Die Erziehung der Gefühle. Gustave Flaubert

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Die Erziehung der Gefühle - Gustave Flaubert

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      Der Schreiber fügte hinzu:

      »Der letzte Rat: Mache deine Examina! Ein Titel ist immer gut; und geh mir mit deinen katholischen und satanischen Poeten, die in der Philosophie ebenso vorgeschritten sind, wie man im XII. Jahrhundert war. Deine Verzweiflung ist albern. Männer von Bedeutung haben einen schwierigeren Anfang gehabt, um mit Mirabeau zu beginnen. Überdies, unsere Trennung wird nicht so lange dauern. Ich werde meinem Gauner von Vater an die Kehle müssen. Es ist Zeit, daß ich zurückkehre, adieu! Hast du fünf Francs, mein Mittagessen zu bezahlen?«

      Frédéric gab ihm zehn Francs, den Rest der am Morgen von Isidore entnommenen Summe.

      Zwanzig Schritt hinter den Brücken, am linken Ufer, glänzte in dem Dachstübchen eines niedrigen Hauses Licht.

      Deslauriers bemerkte es. Da rief er emphatisch, indem er seinen Hut zog:

      »Venus, Himmelskönigin, sei gegrüßt! Aber die Rot ist die Mutter der Weisheit! Hat man uns deswegen nicht genug verlästert, daß Gott erbarm!«

      Diese Anspielung auf ein gemeinsames Abenteuer stimmte sie froh! Sie lachten laut auf der Straße.

      Dann, nachdem er seine Rechnung im Gasthaus berichtigt hatte, begleitete Deslauriers Frédéric bis zur nächsten Ecke; – und nach einer langen Umarmung trennten sich die Freunde.

      3.

      Zwei Monate später beschloß Frédéric, der eines Morgens in der Rue Coq-Héron gelandet war, sogleich seinen großen Besuch zu machen.

      Der Zufall war ihm günstig gewesen. Vater Roque hatte ihm eine Rolle Papiere gebracht und ihn gebeten, sie selbst bei Monsieur Dambreuse abzugeben; und er fügte der Sendung ein versiegeltes Schreiben bei, in dem er seinen jungen Landsmann empfahl.

      Madame Moreau schien dieser Schritt zu überraschen. Frédéric verbarg seine Freude darüber.

      Monsieur Dambreuse hieß eigentlich Graf d’Ambreuse; allein, seit 1825, nachdem er mit der Zeit seinen Adel und seine Partei aufgegeben, hatte er sich der Industrie zugewandt; und unterrichtet über alle Ereignisse, beteiligt an allen Unternehmungen, bei allen guten Gelegenheiten auf der Lauer, verschlagen wie ein Grieche und arbeitsam wie ein Auvergnat, hatte er ein Vermögen angesammelt, das beträchtlich sein sollte; außerdem war er Offizier der Ehrenlegion, Mitglied des Generalrats der Aube, Deputierter, nächstens Pair von Frankreich; selbst gern gefällig, ermüdete er den Minister durch seine beständigen Bitten um Beistand, um Orden, um Tabakbüros, und in seiner Abneigung gegen die Regierung zur Linken schloß er sich dem Zentrum an. Seine Frau, die hübsche Madame Dambreuse, die von den Modejournalen genannt wurde, präsidierte bei Wohltätigkeitsvereinen. Indem sie den Herzoginnen schmeichelte, beschwichtigte sie den Groll des vornehmen Faubourg und erweckte den Glauben, daß Monsieur Dambreuse sein Eindringen vielleicht noch bereuen werde und ihm noch einmal Dienste erweisen könnte.

      Der junge Mann war erregt, als er zu ihnen ging.

      »Ich hätte besser getan, meinen Frack anzuziehen. Sie laden mich gewiß für die nächste Woche zum Ball ein? Was werden sie sagen?«

      Die Zuversicht kehrte ihm bei dem Gedanken zurück, daß Monsieur Dambreuse nur ein Bürger war, und verwegen sprang er von seinem Kabriolett auf das Trottoir der Rue d’Anjou.

      Nachdem er durch das eine der beiden Einfahrttore gekommen war, überschritt er den Hof, stieg die Freitreppe hinan und trat in ein Vestibül, das mit farbigem Marmor ausgelegt war.

