Chicago Affair. Niko Arendt

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Chicago Affair - Niko Arendt

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hatte und das betäubende Gefühl war ihm fremd geworden.

      Ihm entwich ein leiser Schrei, als er mit müden Augen in den Spiegel blickte und Holden hinter sich stehen sah. Wie ein Geist war er lautlos aus dem Nichts aufgetaucht.

      „Hast du mich erschreckt“, gab er zu und stützte sich erleichtert am Waschbecken ab.

      „Was ist nur los mit dir?“, grollte der Brünette drohend. „Du weißt, wie wichtig das Treffen für mich ist.“

      „Wäre mir fast entgangen. Im Vergleich zu dir ist Mr. Darcy ein richtiger Partylöwe.“

      Bourdain runzelte die Stirn und stemmte die Hände in die Hüften, eine Geste, die er in letzter Zeit gar nicht selten zu wiederholen pflegte. Meistens, wenn er unzufrieden mit Sean war.

      „Du blamierst mich. Die Firma“, zischte Holden. Dieses Mal wütender.

      „Ich sorge dafür, dass dieses Treffen keine Totenwache wird“, erklärte Sean leichtfertig.

      Bourdain trat nah an ihn heran, sodass Sean die Wut in Funken förmlich aus dessen Augen sprühen sah. Sein Zeigefinger bohrte sich schmerzhaft in Seans Brust. „Das ist kein Spiel, Grandy.“

      „Oh, doch. Ist es sehr wohl. Und das weißt du.“

      Es fiel ihm schwer, sich richtig zu artikulieren. Seine Zunge lag faul in seinem Mund herum. Gleichzeitig sank seine Hemmschwelle unter das Niveau eines Gauners. Und plötzlich erschienen ihm die schmalen Lippen seines Gegenübers, die Wellen, die seine Wangenknochen rahmten und die kleinen Furchen, die sich auf seiner Stirn bildeten, absurd attraktiv. Reue würde ihn morgen hart treffen, wenn er sich dann noch daran erinnern würde.

      „Irgendwann werde ich herausfinden müssen, wie lang dein Schwanz ist“, sprach Sean seine Gedanken laut aus. Sofort bereute er seine Offenheit. Verwirrt starrte Bourdain ihn an, was noch mehr krause Furchen in dessen Stirn trieb. Mit Zeigefinger und Daumen massierte er sich den Nasenrücken.

      „Du bist so unreif. Ich werde dich schon nicht zwingen, dich nackt mit einem Apfel im Mund auf den Tisch zu legen. Ich hab dir nicht zwischen die Beine gefasst, also beruhig dich wieder. Du bist einfach zu laut und unprofessionell. “

      Sean überhörte die Kritik.

      „Nicht hier. Aber doch. Genau das hast du“, erinnerte ihn Sean und dachte dabei an ihren ersten Kuss im Büro. „Ich kann diese Gedanken nicht aus mir herausschneiden. Ich hatte mit dem Schlimmsten gerechnet, als ich hergekommen bin. Ganz kurz sogar, dass wir ein Date haben, bevor du mich zu entjungfern versuchst. Das kann alles nicht harmlos sein.“

      „Das ist ein gottverdammtes Essen mit Klienten. Wenn dich das so beschäftigt, dann können wir es gleich in der Kabine tun“, sagte Bourdain nüchtern und machte einen provokativen Schritt auf seinen Mitarbeiter zu, der augenblicklich einen Schritt zurück machte. „Nein? Dann hör auf mit dem Scheiß und schieb deinen Arsch wieder nach draußen, solange du ihn noch hast. Hätte ich nur gewusst, dass du so verflucht anstrengend bist, dann hätte ich mich gar nicht auf diese Scharade eingelassen. Das ist es nicht wert.“

      Den Bruchteil einer Sekunde glaubte Sean verletzten Stolz zu sehen, bevor die Anspannung alle anderen Gefühle überdeckte. Er wurde das Gefühl nicht los, dass Bourdain sich sogar noch deplatzierter fühlte, als er. Der Mann war der Boss einer monströsen Computerentwicklungsfirma, wirkte aber in diesem Raum neben ihm normal und menschlich. Seine Ängste waren echt.

      „Du musst nicht nervös sein“, sagte Sean leise. Ein unangenehmes Schweigen beherrschte den Raum. Seine Offenheit würde ihm den Hals brechen.

