Die Brüder Karamasow. Fjodor Dostojewski

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Die Brüder Karamasow - Fjodor Dostojewski

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die oberste erreichen.«

      »Also sollte man die Treppe gar nicht erst betreten?«

      »Wer es schafft, sollte sie gar nicht erst betreten.«

      »Und du – schaffst du es?«

      »Ich glaube, nein.«

      »Schweig, Aljoscha. Schweig, mein Lieber, ich möchte dir die Hand küssen vor Rührung. Diese schlaue Gruschenka ist doch eine Menschenkennerin! Sie hat zu mir gesagt, einmal würde sie auch dich in ihren Bann ziehen. Aber ich bin schon still! Lassen wir die Schandtaten, dieses mit Fliegenschmutz besudelte Blatt Papier. Gehen wir zu meiner Tragödie über, die ebenfalls so ein mit Fliegenschmutz, das heißt mit allen möglichen Gemeinheiten, besudeltes Blatt Papier ist. Die Sache ist nämlich die: Mag das von der Verführung unschuldiger Mädchen auch von dem Alten erlogen sein, im Grunde ist es in meiner Tragödie so und nicht anders gewesen, wenn auch nur einmal, und dann auch bloß halb. Der Alte, der mir Ungeschehenes zum Vorwurf macht, hat davon keine Kenntnis. Ich habe niemand davon erzählt, du bist der erste, dem ich jetzt davon erzähle. Natürlich außer Iwan. Iwan weiß alles, schon längst. Aber Iwan schweigt wie das Grab.«

      »Iwan schweigt wie das Grab?«

      »Ja.«

      Aljoscha hörte mit höchster Aufmerksamkeit zu.

