Die Erziehung der Gefühle. Gustave Flaubert

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Erziehung der Gefühle - Gustave Flaubert страница 4

Автор:
Серия:
Издательство:
Die Erziehung der Gefühle - Gustave Flaubert

Скачать книгу

gab von Zeit zu Zeit ein gutes Diner. Doch die Zahl der Kerzen wurde vorher berechnet, und sie erwartete mit Ungeduld ihren Pachtzins. Diese Geldverlegenheiten, die sie wie ein Laster verheimlichte, machten sie ernst. Indessen übte sie Wohltätigkeit ohne jede Bitterkeit. Ihre geringsten Almosen waren wie große Spenden. Man zog sie bei der Wahl der Dienstboten zu Rate, bei der Erziehung der jungen Mädchen der Kunst des Einmachens, und Hochwürden stieg auf seinen bischöflichen Reisen bei ihr ab.

      Madame Moreau hegte großen Ehrgeiz für ihren Sohn. In einer Art voraussehender Klugheit liebte sie es nicht, die Regierung tadeln zu hören. Anfangs würde er Protektion brauchen; dann aber dank seiner Fähigkeiten Staatsrat, Botschafter, Minister werden. Seine Erfolge auf dem Gymnasium rechtfertigten diesen Stolz; er hatte den Ehrenpreis davongetragen.

      Als er in den Salon trat, erhoben sich alle sehr geräuschvoll; sie umarmten ihn, und dann bildete sich mit Sesseln und Stühlen ein großer Kreis um den Kamin. Monsieur Gamblin fragte ihn sofort um seine Meinung über Madame Lafarge. Dieser Prozeß, die Sensation der damaligen Zeit, verfehlte nicht, eine heftige Diskussion herbeizuführen. Madame Moreau unterbrach sie jedoch zum Bedauern von Monsieur Gamblin; er hielt sie für den jungen Mann in seiner Eigenschaft als zukünftigen Juristen sehr nützlich und verließ gekränkt den Salon.

      Von einem Freunde des Vater Roque konnte nichts überraschen! Von diesem übrigens kam die Rede auf Monsieur Dambreuse, der soeben die Domaine de la Fortelle erworben hatte. Aber der Steuereinnehmer hatte Frédéric beiseite gezogen, um zu hören, was er von Monsieur Guizets letztem Werk halte. Alle wünschten Einblick in seine Angelegenheiten; Madame Benoit wandte sich direkt an ihn und erkundigte sich nach seinem Oheim. Wie ging es diesem guten Verwandten? Er ließ nichts mehr von sich hören. Hatte er nicht einen jungen Neffen in Amerika?

      Die Köchin meldete, daß das Essen für den jungen Herrn aufgetragen sei. Rücksichtsvoll entfernten sich alle. Als sie allein waren, fragte die Mutter mit leiser Stimme:

      »Nun?«

      Der alte Mann hatte ihn sehr herzlich empfangen, aber ohne ihm seine Absichten zu offenbaren.

      Madame Moreau seufzte.

      »Wo mag sie jetzt sein?« träumte er.

      Der Postwagen rollte weiter, und in ihren Schal gehüllt, lehnte sie wohl schlummernd ihren schönen Kopf gegen das Wagenpolster.

      Als sie in ihr Zimmer hinaufgingen, brachte ein Bursche aus dem Cygne de la Croix ein Billet.

      »Von wem ist das?«

      »Deslauriers wünscht mich zu sprechen,« sagte er.

      »Ah, dein Kamerad!« sagte Madame Moreau mit verächtlichem Lächeln. »Die Stunde ist gut gewählt, wahrlich!«

      Frédéric zögerte. Aber die Freundschaft war stärker. Er nahm seinen Hut.

      »Bleibe wenigstens nicht lange!« sagte die Mutter.

      2.

      Charles Deslauriers’ Vater, ein alter, 1818 abgedankter Hauptmann der Linie, war nach Nogent zurückgekommen, um sich zu verheiraten, und hatte die Mitgift dazu, benutzt, das Amt eines Gerichtsvollziehers zu erwerben das kaum für seinen Lebensunterhalt genügte. Verbittert durch lange Ungerechtigkeiten, an seinen alten Wunden leidend und in Trauer um den Kaiser, ließ er seinen Zorn, an dem er zu ersticken drohte, an seiner Umgebung aus. Wenige Kinder wurden mehr geprügelt als sein Sohn. Der Junge fügte sich nicht, trotz der Schläge. Seine Mutter wurde, wenn sie versuchte, sich einzumischen, angefahren wie er. Schließlich steckte er ihn in seine Schreibstube und ließ ihn den lieben langen Tag, über das Pult gebeugt, Akten abschreiben, wodurch seine rechte Schulter sichtlich stärker hervortrat als die linke.

