SEX & other DRUGS - Novembertau. Mira Schwarz
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»Sie fanden nichts?«, hake ich nach.
»Gar nichts.« Für einen Moment lässt er meine Hand los, geht sich kurz durch die Haare und seufzt. »Hypoglykämisches Koma, spontane neurologische Reaktionen auf bestimmte Begebenheiten oder Situationen. So etwas passiert. Selten zwar, aber es ist möglich.«
Ich zucke mit den Schultern. »Und meine Erinnerung?«
Was für ein beschissenes Gefühl. Der Mann gegenüber hätte mir auch sagen können, dass er mein Bruder ist. Dies fände ich zwar ein wenig schade, aber ich hätte es ihm geglaubt, wenn die Pflegerinnen ihn nicht als meinen Verlobten vorgestellt hätten, der »Tag und Nacht an meinem Bett wachte«, wie sie sagten.
»Sie wird zurückkommen.« Ryan sagt die Worte, als gäbe es gar keine andere Option. »Es wird zwar ein wenig dauern, aber in einigen Tagen schon wirst du dich erinnern, wie die kauzige Mrs. Johnson von gegenüber uns immer wieder ermahnt, nicht so laut Musik zu hören nachts, wenn wir …« Ryan stoppt mitten im Satz und lächelt verschmitzt.
Auch mir huscht ein kurzes Grinsen über das Gesicht. Die Vorstellung gefällt mir.
Er strahlt Ruhe aus und Zuversicht. Mir geht es augenblicklich besser.
Ich lächele zaghaft, während mein Blick nach draußen schweift. Langsam bricht die Sonne durch den düsteren Himmel und verdrängt mit ihren hellen Strahlen die Nacht. »Und ist es November?«
Er nickt, küsst meine Hand. »Ja, es ist sogar wärmer geworden. Als ob das Wetter dich begrüßen will.«
»Novembertau«, flüstere ich und ergreife Ryans Hand fester. Dieses Wort wiederum kommt mir sehr bekannt vor. Keine Ahnung warum, doch plötzlich zieht mein Mundwinkel nach oben. »Chinesisches Essen klingt großartig. Ich habe einen riesen Hunger.«
Ryan zückt sein Telefon, strahlt mich mit seinem Filmstar-Lächeln an. »Das ist doch ein Anfang, Sweety.«
Anscheinend gibt er mir gerne Kosenamen. Ein Umstand, an den ich mich gewöhnen könnte.
***
Sich selbst erkennen …
Was für ein Bullshit!
Die Krankenschwester lächelt, als sie mir den Spiegel in die Hand drückt und sich neben mich auf die Bettkante setzt. Dabei sieht sie aus, wie man sich Pflegerinnen halt vorstellt. Etwas beleibt, immer ein wenig in Eile, die Haare zu einem strengen Dutt zusammengebunden, aber trotzdem herzensgut, obwohl sie auch bestimmt einen ganz anderen Ton anschlagen kann. Schwester Betty scheint die Reinkarnation eines 40er-Jahre-Stereotyps zu sein.
»Schau dich an, Kindchen«, sagt sie mit weicher Stimme. »Das bist du.«
Interessant. Sobald man seine Erinnerungen temporär verloren hat, behandelt jedermann einen, als wäre man grenzdebil. Ich weiß, sie meint es gut und es ist auch möglich, dass »Sich selbst erkennen« ein erster Therapieansatz ist. Das alles hindert mich jedoch nicht daran, mich zu fühlen, als wäre ich ein Kleinkind.
»Danke schön«, sage ich etwas zu lang gezogen, um es ernst zu meinen, und begutachte mein eigenes Spiegelbild.
Meine brünetten Haare wirken etwas stumpf, man merkt, dass ihnen in den letzten drei Monaten die Pflege fehlte. Meine Haut ist etwas sehr weiß, aber ich habe das Gefühl, dass dies nicht an den drei Monaten Zwangsurlaub gelegen hat. Ich scheine wohl eher der Porzellanhaut-Typ zu sein. Lange Sonnenbäder sind also für mich nicht drin. Ansonsten gefällt mir, was ich sehe. Na ja, die Lippen könnten etwas voller sein und ist die Nase nicht ein winziges Stückchen zu groß? Eine längliche Narbe ziert die Stelle über meinem linken Auge und zieht sich zur Schläfe hin.
»Wissen Sie, woher ich die habe?«, will ich an Betty gerichtet wissen.
