Das Heideprinzesschen. Eugenie Marlitt

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Das Heideprinzesschen - Eugenie Marlitt

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Seidenhaus vorsichtig auf den Scheitel. »In der Stadt darf man nicht ohne Hut ausgehen – es ist nun einmal so!«

      Ich sah scheu zu ihr auf. Der Begriff »Mode« existierte natürlicherweise nicht für mich. Ich hatte keine Ahnung davon, daß es jenseits der Heide eine Macht gab, welcher sich der Mensch widerstandslos unterwirft, und von der er seine äußere Erscheinung in Formen treten und kneten läßt, wie sie gerade Lust und Laune hat. Deshalb wurde auch mein Respekt vor dem schnabelförmigen Gebäude selbst nicht im Geringsten geschmälert; aber es hatte während der zwanzigjährigen Rast in der Hutschachtel offenbar stark an Glanz und Nüance eingebüßt. Ilse schien das nicht zu finden. Sie zupfte die mißfarbenen Pensees über ihrer krausen, gelben Haarwolke zurecht, warf die offen herabhängenden Bindebänder in den Nacken zurück, schlug ein großes schwarzes Wolltuch um die Schultern, und fort ging es.

      Heinz und ein Bauernknecht aus dem nächsten Dorfe fuhren das Gepäck. Sanft, aber unwiderstehlich schob mich Ilse aus dem Hausthor, auf dessen Schwelle meine Füße wie festgezaubert standen. Ich hörte hinter mir den Hausschlüssel umdrehen, dann scheuchte Ilse die Hühner und Enten zurück, die uns durchaus ins Freie begleiten wollten; sie schrieen und krakelten durcheinander, und dazwischen hinein brüllte die eingeschlossene Mieke von der Tenne her ... Auch das Gatterthor wurde hinter mir zugeschlagen und verrammelt, und nun wanderte ich hinaus aus dem Paradies meiner Kindheit auf demselben Wege, den einst Fräulein Streit gegangen war ...

      Wie ich von Heinz fortgekommen bin, kann ich nicht sagen. Ueber den ganzen sonnigen Abschiedsmorgen breitet sich mir heute noch ein Thränenflor. Ich weiß nur, daß ich das gute, alte, weinende Menschenkind mit beiden Armen umschlungen und der schauderhaft breiten und steifen Hutkrempe zu Trotz mein Gesicht tief in seinen alten Drellrock eingewühlt habe, und daß er, umringt von gaffenden Bauernjungen, sein blaugewürfeltes Taschentuch vor die Augen hielt, während ich im Dorfe die Kalesche bestieg, in der wir fortrumpeln sollten nach der weitentfernten ersten Poststation.

      9.

      »Zu Herrn Doktor von Sassen!« sagte Ilse gebieterisch zu den zwei Männern, die unsere Habseligkeiten auf einen kleinen Wagen luden.

      »Kenne ich nicht!« versetzte der Eine.

      Ilse nannte die Hausnummer.

      »Ah, das große Sämereigeschäft – Firma Claudius? ... Wohl, wohl!« sagte er ehrerbietig, und der Wagen rollte fort.

      Eine erstickende Staubwolke empfing uns auf der Promenade, die sich zwischen der Stadt und dem Bahnhof hinzog, und auf den weiten Rasenplätzen ringsum und den kleinen hübschen Kastanien über unseren Häuptern lag es schwer und grau, als habe es Asche geschneit ... Hier flog doch wenigstens noch ein Luftzug auf; aber in den Straßen, die wir nun durchwandern mußten, herrschte bleierne, mephitisch dumpfe Schwüle. Dann und wann öffnete sich eine der engen Gassen, und wie eine eintönige, sonnenflimmernde Scheibe breitete sich ein weiter Platz draußen hin – mir war, als müßten dort die erhitzten Pflastersteine dampfen oder helle Funken zurücksprühen ... Ach, die rotblühende Ebene daheim mit dem erquickenden Heideduft und den kühlen, rauschenden Eichen um den Dierkhof!

      »Das ist zum Sterben schrecklich, Ilse!« stöhnte ich, während sie meine Hand ergriff und mich hastig auf das Trottoir zog – eine Equipage raste um die Ecke.

      Bis dahin waren uns nur wenige vorübereilende Menschen begegnet; die Mittagsglut machte die Straßen still und einsam. Nun aber scholl Trommeln und Pfeifen fern herüber.

      »Die Wachtparade!« sagte Ilse aufhorchend mit einem wohlgefälligen Lächeln – alte, fünfundzwanzigjährige hannöversche Erinnerungen mochten wohl in ihr auftauchen.

