Die Erziehung der Gefühle. Gustave Flaubert

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Die Erziehung der Gefühle - Gustave Flaubert

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den günstigen Moment wahrnehmend:

      »Könnten Sie mir nichts vorschießen, mein Gönner?…«

      Aber Arnoux hatte wieder seinen Platz eingenommen und schalt einen Greis von schmutzigem Aussehen mit blauer Brille aus.

      »Sie sind gut, Vater Isaac! Drei Werke sind dadurch in Verruf, verloren! Alle Welt macht sich lustig über mich! Man kennt sie jetzt! Was tue ich damit? Ich werde sie nach Kalifornien schicken müssen!… zum Teufel! Schweigen Sie!«

      Die Spezialität dieses Biedermannes bestand darin, die Unterschrift alter Meister unter die Bilder zu setzen. Arnoux weigerte sich, ihn zu bezahlen, und verabschiedete ihn barsch. Darauf begrüßte er mit veränderter Miene einen steifen, ordengeschmückten Herrn mit Backenbart und weißer Kravatte.

      Den Ellbogen auf den Fensterriegel gestützt, unterhielt er sich lange mit honigsüßer Miene mit ihm. Endlich rief er aus:

      »Ach, es fehlt mir nicht an Vermittlern, Herr Graf!«

      Nachdem der Mann eingewilligt hatte, zahlte Arnoux ihm fünfundzwanzig Louisdor aus und sagte, als er fort war:

      »Wie unerträglich sind doch diese großen Herren!«

      »Eine elende Bande, allesamt!« murmelte Regimbart.

      Wie die Zeit vorschritt, verdoppelte sich Arnoux’ Tätigkeit; er sah Artikel durch, entsiegelte Briefe, stellte Rechnungen aus, ging, wenn er die Hammerschläge hörte, in den Laden hinaus, um die Verpackung zu überwachen und nahm dann seine Beschäftigung wieder auf; und während seine Stahlfeder über das Papier glitt, ging er schlagfertig auf jeden Scherz ein. Abends wollte er bei seinem Advokaten speisen und am nächsten Morgen nach Belgien reisen.

      Die anderen unterhielten sich über Tagesfragen: über das Porträt von Cherubini, das Amphitheater der schönen Künste, die nächste Ausstellung. Pellerin schimpfte auf die Akademie. Klatschereien, Diskussionen kreuzten sich. Der niedrige Raum war so voll, daß man sich nicht rühren konnte, und das Licht der rosa Kerzen leuchtete durch den Tabaksrauch wie Sonnenstrahlen durch den Nebel.

      Die Tür neben dem Divan öffnete sich, und eine große, schlanke Dame trat mit ungestümen Bewegungen ein, bei denen alle Berloques ihrer Uhr auf dem schwarzen Taffetkleide aneinander klirrten.

      Es war die Dame, die er im letzten Sommer im Palais-Royal gesehen. Einige redeten sie mit ihrem Namen an und wechselten einen Händedruck mit ihr. Hussonnet hatte endlich fünfzig Franken herausgeschlagen; es schlug sieben Uhr und alle gingen.

      Arnoux forderte Pellerin auf, zu bleiben und führte Mademoiselle Vatnaz in das Kabinett.

      Frédéric hörte nicht, was sie sprachen, sie flüsterten. Doch auf einmal erhob sich die weibliche Stimme:

      »Sechs Monate warte ich schon, seit die Sache in Angriff genommen wurde.«

      Es folgte ein langes Schweigen, Mademoiselle Vatnaz kam wieder zum Vorschein. Arnoux hatte ihr wohl noch etwas versprochen.

      »Später werden wir sehen!«

      »Adieu, Sie Glücklicher!« sagte sie, als sie fortging.

      Arnoux trat hastig in das Kabinett zurück, wichste seinen Schnurrbart, zog die Hosenträger herauf, um die Stege zu straffen, wusch sich die Hände und sagte:

      »Ich brauche also zwei Türgesimse, zu zweihundertfünfzig das Stück, Genre Boucher, abgemacht?«

      »Meinetwegen,« sagte der Künstler, der rot geworden war.

      »Gut! und vergessen Sie meine Frau nicht!«

      Frédéric begleitete Pellerin bis oben an das Faubourg Poissonière und bat ihn um die Erlaubnis, ihn manchmal besuchen zu dürfen, eine Gunst, die ihm freundlichst gewährt wurde.