      Im Jahre 1833 gab der Hauptmann, der Aufforderung des Präsidenten folgend, sein Amt auf. Seine Frau war am Krebs gestorben. Er siedelte nach Dijon über. Dann ließ er sich als Seelenverkäufer in Troyes nieder, und nachdem er für Charles eine halbe Freistelle erhalten hatte, brachte er ihn auf das Gymnasium zu Sens, wo Frédéric ihn kennen lernte. Aber der eine war zwölf Jahre alt, der andere fünfzehn; über dies trennten sie tausend Verschiedenheiten des Charakters und der Herkunft.

      Frédéric besaß in seiner Kommode allerlei Schätze, zum Beispiel ein Toiletten-Necessaire. Er liebte es, morgens lange zu schlafen, die Schwalben zu beobachten, Theaterstücke zu lesen, und ohne die Annehmlichkeiten des Elternhauses fand er das Schulleben hart.

      Der Sohn des Beamten fand es schön. Er lernte so gut, daß er bereits am Ende des zweiten Jahres in die dritte Klasse kam. Doch seiner Armut oder seiner Streitsucht wegen waren alle feindlich gegen ihn gesinnt. Als ihn aber ein Diener einmal auf offenem Schulhof einen Betteljungen nannte, sprang er ihm an die Kehle und hätte ihn getötet, wenn nicht drei Lehrer dazugekommen wären. Von Bewunderung hingerissen, schloß Frédéric ihn in die Arme. Von diesem Tage an war die Vertrautheit vollkommen. Die Zuneigung eines Großen schmeichelte dem Kleinen offenbar, und der andere nahm die ihm dargebotene Freundschaft wie ein Glück an.

      Sein Vater ließ ihn während der Ferien in der Schule. Eine zufällig offen daliegende Übersetzung des Plato begeisterte ihn. Er vertiefte sich in metaphysische Studien und machte schnelle Fortschritte, denn er widmete sich ihnen mit dem Enthusiasmus der Jugend und einem Verständnis, das ihn stolz machte; Jouffroy, Cousin, Laromiguiére, Malebranche, die Schotten, alles, was die Bibliothek enthielt, kam heran. Er hatte den Schlüssel stehlen müssen, um sich die Bücher zu verschaffen.

      Frédérics Zerstreuungen waren nicht so ernster Art. Er zeichnete die Stammtafel Christi, die an einem Pfosten in der Rue Trois-Rois in Holz geschnitzt war, und darauf das Portal der Kathedrale. Von den Dramen des Mittelalters ging er zu den Memoiren über: Froissart, Comines, Pierre d’Estoile, Brantôme.

      Die Bilder, die sich seinem Geist durch diese Lektüre aufdrängten beschäftigten ihn so stark, daß er das Bedürfnis empfand, sie wiederzugeben. Er strebte danach einst der Walter Scott Frankreichs zu werden. Deslauriers ersann ein umfassendes System der Philosophie, das die ausgedehnteste Anwendung finden sollte.

      Sie plauderten von alledem während der Pausen auf dem Hof, angesichts der gemalten moralischen Inschrift unter der Uhr, flüsterten davon in der Kapelle des heiligen Ludwig mit dem Bart, und träumten davon im Schlafraum. Auf den Spaziergängen richteten sie es so ein, daß sie hinter den andern gingen und redeten ohne Ende.

      Sie sprachen von dem, was sie später tun wollten wenn sie das Gymnasium verlassen haben würden. Für das erste nahmen sie sich vor, mit dem Gelde, das Frédéric bei seiner Großjährigkeit von seinem Vermögen erhalten sollte, eine große Reise zu machen, darauf nach Paris zurückzukehren, zusammen zu arbeiten und sich niemals zu trennen; – und zur Erholung von ihrer Arbeit würden sie Liebschaften mit Prinzessinnen in seidenen Boudoirs haben oder glänzende Orgien mit berühmten Kurtisanen feiern. Dem Ungestüm ihrer Hoffnungen folgten Zweifel. Nach Krisen wortreicher Fröhlichkeit verfielen sie in tiefes Schweigen.

      An Sommerabenden, nachdem sie lange auf steinigen Wegen am Rande von Weingärten oder auf der Landstraße mitten durchs freie Feld gegangen waren, wenn das Korn in der Sonne wogte, während himmlische Düfte die Luft durchzogen, überfiel sie eine Art Beklemmung, und sie streckten sich trunken, wie betäubt, auf dem Rücken aus. Die anderen turnten in Hemdärmeln am Barren oder ließen Drachen steigen. Der beaufsichtigende Lehrer rief sie heran und sie kehrten zurück, an Gärten vorüber, durch die kleine Bäche rieselten, dann die von alten Gemäuern beschatteten Boulevards entlang; in den öden Straßen hallten ihre Schritte wider; das Gitter öffnete sich, sie stiegen die Treppe hinauf und waren niedergedrückt, wie nach großen

Скачать книгу