Spielzeit. Dani Merati

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Spielzeit - Dani Merati

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      Jochen Weber fuhr auf den überfüllten Parkplatz der Bar, die er seit zehn Jahren betrieb und spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Die Autos standen bereits bis auf die Straße und den Stellplätzen der anderen Geschäfte. Er fuhr zur hinteren Seite, setzte sich in die letzte verfügbare Parklücke der Angestelltenparkplätze. Seinen Platz. Der, der immer frei blieb. Vor dem Parkplatz thronte ein riesiges Schild, das Torsten entworfen hatte, nachdem der Laden angezogen hatte.

      Wenn ihr hier trinken wollt, parkt nicht hier! (Es sei denn, ihr arbeitet hier.) In diesem Fall allerdings, Trinken während der Arbeit nicht gestattet!

      Über die Jahre hatte sich diese Lücke zu seinem Platz entwickelt, keiner seiner Angestellten wagte es dort zu parken. Für einige Minuten blieb er im Auto sitzen, starrte abwechselnd zwischen der Bar und den Leuten, die dort hineilten hin und her. Die Hintertür schwang kurz auf und Nguyen, einer seiner Kellner trat mit mehreren Müllsäcken in den Händen heraus. Jo seufzte und öffnete die Autotür, entschlossen es hinter sich zu bringen. Als er sich dem Gebäude näherte, sah er auf seine Uhr und bereute es sofort.

      Das beschädigte Schmuckstück war das, welches Torsten am Abend des Unfalls getragen hatte, die Nacht in der er gestorben war. Jo musste unwillkürlich lächeln, als er das Wort „Spielzeit“ las, das dort prangte. Er glaubte die neckende Stimme seines Mannes zu hören, der ihn milde maßregelte, ihn daran erinnerte, dass ein überfüllter Parkplatz eine volle Bar mit sich brachte. Das bedeutete, ein Bombengeschäft und es gäbe nichts Besseres als das! Besonders um 21.30 Uhr an einem Mittwoch, noch ziemlich früh und das Wochenende noch lange hin.

      Jo blinzelte seine Tränen zurück und winkte seinem Angestellten zu, der jetzt an einer Wand lehnte und in sein Handy sprach. Der Junge grüßte zurück und Jo zog die Tür mit dem „Nur Personal“ Schild auf. Im Vorbeigehen warf er einen Blick auf das Logo der Bar, „OJ’s“. Das hatte im vergangenen Jahrzehnt für einige Lacher gesorgt, weil die meisten Gäste annahmen, es stünde für die Abkürzung des englischen Wortes Orangensaft und das in einer Bar, wo hauptsächlich Alkoholisches ausgeschenkt wurde. Jo hatte das immer so stehen lassen.

      Es war ihm ziemlich schnuppe, was die Leute über den Namen dachten. Eigentlich hatten die Buchstaben für Oliver und Jo gestanden, seinem ersten Liebhaber und ihm, aber jetzt diente es nur noch als Erinnerung. Eine Ermahnung, sich nicht mit ungeouteten Männern einzulassen, egal ob romantisch oder beruflich. Da die Initialen umgedreht seinen Spitznamen ergaben, hatte er sich nie die Mühe gemacht, sich etwas anderes auszudenken.

      Oliver hatte sich aus dem Staub gemacht, bevor sie überhaupt eröffnet hatten. Er hatte ihren Traum weggeworfen und eine reiche Hotelerbin geheiratet, sich ins gemachte Nest gesetzt. Das hatte ihm auf einen Schlag alles verschafft, was er immer gewollt hatte: Macht und Reichtum! Jos Liebe und sein einfacher Wunschtraum von einer erfolgreichen kleinen Bar hatten damit nicht konkurrieren können.

      Jo schob die bitteren Gedanken beiseite und suchte sich seinen Weg durch die Ladezone. Am Rande registrierte er das Chaos, bevor er die eigentliche Bar betrat, wo er von den tanzenden Männern fast erschlagen wurde. Beweise seines Erfolgs stießen ihn von allen Seiten an, als er sich einen Weg durch die Menge bahnte.

      Beinahe sofort bemerkte ihn sein Chefbarkeeper Diego, ein dunkelhäutiger Endzwanziger, dessen Mutter aus der Dominikanischen Republik stammte und grinste. Er winkte und bedeutete Jo hinter den Tresen zu kommen, wo er beschäftigt war, Drinks auszugeben und zu der ohrenbetäubenden Musik zu tanzen. Nur zögernd folgte Jo der Aufforderung. Er hatte gehofft, unbemerkt in sein Büro schleichen zu können, aber nun? Diego zu ignorieren war keine Option. Er war ein guter Freund und hervorragender Geschäftsmann und Jo brauchte ihn zu sehr, um eins davon zu riskieren.