      Pellerin las alle Werke über Ästhetik, um die wahre Theorie des Schönen zu entdecken, überzeugt, wenn er sie gefunden, Meisterwerke schaffen zu können. Er umgab sich mit allen erdenklichen Hilfsmitteln, mit Zeichnungen, Skulpturen, Modellen, Gravüren, er suchte, quälte sich. Er klagte das Wetter, seine Nerven, sein Atelier an, ging aus, um Inspirationen zu finden, zitterte, wenn er sie nahe glaubte, ließ sein Werk dann im Stich und träumte von einem neuen, das viel schöner werden sollte. Von seiner Ruhmbegierde verfolgt, vergeudete er seine Tage in Diskussionen, glaubte an tausend Albernheiten, an Systeme, Kritiken, an die Bedeutung von Gesetzen, einer Reform der technischen Ausdrucksmittel und hatte mit fünfzig Jahren noch nichts weiter als Entwürfe hervorgebracht. Sein unerschütterlicher Stolz bewahrte ihn vor Enttäuschungen, aber er war immer gereizt, und in einer gekünstelten und zugleich natürlichen Erregung, die einen zum Komödianten macht.

      Beim Eintritt fiel der Blick auf zwei große Gemälde, auf denen die ersten, hier und da aufgesetzten Töne braune, rote und blaue Flecken auf der weißen Leinwand bildeten. Ein Netz von Kreidelinien spannte sich darüber wie die Maschen eines zwanzigmal ausgebesserten Gewebes; es war ganz unmöglich, etwas davon zu verstehen. Pellerin erklärte den Gegenstand dieser beiden Kompositionen, indem er mit dem Daumen die fehlenden Partien andeutete. Das eine sollte den »Wahnsinn des Nebukadnedzar«, das andere den »Brand Roms unter Nero« darstellen. Frédéric bewunderte sie.

      Er bewunderte wüste Frauenakte, Landschaften mit einem Überfluß von sturmgepeitschten Bäumen, und besonders phantastische Federzeichnungen, Erinnerungen an Callot, Rembrandt und Goya, deren Bilder er nicht kannte. Pellerin schätzte diese Jugendarbeiten nicht mehr; jetzt war er für den großen Stil; er dogmatisierte beredt über Phidias und Winckelmann. Die Gegenstände um ihn her verstärkten die Macht seiner Worte: man sah einen Totenschädel auf einem Betpult, einen Yatagan, eine Mönchskutte, die Frédéric anprobierte.

      Kam er früh, so traf er ihn in seinem schlechten Gurtenbett, das ein Teppichfetzen bedeckte; denn Pellerin, der regelmäßig die Theater besuchte, ging spät zu Bett. Eine alte Frau in Lumpen bediente ihn, er speiste in einer Garküche und hatte keine Geliebte. Seine bunt zusammengewürfelten Kenntnisse machten seine Paradoxe amüsant. Sein Haß gegen das Gemeine und gegen das Spießbürgerliche ergoß sich in Sarkasmen von so prächtigem Enthusiasmus, und er hatte eine solche Verehrung für die alten Meister, daß sie ihn fast bis zu ihnen emporhob.

      Warum aber sprach er niemals von Madame Arnoux? Ihren Mann dagegen nannte er bald einen guten Kerl, bald einen Charlatan. Frédéric erwartete vertrauliche Mitteilungen von ihm.

      Als er eines Tages in seinen Mappen blätterte, fand er in dem Porträt einer Zigeunerin etwas von Mademoiselle Vatnaz, und da er sich für ihre Person interessierte, wollte er ihren Stand wissen.

      Pellerin glaubte, daß sie früher Erzieherin in der Provinz gewesen war, jetzt gab sie Unterricht und versuchte, für kleine Blätter zu schreiben.

      Nach ihrem Benehmen Arnoux gegenüber konnte man sie, Frédérics Meinung nach, für seine Geliebte halten.

      »Ach was, er hat andere!«

      Da wandte der junge Mann sich, über die eigenen Gedanken errötend, beschämt ab und fügte entschlossen hinzu:

      »Seine Frau vergilt es ihm wohl.«

      »Durchaus nicht! Sie ist anständig.«

      Frédéric hatte Gewissensbisse und zeigte sich häufiger in der Redaktion.

      Die großen Buchstaben, die den Namen Arnoux auf der Marmorplatte über

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