      »Wenn ich auch in diesem Linienbataillon den Rang eines Fähnrichs hatte, stand ich doch gewissermaßen unter Aufsicht, ähnlich wie ein Verbannter. Das Städtchen aber hatte mich außerordentlich gut aufgenommen. Mit dem Geld warf ich nur so um mich; man hielt mich für reich und ich mich selber auch. Ich muß den Leuten noch durch etwas anderes gefallen haben. Sie schüttelten zwar die Köpfe über mich, doch sie hatten mich wirklich gern. Mein Oberstleutnant, ein älterer Mann, mochte mich plötzlich nicht mehr. Er suchte mir etwas am Zeug zu flicken, aber ich verstand meinen Dienst; außerdem stand die ganze Stadt auf meiner Seite, so konnte er mir nicht allzuviel anhaben. Schuld war ich selbst, ich verweigerte ihm absichtlich den gebührenden Respekt. Ich war stolz. Dieser alte Starrkopf, übrigens ein braver Mensch und großzügiger Gastgeber, hatte zwei Frauen gehabt; beide waren gestorben. Die erste, aus einfachem Stand, hatte ihm eine Tochter hinterlassen, die ebenfalls sehr einfach wirkte. Sie war damals etwa vierundzwanzig und lebte bei ihrem Vater, zusammen mit einer Tante, der Schwester ihrer verstorbenen Mütter. Die Tante strahlte eine stille Einfachheit aus. Die Nichte hingegen, die älteste Tochter des Oberstleutnants, eher eine frische, energische Einfachheit. Wenn ich mich in meinen Erinnerungen ergehe, wage ich gern über jemand ein gutes Wort: Niemals, mein Täubchen, habe ich einen prächtigeren Frauencharakter kennengelernt als dieses Mädchen, Agafja hieß sie, Agafja Iwanowna. Sie war auch ziemlich hübsch, richtig nach russischem Geschmack, groß, kräftig, nicht so dünn, mit schönen Augen, das Gesicht allerdings etwas grob. Sie hatte nicht geheiratet, obwohl ihr zwei Anträge gemacht worden waren. Sie hatte sie abgelehnt, ohne jedoch ihre Heiterkeit zu verlieren. Ich war mit ihr näher zusammengekommen – nicht auf diese Art, nein, es war alles sauber, wir verkehrten freundschaftlich miteinander. Ich habe mit Frauen oft nur so verkehrt, ganz freundschaftlich, ohne Sünde. Ich konnte mit ihr erstaunlich offenherzig plaudern, und sie lachte nur immer. Viele Frauen lieben die Offenherzigkeit, merk dir das. Sie war noch dazu ein junges Mädchen, und das machte mir besonderen Spaß. Und noch eins: Ich konnte sie unmöglich als ›Gnädiges Fräulein‹ anreden. Sie wohnte mit ihrer Tante bei dem Vater, und beide Frauen stellten sich in einer Art freiwilliger Selbsterniedrigung niemals mit der übrigen Gesellschaft auf eine Stufe. Alle hatten Agafja Iwanowna gern und brauchten sie, denn sie war als Schneiderin geradezu ein Talent, Geld verlangte sie für ihre Dienste nicht, sie tat es aus Freundlichkeit. Wenn man ihr etwas gab, lehnte sie es nicht ab. Der Oberstleutnant, zugegeben, der Oberstleutnant war eine der ersten Personen in unserer Stadt. Er lebte auf großem Fuß, empfing die ganze Stadt, gab Soupers und Tanzgesellschaften. Als ich in das Bataillon eintrat, redete das ganze Städtchen davon, die zweite Tochter des Oberstleutnants, ein sehr schönes Mädchen, hätte den Kursus in einem aristokratischen Erziehungsinstitut in der Hauptstadt beendet und käme nun bald zurück. Diese zweite Tochter, die schon aus der zweiten Ehe des Oberstleutnants stammt, das ist Katerina Iwanowna. Die zweite, schon verstorbene Frau des Oberstleutnants kam aus einer vornehmen Generalsfamilie, obgleich sie, wie ich glaubwürdig erfuhr, ihrem Mann ebenfalls kein Geld mitbrachte. Sie hatte eben nur ihre Verwandtschaft, weiter nichts, höchstens noch irgendwelche Aussichten auf Erbschaften, aber nichts Bares. Trotzdem geriet unser ganzes Städtchen in Bewegung, als das Fräulein ankam – nur zu Besuch, nicht für immer. Unsere vornehmsten Damen, zwei Exzellenzen, die Frau eines Obersten und nach ihrem Beispiel auch alle anderen interessierten sich sogleich für sie, rissen sich förmlich um sie und suchten ihr Vergnügungen zu verschaffen. Sie war die Königin der Bälle. Picknicks wurden arrangiert und lebende BilderLebende Bilder – eine Mode des 18. Jahrhunderts: ein populäres Bild durch lebende Menschen mit Dekoration darstellen. Vgl Goethes Wahlverwandtschaften. zugunsten irgendwelcher Gouvernanten. Ich schwieg, setzte mein liederliches Leben fort und leistete mir zu eben diesem Zeitpunkt einen Streich, über den die ganze Stadt aus dem Häuschen geriet. Ich sah, wie sie mich einmal mit ihrem Blick maß, das war beim Batteriechef. Ich ließ mich ihr damals nicht vorstellen: ›Ich mache mir nichts aus deiner Bekanntschaft!‹ sollte das heißen. Erst einige Zeit später ließ ich mich vorstellen, ebenfalls auf einer Abendgesellschaft. Ich wollte ein Gespräch mit ihr anknüpfen, sie sah mich kaum an und preßte verächtlich die Lippen zusammen. ›Warte nur‹ dachte ich, ›ich werde mich rächen!‹ Ich war damals in solchen Fällen meist furchtbar flegelhaft und fühlte das selbst. Die Hauptsache war, ich fühlte, Katenka war kein harmloses Institutsdämchen, sondern eine charakterfeste Persönlichkeit, stolz und tatsächlich tugendhaft und vor allem klug und gebildet – und ich war weder das eine noch das andere. Du glaubst, ich wollte ihr einen Heiratsantrag machen? Keineswegs. Ich wollte mich einfach dafür rächen, daß ich so ein toller Kerl war und sie das nicht fühlte. Einstweilen aber fuhr ich in meinem Treiben fort. Schließlich steckte mich der Oberstleutnant drei Tage in Arrest. Ausgerechnet da schickte mir der Vater sechstausend Rubel, nachdem ich formell auf alles verzichtet hatte, das heißt, ich hatte erklärt, wir seien quitt, ich würde nichts mehr fordern. Ich verstand damals von der ganzen Geschichte nichts, Bruder! Bis zu meiner Ankunft in dieser Stadt, ja vielleicht bis heute habe ich von allen meinen Geldstreitigkeiten mit dem Vater nichts begriffen. Aber hol's der Teufel, davon nachher. Nachdem ich diese sechstausend Rubel erhalten hatte, erfuhr ich plötzlich durch den Brief eines Freundes etwas höchst Interessantes, nämlich daß man höheren Ortes mit unserem Oberstleutnant unzufrieden sei, daß man vermute, seine Kasse sei nicht in Ordnung, kurz, daß seine Feinde dabei seien, ihm einen Strick zu drehen. Und der Divisionskommandeur kam auch wirklich angereist und wusch ihm ganz gehörig den Kopf. Bald darauf legte man ihm nahe, sein Abschiedsgesuch einzureichen. Ich will dir nicht erzählen, wie sich das alles im einzelnen zugetragen hat – er hatte eben tatsächlich seine Feinde. In der Stadt trat jedenfalls plötzlich eine außerordentliche Abkühlung gegen ihn und seine ganze Familie ein, alle zogen sich auf einmal von ihnen zurück. Da führte ich meinen ersten Streich aus. Ich sagte zu Agafja Iwanowna, mit der ich immer ein freundschaftliches Verhältnis unterhalten hatte: ›Ihrem Papa fehlen also viertausendfünfhundert Rubel Staatsgelder?‹ – ›Was sagen Sie da? Wie kommen Sie zu einer solchen Behauptung? Vor kurzem war der General hier, da war doch alles Geld vorhanden.‹ – ›Damals ja, aber jetzt nicht!‹ Sie bekam einen furchtbaren Schreck. ›Machen Sie mir nicht Angst! Ich bitte Sie, von wem haben Sie das gehört?‹ – ›Beunruhigen Sie sich nicht‹, erwiderte ich. ›Ich werde es niemandem sagen. Sie wissen ja, daß ich in solchen Dingen stumm wie ein Grab bin. Aber ich wollte Ihnen sozusagen für alle Fälle nur noch eines sagen: Wenn Ihrem Papa die viertausendfünfhundert Rubel abverlangt werden und sich herausstellt, daß er sie nicht hat, dann lassen Sie es, bitte, nicht dazu kommen, daß er vor Gericht gestellt und auf seine alten Tage zum Gemeinen degradiert wird, schicken Sie lieber Ihr Institutsfräulein heimlich zu mir! Ich habe gerade Geld bekommen, ich werde gern viertausend Rubel geben und das Geheimnis wie ein Heiligtum hüten ...‹ – ›Ach, was sind Sie für ein Schuft!‹ So drückte sie sich aus. ›Was sind Sie für ein dreckiger Schuft! Wie können

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