      „Hallo, Chef! Bist du zum Spielen hier oder kommst du, um mich zu überprüfen?“ Diego zwinkerte, die weißen Zähne blitzten in dem dunklen Gesicht und die Rastalocken flogen wild hin und her. Jo konnte nicht anders als zurückgrinsen.

      „Gott allein weiß, dass dieser Ort auseinanderfallen würde, wenn man dich nicht im Auge behält. Keine Ahnung, warum ich dich behalte.“ Er erwiderte Diegos Zwinkern, während er automatisch in die Rolle eines Barkeepers fiel, Bestellungen annahm und Drinks mixte.

      Jo hatte Diego vor vier Jahren eingestellt und er war schnell zu einer unschätzbaren Kraft geworden, besonders als Torsten gestorben war. Als Jo zusammengebrochen war, hatte er das Zepter in die Hand genommen, beinahe jeden Aspekt des Geschäfts gemanagt. Jo hatte ihn daraufhin offiziell zum Geschäftsführer befördert und seitdem lief der Laden wie von selbst oder besser, er lief durch Diego. Alles, was Jo noch tun musste, war an den markierten Linien zu unterschreiben, damit die Rechnungen und Gehälter bezahlt wurden.

      Irgendwann musste er allerdings wieder anfangen sich in die Bar einzubringen oder komplett aussteigen, denn die Regelung war für keinen fair. Diese Bar war sein Traum und die Früchte von viel schweißtreibender Arbeit über ein Jahrzehnt lang. Der Gedanke, dass aufzugeben, verursachte ihm ebenso Bauchschmerzen wie der Lärm und die vielen Menschen um ihn herum.

      Trotz der vertrauten Routine wurde er nach einigen Minuten bereits nervös, er fühlte sich unter so vielen Leuten nicht mehr wohl. Einst hatte er davon gelebt, aber jetzt legte es seine Nerven blank und er war kurz vorm Überschnappen. Besonders mit der Schuld, die ihn zusätzlich niederzwang. Als Torsten gestorben war, hatte Jo jegliches Interesse an allem verloren, besonders dem „OJ’s“. Er hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, zuzumachen, nachdem die Bar beinahe durch Vernachlässigung den Bach heruntergegangen wäre.

      Diego zu befördern war der letzte Ausweg gewesen und dieser hatte es bewundernswert geschafft, wieder Leben in den Laden zu bringen. Er schuldete dem anderen Mann viel mehr als nur Dankbarkeit für jeden Tag, den er hier blieb und die Bar am Laufen hielt, weil Jo das nicht mehr konnte.

      Sich in der Bar umsehend, glaubte Jo in jeder Ecke seinen Mann zu sehen, immer außerhalb seiner Reichweite. Die Erinnerungen waren überall und auch nach beinahe zwei Jahren zu schmerzhaft, um sich ihnen komplett zu stellen. Um sich abzulenken, griff er nach einem Lappen unter der Kasse und wischte über den Tresen. Diego beobachtete ihn eine Weile, doch Jo weigerte sich, seinem Blick zu begegnen. Es gab keine Flecken auf der Theke, aber er konnte nicht aufhören. Er musste zumindest die Illusion von Beschäftigung aufrechterhalten.

      Diego schenkte einige Biere aus, dann kam er zu Jo hinüber. Eine dunkle Hand legte sich auf seine, stoppte seine Bewegungen. „Bist du okay, Chef?“

      Jo nickte, rückte vom Tresen ab und gab Diego ein flüchtiges Lächeln. „Ja, alles klar. Hab‘ nur gerade ziemlich viel im Kopf. Ich dachte, ich komm‘ vorbei, um mir die neuesten Zahlen anzusehen, die Rechnungen zu begleichen, mal schauen, wie viel Kapital wir flüssig hätten. Ich denke darüber nach, den Boden der Bühne zu erneuern, vielleicht auch eine Erweiterung. Wir hatten schon ewig keine Live-Auftritte mehr und es gibt eine Menge toller lokaler Bands, die wir buchen könnten. Müssen uns etwas einfallen lassen, um den Laden interessant zu halten.“ „Das wäre ein guter Start. Die Bühne ist viel zu lange leer gewesen.“

      Diego schüttelte seinen Kopf, gab zwei weitere Drinks aus, bevor er sich zu Jo umdrehte. „Du solltest wirklich darüber nachdenken, die Bar auszubauen. Am Wochenende erreichen wir regelmäßig unser Limit und müssen sogar Leute wegschicken. Die Seitenwand auf der linken Seite könnte raus, damit hätten wir doppelt so viel Platz. Wir könnten eine zweite Bar auf der anderen Seite aufstellen, mit einem so richtig offenen Grundriss, wo man von einem Ende zum anderen sehen kann.“ Diegos Augen schimmerten vor Aufregung, als er die Möglichkeiten aufzählte.

      Jos Kehle verengte sich und er dachte an die Zeit zurück, als er noch diese Leidenschaft für das Geschäft gehabt

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