Die Erziehung der Gefühle. Gustave Flaubert

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Die Erziehung der Gefühle - Gustave Flaubert

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stieß ihn schon beim Eintritt ab. Überdies hielt ihn die Furcht vor pekuniären Verlegenheiten zurück, denn er stellte sich ein Souper mit einem Domino als ein sehr kostspieliges Abenteuer vor.

      Trotzdem glaubte er, daß er geliebt werden würde. Zuweilen erwachte er mit einem Herzen voll Hoffnung, kleidete sich sorgfältig wie zu einem Rendezvous an und machte endlose Streifzüge durch Paris. Bei jeder Frau, die vor ihm ging oder ihm entgegenkam, sagte er sich: »Das ist sie!« Es war jedesmal eine neue Enttäuschung. Der Gedanke an Madame Arnoux verstärkte seine Begierde. Vielleicht begegnete er ihr auf seinem Wege; und er erdachte, um sie anzusprechen, zufällige Schwierigkeiten, außerordentliche Gefahren, aus denen er sie retten würde.

      So gingen die Tage in der Wiederholung derselben Verdrießlichkeiten und angenommenen Gewohnheiten hin. Er durchblätterte die Broschüren unter den Arcaden des Odéon, ging ins Café, die Revue des Deux Mondes zu lesen, trat in einen Saal des Collège de France und hörte eine Stunde lang Chinesisch oder Staatsökonomie. In all diesen Wochen schrieb er ausführlich an Deslauriers, speiste zuweilen mit Martinon und besuchte mitunter Monsieur de Cisy.

      Er mietete ein Piano und komponierte deutsche Walzer.

      Eines Abends bemerkte er im Theater des Palais-Royal Arnoux neben einer Frau in einer Proszeniumloge. War sie es? Die grüne Taffet-Gardine am Rande der Loge verdeckte ihr Gesicht. Endlich ging der Vorhang auf, die Gardine wurde zurückgeschoben. Es war eine große, verblühte Person von etwa dreißig Jahren, deren volle Lippen beim Lachen prachtvolle Zähne enthüllten. Sie sprach vertraulich mit Arnoux und schlug ihm mit dem Fächer auf die Finger. Später saß ein junges, blondes Mädchen zwischen ihnen, dessen Lider etwas gerötet waren, als hätte es eben geweint. Arnoux blieb von da ab halb über ihre Schulter geneigt und redete auf sie ein, was das Mädchen anhörte, ohne zu antworten.

      Frédéric zerbrach sich den Kopf, um den Stand dieser Frauen in bescheidenen dunkeln Kleidern und glatten Umlegekragen zu erraten.

      Am Schluß des Schauspiels stürzte er in die Couloirs, die voll von Menschen waren. Vor ihm schritt Arnoux Stufe um Stufe die Treppe hinab, an jedem Arme eine der Frauen.

      Plötzlich fiel das Licht einer Gasflamme auf ihn. Er trug Krepp an seinem Hut. War sie vielleicht gestorben? Dieser Gedanke peinigte Frédéric so sehr, daß er am nächsten Morgen in die Kunsthandlung eilte, und indem er schnell eine der Gravuren kaufte, die vor der Uhr ausgelegt waren, fragte er den Verkäufer, wie es Monsieur Arnoux ginge.

      Der Mann erwiderte:

      »Aber sehr gut!«

      Frédéric fügte erbleichend hinzu:

      »Und Madame?«

      »Madame ebenfalls.«

      Frédéric vergaß, seine Gravüre mitzunehmen.

      Der Winter ging zu Ende. Im Frühjahr war er weniger schwermütig, begann sich zum Examen vorzubereiten und nachdem er es mittelmäßig bestanden hatte, reiste er nach Nogent.

      Er besuchte seinen Freund in Troyes nicht, um den Bemerkungen seiner Mutter auszuweichen. Dann, nach seiner Rückkehr verließ er seine Wohnung und nahm auf dem Quai Napoleon zwei Zimmer, die er möblierte. Die Hoffnung, von Dambreuse eine Einladung zu erhalten, hatte er aufgegeben; seine große Leidenschaft für Madame Arnoux begann zu erlöschen.

      4.