      Eine gerade Doppeltreppe mit rotem Teppich und Messingstangen lief die hohe, mit reichem Stuck verzierte Mauer entlang. Am Fuß der Stufen stand ein Bananenbaum, dessen breite Blätter auf die Samtrampe fielen. Zwei Bronzekandelaber trugen Porzellanglocken, die an kleinen Kettchen hingen. Den Luftlöchern der Heizung entströmte eine trockene Hitze; und man vernahm nur das Ticktack einer großen Uhr, die am andern Ende des Vestibüls unter einem Warengestell stand.

      Eine Glocke erklang; ein Diener erschien und führte Frédéric in einen kleinen Raum, in dem man zwei Geldschränke mit Fächern voller Mappen gewahrte. Monsieur Dambreuse schrieb in der Mitte an einem Zylinderbüro.

      Er las flüchtig den Brief Vater Roques, schnitt mit seinem Taschenmesser die Leinenhülle auf, die die Papiere umschloß, und prüfte sie.

      Aus der Entfernung konnte er seiner schmächtigen Gestalt wegen noch jung erscheinen. Aber seine spärlichen weißen Haare, seine kraftlosen Glieder und besonders sein außerordentlich fahles Gesicht verrieten einen zerrütteten Körper. Unerbittliche Energie lag in seinen meergrünen Augen, die kälter waren als Glasaugen. Er hatte vorstehende Backenknochen und Hände mit knochigen Gelenken.

      Endlich stand er auf und richtete an den jungen Mann einige Fragen über Personen ihrer Bekanntschaft, über Nogent, über seine Studien; dann verabschiedete er ihn, indem er sich verneinte. Frédéric ging durch einen andern Korridor hinaus und befand sich am unteren Ende des Hofes bei den Stallungen.

      Ein blaues Coupé mit einem Rappen vorgespannt stand an der Freitreppe. Der Schlag öffnete sich, eine Dame stieg ein, und der Wagen rollte mit dumpfem Geräusch auf dem Kies davon.

      Frédéric langte von der anderen Seite zu gleicher Zeit mit ihr unter der Einfahrt an. Da der Raum nicht groß genug war, sah er sich gezwungen zu warten. Die junge Frau neigte sich aus dem kleinen Schiebefenster und sprach leise mit dem Pförtner. Er konnte nichts weiter sehen als ihren Rücken, den ein violetter Mantel verhüllte. Indessen musterte er das Innere des Wagens, in blauem Rips mit seidenen Passementerien und Fransen gehalten. Die Gewänder der Dame füllten ihn ganz aus; dem kleinen, gepolsterten Kasten entströmte Irisparfüm wie eine Duftwoge weiblicher Eleganz. Der Kutscher lockerte die Zügel, das Pferd streifte ungestüm den Prellstein, und alles verschwand.

      Frédéric ging zu Fuß die Boulevards entlang zurück. Er bedauerte, Madame Dambreuse nicht gesehen zu haben.

      Etwas hinter der Rue Montmartre veranlaßte ihn eine Wagenstockung, den Kopf zu wenden, und an der andern Seite, gegenüber, las er auf einer Marmorplatte:

      Jacques Arnoux.

      Warum hatte er nicht früher an sie gedacht? Das war Deslauriers’ Schuld, und er ging auf den Laden zu, trat jedoch nicht ein, in der Erwartung, daß sie sich zeigen könnte.

      Durch die hohen, durchsichtigen Spiegelscheiben hatte man den Blick auf eine geschmackvolle Anordnung von Statuetten, Zeichnungen, Gravüren, Katalogen und Nummern der Kunsthandlung; und auf der Tür, in der Mitte mit den Initialen des Herausgebers dekoriert, waren die Preise des Abonnements wiederholt. An den Wänden lehnten große Gemälde, deren Firnis glänzte, und im Hintergrund sah man zwei Truhen mit Porzellan, Bronzen und lockenden Kuriositäten beladen; eine kleine Treppe, oben durch eine Samtportiere geschlossen, trennte sie; und ein alter Meißner Kronleuchter, ein grüner Teppich auf dem Fußboden, sowie ein Tisch mit eingelegter Arbeit gaben diesem Interieur eher das Aussehen eines Salons als eines Ladens.

      Frédéric gab sich den Anschein, als mustere er die Zeichnungen. Nach endlosem Zögern trat er ein.

      Ein Angestellter hob die Portiere und erwiderte, daß der Chef nicht vor fünf Uhr im Magazin sein werde. Aber wenn der Auftrag sich übermitteln ließe…

      »Nein! ich werde wiederkommen,« entgegnete Frédéric freundlich.

      Die folgenden Tage wurden angewandt, um eine Wohnung zu suchen; und er entschied sich für

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