      Der Lärm kam rasch näher, und plötzlich flutete ein Menschenschwall in die Straße herein.

      »Hu – guckt 'mal die an! Die hat hundert Jahre im Kleiderschrank gehangen!« schrie ein Junge und stellte sich vor Ilse hin. Er legte seine zwei Fäuste auf dem Kopf übereinander, um die Hutform anzudeuten, und schnitt eine Grimasse. Alles lachte und schrie durcheinander, und selbst unsere zwei Lastträger schmunzelten.

      »Gassenjungen!« sagte Ilse verächtlich und hob steif den Kopf, während wir zu meiner Beruhigung gerade in eine stille Seitenstraße einbogen. »In Hannover sind die Leute doch manierlicher – da ist mir so was nie passiert!«

      Jeder Nerv zitterte in mir, und die tiefste Niedergeschlagenheit überkam mich – Ilse, meine heilig respektierte Ilse war verhöhnt worden! ... Ich drückte ihre Rechte, die mich bis dahin geschützt und geleitet, leise tröstend und liebkosend an meine Wange und ließ meine müden, heißen Füße mechanisch weiterwandern.

      Der Wachtparadenlärm hinter uns erlosch allmählich, und endlich hielten die Männer in einer abgelegenen, totenstillen, aber mit vornehmen Häusern besetzten Straße ... Wir standen vor einem düsteren Steinbau. Sämtliche Fenster im Erdgeschoß waren vergittert, und zu der hochgelegenen Hausthür führten Stufen mit einem schönen Eisengeländer. Das alte Haus mit seiner breiten, massiven Nordfront mochte wohl imposant sein; ich aber entsetzte mich vor den Fenstergittern, vor den geschwärzten Mauersteinen, auf die kein Sonnenschein fiel, und die reichgeschnitzte und verschnörkelte schwere Bohlentür mit dem ungeheuren, blitzenden Messingdrücker starrte mich an, wie ein dunkles, unheimliches Rätsel.

      »Siehst du, Ilse, daß ich Recht hatte mit der Hinterstube?« rief ich verzweiflungsvoll. »Wir wollen umkehren!«

      »Abwarten!« sagte sie und zog mich auf die Stufen hinauf. Die Lastträger nahmen das Gepäck auf die Schultern und traten hinter uns. Ilse klingelte. Gleich darauf wurde die Thür langsam zurückgeschlagen und ein alter Mann ließ uns eintreten. Eine ungewöhnlich hohe und weite Hausflur nahm uns auf. Wir standen auf einer glänzend polierten Steinmosaik – von Stein waren die breiten, gewundenen Treppen im Hintergrund und die zwei mächtigen Träger inmitten der Flur, die sich droben an der Decke in kühne Bogen spalteten. Diese Steinmassen hauchten eine köstliche Kühle aus, aber über sie hin breitete sich auch tiefer Schatten, ein kirchenartiges Dämmerlicht, das nicht einmal die über den Treppen hereinfallenden Sonnengluten zu durchströmen vermochten.

      »Firma Claudius?« fragte Ilse.

      Der Mann nickte steif, indem er mit sichtbarem Unwillen zurücktrat, um den beladenen Männern Raum zu geben.

      »Hier wohnt Herr Doktor von Sassen?«

      »Nein, hier nicht!« versetzte er rasch und trat nun mit vorgestreckten Armen den Leuten in den Weg. »Herr von Sassen wohnt in der Karolinenlust – da müssen Sie draußen rechts um die Straßenecke biegen –«

      »O Herr Jesus, wir sollen wieder hinaus in die entsetzliche Hitze?« klagte Ilse mit einem Seitenblick auf mich.

      »Thut mir leid,« sagte der Alte ungerührt und achselzuckend; »aber durch dieses Haus geht der Weg einmal nicht – und Ihr solltet doch wahrhaftig wissen, daß für dergleichen Dinge, für solch einen Huckepack, drüben in der Seitenstraße ein Thor ist!« fuhr er die Leute an und zeigte auf die Effekten.

      In dem Augenblicke, wo er scheltend die Stimme erhob, fing auch im Hintergrund der Halle ein Hund an, zornig mitzukläffen. Dort führten Stufen zu einer Thür hinab. Auf diesen Stufen stand eine alte Dame in schwarzseidenem Kleide und buntbebändertem Häubchen und wischte einem zierlichen Pinscher, der jedenfalls eben von draußen hereingekommen war, mit einem Tuche sorgsam die kleinen Pfoten ab.

      »Lassen Sie doch die Leute durchgehen, Erdmann!« rief sie freundlich herüber.

      »Aber, Fräulein Fliedner,

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