Sie überlegt einen Moment. »Ihr Verlobter hat davon gesprochen, die Narbe stammt wohl von einem Fahrradunfall vor einigen Jahren.«
Ich seufze in mich hinein. Wenn ich nicht alle Bewertungskriterien für Attraktivität vergessen habe, kann ich wirklich zufrieden sein. Mein Körper scheint gut in Form und auch meine Brüste können sich sehen lassen. Ein schöner B-Cup mit leichter Tendenz zur C.
»Zufrieden?«, möchte Schwester Betty wissen und legt eine bedeutungsschwangere Miene auf. »Ich weiß, Kindchen. Es ist immer schwierig, wenn man nach so langer Zeit erwacht und sich dann das erste Mal selber sieht. Vielleicht hat man etwas anderes erwartet, oder …«
»Nein«, unterbreche ich sie leise. »Ich kann mich erinnern, dass ich die Frau im Spiegel bin.« Vielleicht ist dieses »Sich selbst erkennen«-Spiel doch nicht so nutzlos, wie ich dachte. Ich sehe in strahlend blaue Augen. Sie scheinen für einen Lidschlag das Tor zu meiner Seele zu öffnen. Einige wenige Erinnerungen finden den Weg zurück in meinen Verstand. Ich kann erkennen, wie ich mich geschminkt habe, welche Augenbrauen ich mir immer zupfe und wie ich meine Haare trage.
Tränen schießen mir in die Augen. Schwester Betty ist sofort da und umarmt mich. Jetzt bin ich unendlich froh, sie hier zu haben. An ihrer breiten Schulter schluchze ich. Es dauert nur wenige Sekunden, nur ein kurzer Ausbruch der Gefühle. Sie reicht mir ein Taschentuch, damit ich meine Tränen trocknen kann. Noch während ich mich sammle, hebe ich die Decke und begutachte meinen Körper genauer.
Schwester Betty muss leise lachen. »Die letzten drei Monate habe ich dich gewaschen, Kindchen. Ab jetzt bist du wieder dran. Meinst du, dass du es schaffst, oder soll ich hierbleiben?«
»Das schaffe ich alleine«, entgegne ich mit fester Stimme. »Hätten Sie einen Shaver für mich?«
»Hat dein Verlobter alles mitgebracht.« Sie zwinkert mir zu. »Lass dir Zeit, die nächste Untersuchung ist in zwei Stunden.«
Ich nicke hastig, schlage die Bettdecke von meinem Körper und spüre seit langer Zeit mal wieder Boden unter meinen Füßen. »Ganz schön wackelig.« Der Arm von Betty gibt mir Sicherheit.
»Ruhig, Kleines. Eigentlich solltest du nicht jetzt schon auf eigenen Beinen stehen. Erst müssen wir noch eine ganze Menge Untersuchungen machen, Physiotherapie, Ergo …«
Weiter kommt sie nicht mehr. Noch bevor sie mich greifen kann, schaffe ich die ersten unsicheren Schritte bis zum Schrank.
Einige Herzschläge dauert es, bis Schwester Betty sich fängt und mir nacheilt. Sie ist kalkweiß. »Herr im Himmel, du solltest eigentlich noch nicht einmal krabbeln können.« Vorsichtig fasst sie meinen Arm. »Wie ist das möglich?«
»Ich meine, mich erinnern zu können, dass ich schon immer zu den Schnelleren gehörte, die manchmal auch dumme Entscheidungen treffen«, hauche ich leise und stütze mich weiter ab.
Betty wischt den Gedanken mit einer Handbewegung beiseite. »Du gehörst anscheinend wirklich zur schnellen Sorte. Aber mir ist das gleich, hörst du. Wir machen erst einmal ein paar Übungen.«
Jeder Schritt schmerzt, mein ganzer Körper scheint sich gegen die Bewegung zu wehren. Betty und ich gehen im Zimmer umher. Erst sind meine Schritte langsam und tippelnd, doch schon bald lege ich an Sicherheit zu. Nach einer halben Stunde schaffe ich es, ohne fremde Hilfe zu gehen, und stehe aufrecht. Weitere 30 Minuten später sehen meine Bewegungsabläufe beinahe schon wieder menschlich aus. Ganz abgesehen davon, dass ich schweißgebadet in diesem sexy Patientenleibchen mitten im Zimmer stehe und mein Po für jeden offen einsehbar ist, fühle ich mich fast