Die drei Lästerschwestern können's nicht lassen. Erich Hübener

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Die drei Lästerschwestern können's nicht lassen - Erich Hübener

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und i wird eich o weiterhin drüber berichta.“

      „Des will i hoffa!“

      „Also, pfia di Gott mei Schatz, griaß des restliche Kleeblatt und gib alls an dicken Kuss von mir auf die Backa.“

      „Ja, mach i. Pfia die Gott und meld die wiedr.“

      Maria brach schnell das Gespräch ab, denn sie merkte, dass sie einen Kloß im Hals hatte. Aber es ging ihr jetzt doch wesentlich besser und sie machte sich auf den Weg zur „Heimlichen Liebe“.

      Sören, die Erste: „Dat Führ“

      Neben dem Hauptgebäude der „Heimlichen Liebe“ gab es einen kleinen privaten Bereich. Von einem Garten zu sprechen wäre übertrieben, aber es gab ein kleines Stückchen Rasen, der auf der Insel ansonsten Seltenheitswert hatte, eine kleine Sträucher- und Blumenrabatte mit Heidekraut, Ginster und Wildrosen. Am Rand standen ein paar niedrige Bäume, die sich nach Osten beugten, nicht, um die aufgehende Sonne zu begrüßen, sondern um dem ständigen Westwind auszuweichen. Dort stand auch die alte Gartenbank, auf der sich Maria und Christian das erste Mal etwas näher gekommen waren.

      Es war inzwischen einer der Lieblingsplätze, an denen Maria sich gerne aufhielt. Die Bank stand, je nach Tageszeit, in der Sonne oder im Schatten. Maria nutzte jede Stunde, um bei gutem Wetter dort zu sitzen und zu lesen, zu träumen oder um einfach nur die Zeit an sich vorbeistreichen zu lassen. Manchmal ertappte sie sich auch dabei, kurz eingenickt zu sein, denn das monotone Geräusch der Wellen am nahen Strand hatte auf sie durchaus eine einschläfernde Wirkung.

      Eines Nachmittags, als sie wieder einmal dort saß und ein Buch las, kam ein Mann den Plattenweg entlang und näherte sich der Bank. Er schien zwischendurch zu zögern, ging dann aber doch weiter. In respektvoller Entfernung zu Maria blieb er stehen und rief „Dörf ik?“

      Maria stand zwar mit der plattdeutschen Sprache noch auf dem Kriegsfuß, aber so viel hatte sie verstanden, dass der Mann sich offensichtlich gerne zu ihr setzen wollte.

      Sie kannte diesen Mann. Es war Sören, ein eher scheuer, schüchterner Mensch, der gelegentlich den Rasen mähte oder die Fliesen der Terrasse und die Platten der Wege kehrte. Als Maria ihn das erste Mal gesehen hatte, fragte sie Christian, wer das sei. „Willst du es wirklich wissen?“ hatte Christian gefragt. „Aber ja doch“, hatte Maria geantwortet, „es interessiert mich.“

      „Aber es ist eine lange Geschichte.“

      „Macht nichts, ich mag Geschichten und ich habe Zeit.“

      Christian strich sich über den Kopf, stützte die Ellenbogen auf die Knie, blickte aufs Meer und begann: „Vor vielen Jahren erschien hier auf unserer Insel eine junge Frau. Sie war sehr hübsch und trug eine Kleidung, wie man sie eigentlich in herrschaftlichen Häusern trägt. Sie war schwanger, das war nicht zu übersehen. Es war keine Touristin, aber keiner wusste, wer sie war, woher sie kam und was sie hier auf Borkum wollte. Sie versteckte sich in einem der alten Bootsschuppen unweit des Anlegers. Dort hat sie dann auch bis zum Schluss gewohnt, oder, besser gesagt, gehaust. Sie fragte in den Häusern nach Arbeit und als die Leute merkten, dass sie ganz geschickt im Nähen war, gaben sie ihr Handtücher und Bettwäsche zum Reparieren. So verdiente sie sich ihren Lebensunterhalt. Als einige Familien eines Tages vergeblich auf ihre reparierte Wäsche warteten, sah man im Bootsschuppen nach und fand ein neugeborenes Baby neben seiner toten Mutter. Sie war offensichtlich bei der Geburt gestorben. In den Balken neben ihrer Schlafstätte hatte sie mit einem Messer den Spruch geritzt: Lever dod, as Sklav. Das ist ein Satz, der aus der Kriegszeit zwischen den Friesen und den Dänen stammt, als es um die Vorherrschaft in Schleswig-Holstein ging, denn so fühlten sich die Friesen unter der dänischen Herrschaft: Wie Sklaven.

      Die `Näherin´, wie man sie hier einfach nannte, wurde anonym beerdigt. Sie liegt irgendwo in der großen Rasenfläche im hinteren Teil des alten Friedhofs.

