Hans Fallada: Wer einmal aus dem Blechnapf frisst – Band 185e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski. Ханс Фаллада
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Читать онлайн книгу Hans Fallada: Wer einmal aus dem Blechnapf frisst – Band 185e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski - Ханс Фаллада страница 10
Da gehen die beiden jungen Leute, fünf Jahre und elf Jahre Knast haben sie hinter sich, jetzt sind sie in der Sonne, und in zwei Tagen ist alles überstanden, und alles wird wieder gut.
„Du, Willi?“ fragt der kleine Bruhn.
„Ja, Emil?“
„Ich hab' dich schon in der Spülzelle gefragt: Willst du nicht hier bleiben? Hier am Ort, meine ich. Nein, sag noch nichts, ich denke mir, wir nehmen uns zusammen ein Zimmer, das wird billiger. – Und wenn du nicht gleich Arbeit kriegst, kochst du und wäschst und machst die Hausarbeit. Ich werd' gut verdienen. Und abends werfen wir uns fein in Schale und gehen aus.“
„Ich muss doch sehen, dass ich Arbeit kriege, Emil. Ich kann doch nicht ewig deine Hausarbeit machen.“
„Arbeit kriegst du. Nur so für den Anfang, dachte ich. Wenn du kräftiger wärst, würde ich dich in der Holzfabrik unterbringen, aber du musst wohl Schreibkram machen oder so was ... Der Alte mag dich doch gerne, der besorgt dir sicher was.“
„Ach, der Direktor, der kann auch nicht, wie er möchte. Und dann, Emil, hier das kleine Nest, überall laufen die Wachtmeister rum und die blauen Jungens auf Außenarbeit und ewig hast du den Bunker vor Augen und nach drei Tagen wissen die Krimschen, woher du bist. Und dann schwatzt es sich rum und die Wirtin erfährt's und dir wird gekündigt...“
„Wir gehen gleich zu einer, die's nicht stört.“
„Ach, das sind doch auch wieder solche, die wollen uns dann gleich hochnehmen.“
„Braucht nicht zu sein, Willi, glaub mir, braucht nicht zu sein. Es gibt auch andere. – Ich denk' immer, ich krieg' noch mal ein anständiges Mädel, nicht solch Nuttenpack, und heirate und werde Meister und hab' Kinder ...“
„Würdest du's ihr denn sagen?“
„Weiß nicht. Müsste man mal sehen. Aber besser nicht.“
„Aber du musst es ihr sagen, Emil! Sonst hast du ja immer Angst, es kommt raus und sie läuft dir weg.“
Sie stehen in der vollen Sonne, sie sehen sich nicht an, sie sehen vor sich hin in den grauen Sand, Kufalt wühlt mit seinem Pantoffel darin.
Bruhn bittet noch einmal: „Also, Willi, mach, komm mit mir!“
Und Kufalt: „Nein. Nein. Nein. Das mit dir, Emil, wäre doch auch wieder Kittchen. Wir würden immer nur vom Bau reden und vom Knast. Nee, nicht.“
„Nein!“ sagt nun auch Bruhn.
„Man hat ja hier alles mitgemacht, und man hat schön mitgeschoben und beschissen und hat andere in die Pfanne gehauen und ist denen in den Arsch gekrochen, denen vorne, aber nun Schluss!“
„Ja“, sagt Bruhn.
„Und dann, wegen des anderen auch ... Weißt du, als ich auf der Penne war, auf der Schule, verstehst du, da habe ich 'ne Liebe gehabt, ganz von weitem, wir haben höchstens zweimal miteinander gesprochen, und einmal hab' ich gesehen, wie sie ihr Strumpfband wieder festmachte in den Anlagen. Das war damals, als die Mädchen noch lange Röcke trugen, weißt du...“
„Ja“, sagt Bruhn.
„Aber das war nichts gegen das erste Jahr hier, als du mir gegenüber auf der anderen Seite die Zelle hattest und ich sah dich morgens. Du hattest nur Hemd und Hose an und setztest den Kübel raus und den Wasserkrug. Und dein Hemd stand offen über der Brust. Dann fingst du an, mir zuzulächeln, und ich hab' immer auf das Schließen gewartet, ob ich dich zu sehen kriegte ... Und dann schicktest du mir den ersten Kassiber ...“
„Ja“, sagt Bruhn, „das war damals noch durch den langen Kalfaktor, den Tietjen, der wegen Raub saß. Der war stiekum, der machte es selber so.“
„Und dann das erste Mal, als du im Duschraum, wie der Wachtmeister sich umdrehte, zu mir unter meine Dusche krochst und wie du dich immer hinter dem Schirm verstecktest, wenn der linste ... Gott, es waren doch manchmal schöne Zeiten hier im alten Bau ...“
„Ja“, sagt Bruhn, „aber ein Mädchen ist doch besser.“
Kufalt besinnt sich: „Siehst du, darum hab' ich mich daran erinnert: wenn wir beide zusammen wären, es ginge gleich wieder los wie früher ...“
„Nein“, sagt Bruhn. „Nicht, wenn Mädchen da sind.“
„Doch“, sagt Kufalt. „Und es soll alles vorbei sein. So schön es gewesen ist, es soll alles vorbei sein. Jetzt geht es ganz neu los, und ich will genau so sein wie alle anderen.“
„Also du gehst bestimmt nach Hamburg?“
„Nach Hamburg, ja, da fragt keiner nach mir.“
„Na schön, bleib bloß fest in Hamburg, Willi. – Gehen wir noch ein Stück?“
„Ja, gehen wir, die Sonne ist schon richtig heiß.“
Der kleine Bruhn sagt: „Dann werde ich also mit Krüger zusammenziehen. Der kommt am 16. Mai raus.“
Kufalt fragt erschrocken: „Hast du den jetzt, Emil? Der ist aber nicht gut.“
„Nein, ich weiß. Er klaut uns noch immer unseren Tabak. Und er hat drei Strafen, weil er Arbeitskollegen bemaust hat.“
„Na also!“
„Aber was soll ich machen? Einen muss ich haben, ganz allein halt' ich's nicht aus. Und die meisten wollen draußen nichts von mir wissen, von wegen Raubmord, weißt du.“
„Aber nicht gerade mit Krüger!“
„Wer kommt denn schon mit mir! Du hast doch auch nein gesagt.“
„Aber doch nicht darum, Emil!“
„Und ich muss auch jemanden haben, der mir hilft, Willi. Ich bin doch elf Jahre im Bunker, ich weiß doch von nichts, Mensch. Manchmal habe ich direkt Angst, ich denke, ich mach' was falsch, und es geht gleich wieder schief und ich sitz' mein' Lebtag drin.“
„Schon darum ginge ich nicht mit Krüger.“
„Also zieh du zu mir.“
„Nein. Ich kann nicht. Ich will nach Hamburg.“
„Dann nehme ich Krüger.“
Eine Weile gehen sie stumm nebeneinander. Dann sagt Bruhn: „Ich muss dich auch noch was fragen, Willi. Du weißt doch mit solchen Sachen Bescheid...“
„Mit was für Sachen?“
„Mit Geld. Mit Sparkassenbüchern.“
„Ein bisschen. Vielleicht.“
„Wenn jemand – also einer hat ein Sparkassenbuch auf meinen Namen und er hat auch die Marke dazu, kann er da Geld abheben darauf? Nicht wahr, das kann er doch nicht?“
„Meistens wird er's können, wenn das Sparbuch nicht gerade gesperrt ist oder es ist Kündigung ausgemacht. Meistens kann er's. Hast du ein Sparbuch?“