Frau thut!« murmelte er und ließ sich wie ein Kind auf den Fleet führen.

      Draußen im Baumhof stand Ilse; sie hatte den Eimer unter den Brunnen gestellt und hob eben den Schwengel; beim ersten Aufkreischen desselben ließ sie ihn mit kreideweißem Gesicht wieder sinken.

      »O, Herr Jesus, ich kann das nicht mehr hören!« stöhnte sie auf.

      Sie kam herein, sank auf einen Stuhl nieder und verhüllte die Augen mit ihrer Schürze. Aber das dauerte keine zwei Minuten.

      »Was für ein albern Ding bin ich doch!« sagte sie unwirsch, richtete sich straff empor und strich die Schürze über den Knieen glatt. »Möchte wohl gar die Frau wieder da am Brunnen stehen sehen, wo sie immer ihren Kopf gekühlt hat, und sollte doch Gott danken, daß sie drin still liegt und erlöst ist von dem vielen Jammer.«

      »Ilse, war Christine an dem vielen Jammer schuld?« fragte ich schüchtern.

      Sie sah mich scharf an. »Ach so,« sagte sie nach kurzem Besinnen, »Du hast's ja heute nacht mit angehört – nun, da magst du's wissen, sie hat so viel Jammer über deine Großmutter gebracht, wie es eben nur eine ungeratene Tochter kann.«

      »Ach, meine Vater hat eine Schwester?« rief ich überrascht.

      »Eine Stiefschwester, Kind ... Deine Großmutter war zuerst an einen Juden verheiratet, der ist jung verstorben – die Christine hat dazumal noch in den Windeln gelegen. Nach zwei Jahren hat die Großmutter sich und das Kind taufen lassen und ist Frau Rätin von Sassen geworden – nun weißt du alles –«

      »Nein, Ilse, noch nicht alles – was hat die Christine verbrochen?«

      »Sie ist heimlich entwischt und unter die Komödianten gegangen –«

      »Ist das so schlimm?«

      »Das Durchbrennen freilich – das solltest du doch selber wissen – was aber die Komödianten betrifft, da kenne ich keinen Einzigen und kann nicht sagen, ob sie schlimm oder recht sind. – Bist du nun fertig?«

      »Ilse, sei nicht böse,« sagte ich zögernd, »aber eines möchte ich dir noch sagen – diese Christine ist doch sehr unglücklich, sie hat ihre Stimme verloren.« –

      »So – du hast den Brief gefunden und ihn gelesen, Leonore?« fragte sie in ihrem eisigsten Tone.

      Ich nickte stumm mit dem Kopfe.

      »Und du schämst dich nicht?« schalt sie. »Mir machst du Vorwürfe, weil ich in den schweren Stunden meine Pflicht und Schuldigkeit thue, und in dem gleichen Moment guckst du in fremde Briefe, die dich auf der Gotteswelt nichts angehen! – Das ist so gut wie Diebstahl – weißt du das? ... Uebrigens

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