      Das Kind – es war ein Junge – war anscheinend gesund. In der Hand der Mutter fand man einen kleinen Zettel auf dem „Sören“ stand. Also taufte man das Kind Sören. Die Frau des Pfarrers nahm sich seiner an mit den Worten: Wo sös satt ward könnt ok söben satt wardn. Womit sie auf ihre eigenen sechs Kinder anspielte. So wuchs Sören im Pfarrhaus auf, aber trotz der sechs `Geschwister´ blieb er ein Einzelgänger. Mit der Schule konnte er sich gar nicht anfreunden und wenn ihn unser Inselpolizist zwangsweise in die Schule brachte, war er spätestens in der nächsten Pause wieder verschwunden. Irgendwann gab man es auf und so wuchs Sören ohne jeden Unterricht auf. Den Jugendlichen stellte der Pfarrer dann als Hilfskraft ein. Seitdem wohnte er im Geräteschuppen im hinteren Teil des alten Friedhofs, weil er es so wollte, hatte der Pfarrer gesagt. Sören säuberte die Kirche, läutete die Glocken und kümmerte sich um die Pflege des Friedhofs. Dabei hat man ihn oft beobachtet, wie er stundenlang vor den alten Grabsteinen saß. Auf diesen Grabsteinen stehen nämlich nicht nur die Namen und die Lebensdaten der Verstorbenen, so wie heute, sondern auf den ganz alten Grabsteinen steht die gesamte Lebensgeschichte des Verstorbenen, allerdings nur die der Männer: Wann und wo geboren, mit wem verheiratet, wie viele Kinder und vor allem der Beruf, denn die meisten waren Seeleute gewesen und in Ausübung ihres Berufes gestorben. Aber die meisten Steine sind schon sehr verwittert, sodass man die Schrift kaum noch erkennen kann. Und wenn man etwas lesen konnte, dann waren da oft Wörter und Begriffe, die man in unserer heutigen Sprache gar nicht mehr kennt. Sören, ohnehin nicht des Lesens mächtig, beschäftigte sich hauptsachlich mit den Symbolen auf den Grabsteinen: Anker, Kreuze, Steuerräder und sogar ganze Segelschiffe. Er malte sie mit Bleistift auf ein Stück Pappe und redete dabei, oder, besser gesagt, er sang. Es war zwar kein normaler Gesang, eher so eine Art Sprechgesang, aber es waren Worte verbunden mit einer Melodie. Leider verstand ihn niemand, denn er redete in Rätseln. Viele hielten ihn für verrückt und wichen ihm aus. Aber als er vor Jahren einmal eine schwere Sturmflut voraussagte und diese dann auch auf den Tag und auf die Stunde genau eintraf, wurde er zum `Spökenkieker´. So nennt man in Norddeutschland Menschen, die eine gewisse Begabung dafür haben, Ereignisse der Zukunft vorherzusagen, leider meist negative. Deshalb gehen ihm viele Inselbewohner aus dem Wege, weil sie Angst haben, dass er ihnen ein Unglück prophezeien könnte.“

      Christian machte eine Pause und sah Maria von der Seite an.

      „Weiter?“, fragte er.

      „Natürlich“ antwortete Maria, „jetzt will ich auch den Rest hören.“

      „ Eines Tages war Sören verschwunden. Keiner wusste warum und wohin.

      Ein Kapitän meinte ihn als blinden Passagier auf seiner Fähre gesehen zu haben, als er auf dem Weg zum Festland war. Nach einem halben Jahr tauchte er wieder auf und tat so, als ob nichts geschehen wäre. Seitdem `wohnte´ er in demselben Bootsschuppen, in dem er geboren und seine Mutter gestorben war. Er verdiente sich seinen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten oder sammelte Treibholz am Strand und verkaufte es an Inselbewohner. Manchmal fand er auch ein paar kleine Bernsteinstücke, die er an Thorben Reed, unseren Goldschmied verkaufte. Ich habe ihn einmal gebeten, die Plattenwege rund um unser Haus und auch die Terrasse vom Flugsand zu säubern. Das hat er einwandfrei gemacht. Dafür bekam er hinterher satt zu Essen und noch ein paar Euro. So, nun kennst du seine Lebensgeschichte, mehr weiß ich auch nicht über ihn. Du brauchst dich nicht vor ihm zu fürchten, er ist ein bisschen eigenartig, aber ansonsten harmlos.“

      Und nun saß Sören neben Maria auf der Bank. Er war unruhig, wippte hin und her und rieb ständig den rechten Daumen in der Innenfläche seiner linken Hand. Je länger er so dasaß und starr aufs Meer blickte, umso unruhiger wurde er. Und dann begann er zu singen. Es war genauso, wie Christian es beschrieben hatte, eher ein Sprechgesang mit einer traurigen Melodie. Es war ein Reim, vierzeilig, der sich immer wiederholte: „Dat Führ,

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