      Eines Morgens im Monat Dezember glaubte er auf seinem Wege zum Kolleg in der Straße Saint-Jacques mehr Lebhaftigkeit als sonst zu bemerken. Die Studenten kamen aus den Cafés gestürzt oder riefen sich durch die offenen Fenster von einem Hause zum andern zu; die Ladenbesitzer blickten mitten auf dem Trottoir unruhig umher; die Fensterläden wurden geschlossen, und als er in die Rue Soufflot kam, bemerkte er einen großen Auflauf am Panthéon.

      Junge Leute in ungleichen Reihen gingen Arm in Arm und schlossen sich größeren, hier und da stationierten Gruppen an; im Hintergrunde des Platzes, am Gitter, hielten Männer in Blusen hochtrabende Reden, während Polizisten, den Dreispitz auf dem Ohr, die Hände auf dem Rücken, an den Häusern entlang eilten, daß es unter ihren schweren Stiefeln auf den Fliesen schallte.

      Alle hatten eine geheimnisvolle, verdutzte Miene, man erwartete augenscheinlich etwas; jeder unterdrückte eine Frage, die ihm auf den Lippen lag.

      Frédéric stand neben einem jungen blonden Mann von einnehmendem Gesicht, der Schnurr- und Kinnbart wie ein Stutzer aus der Zeit Ludwigs XIII. trug. Er fragte ihn nach der Ursache der Unordnung.

      »Ich weiß es nicht,« erwiderte der andere, »und sie ebenfalls nicht! Das ist jetzt so Mode! Ein guter Spaß!«

      Und er brach in Lachen aus.

      Die Petitionen wegen der Reformen, die man in der Nationalgarde unterzeichnen ließ, vereint mit der Volkszählung Humanns und noch andere Ereignisse, hatten seit sechs Monaten zu unerklärlichen Zusammenrottungen in Paris geführt, die sich so häufig wiederholten, daß die Zeitungen gar nicht mehr davon redeten.

      »Es fehlt an Grazie und an Farbe,« fuhr Frédérics Nachbar fort. »Mir deucht, mein Herr, daß wir entartet sind! In dem guten Zeitalter Ludwigs des Elften, ja, selbst Benjamin Constants gab es mehr Meuterei unter den Scholaren. Ich finde sie friedlich wie die Hammel, dumm wie das Rindvieh und tauglich zu Gewürzkrämern, meiner Treu! Und das nennt man die Jugend der Hochschulen!«

      Er breitete die Arme weit aus, wie Frédéric Lemaitre in »Robert Macaire«.

      »Jugend der Hochschulen, ich segne dich!«

      Dann redete er einen Lumpensammler an, der im Rinnstein vor dem Laden eines Weinhändlers in Austernschalen wühlte:

      »Gehörst du auch dazu, zu der Jugend der Hochschulen?«

      Der Greis hob sein garstiges Gesicht, in dem man inmitten eines grauen Bartes eine rote Nase und zwei stupide, vertrunkene Augen unterschied.

      »Nein, du gleichst mir eher einem jener Galgenstricke, die man hier und da mit vollen Händen Gold ausstreuen sieht… O! streue, mein Patriarch, streue es aus! Verführe mich mit den Schätzen Albions! Are you English? Ich weise die Gaben von Artaxerxes nicht zurück! Laß uns ein wenig von der Zollunion reden.«

      Frédéric fühlte, daß jemand seine Schulter berührte, und drehte sich um. Es war Martinon, auffallend blaß.

      »Sieh!« – rief er mit einem tiefen Seufzer. »Wieder ein Aufruhr!«

      Er fürchtete, kompromittiert zu werden, und beklagte sich. Besonders beunruhigten ihn die Männer in Blusen, als gehörten sie einem Geheimbunde an.

      »Gibt es denn Geheimbünde?« fragte der junge Mann mit dem Schnurrbart. »Das ist ein alter Kniff der Regierung, um die Bürger zu erschrecken!«

      Aus Furcht vor der Polizei forderte Martinon ihn auf, leiser zu sprechen.

      »Sie glauben noch an die Polizei? Wie können Sie übrigens wissen, ob ich nicht selber ein Spitzel bin?«

      Und er betrachtete ihn in solcher Weise, daß Martinon, sehr erschrocken, zuerst gar nicht den Scherz verstand. Die Menge stieß sie vorwärts, und sie waren alle drei gezwungen, sich auf die kleine Treppe im Gang zu flüchten, die zu dem neuen Hörsaal führte.

      Bald teilte sich

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