      „Das bin ich nicht“, erwiderte Bourdain.

      „Das ist doch kindisch. Wenn du dir das eingestehst, wird‘s leichter.“

      „Du bist betrunken, Grandy. Und weißt nicht, was du redest.“

      „Bis vor Kurzem warst du ein fantastischer Chef.“

      Holden wich seinem Blick aus. Für dieses Gespräch fehlten ihm die Nerven.

      „Es wäre auffällig, wenn wir zusammen gehen“, damit verließ er die Toilette. Seine Schritte waren auf dem gefliesten Boden nahezu geräuschlos. Sean starrte noch einige Sekunden in den Spiegel, bevor er ihm folgte.

      Es war bereits weit nach Mitternacht, als Sean sich gerädert ins Bett fallen ließ, ohne sich Schuhe oder Jackett auszuziehen. Am nächsten Morgen würde er es bedauern so faul gewesen zu sein. Seine Muskeln würden schmerzen. Die Haut würde sich schlaff anfühlen. Aber jede Bewegung, die nicht lebensnotwendig war, raubte ihm die Kraft. Deshalb strengte er sich gar nicht erst an.

      Er konnte sich nicht erinnern, wie er zurückgekommen war. Ob Holden ihn gefahren hatte? Vielleicht war er gelaufen. Amanda war noch nicht zurück.

      Als sich die Matratze neben ihm herabsenkte, war Sean bereits in einem tiefen, traumlosen Schlaf versunken.

      Kapitel 7

      Die Sonnenstrahlen brannten ihm ein Loch direkt durch seinen malträtierten Schädel, indem mehrere Presslufthammer um die Wette die Schutzschicht seiner Erinnerungen aufbrachen. Schnatternd unterhielten sich ein Haufen Spatzen vor dem Fenster und leisteten gute Arbeit seinen Brummschädel zum explodieren zu bringen. Während ein gleichmäßiges, nerviges Dröhnen seine Ruhe störte. Stöhnend zog Sean sich die weiche Decke über den Kopf, in der müden Hoffnung, die Geräuschkulisse von seinem Kopf fernzuhalten.

      Dunkel regte sich in ihm der Gedanke, dass er arbeiten musste und mit großer Wahrscheinlichkeit verschlafen hatte. Doch die Rebellion seines Körpers hielt ihn davon ab, erschrocken aufzuspringen und sich eventuell zu beeilen. Ihm war übel. Die Schmerzen in seinem Kopf und in seinen Gliedern gingen über einen normalen Kater hinaus. Es war viel mehr, als hätte er einen Liter KO-Tropfen getrunken, die seinen Körper eisern in die Matratze quetschten.

      Sean beobachtete, wie er den kleinen Finger seiner rechten Hand bewegte. Das tat beschissen weh und er wollte es nicht mehr wiederholen. Mit dem Bauch nach unten lag er auf dem Bett, das Gesicht in die Kissen gepresst, während die frische Morgenluft seine nackten Fußballen und seine Beine kitzelte. Wenigstens hatte er es geschafft sich zu entkleiden, bevor er ins Koma eines Betrunkenen gefallen war.

      Er sollte versuchen aufzustehen, aber das Bett war so verdammt bequem. Es war weich, frisch und verströmte einen ganz neuen Duft, der seinen müden Sinnen schmeichelte. Leicht holzig. Nach warmen Zedernholz. Würzig süßer Bitter-Orange und aromatischem Kardamom, der durch sein betörendes Aroma sein Gehirn stimulierte. Plötzlich kam ihm der Gedanke, dass dieser Geruch nicht typisch war. Nicht typisch für sein Zuhause. In diesem Moment erinnerte er sich an einen Artikel aus der Frauenzeitschrift, die Amanda abonniert hatte.

       Kardamom, nach Safran das teuerste Gewürzöl. Löst Minderwertigkeitsgefühle und sexuelle Blockierung.

      Mit lautem Japsen fuhr Sean aus den Kissen hoch. Es roch nach Holden! Ihm wurde um einiges schlechter. Er lag im Bett seines Chefs. Nackt, wie er mit wachsendem Schrecken feststellte.

      „Kotzen Sie mir bloß nicht auf den orientalischen Teppich. Ich hab ihn erst vor Kurzem reinigen lassen“, sagte eine nasale Stimme nicht weit von ihm entfernt. Eine korpulente Schwarze stand, die Hände in die üppigen Hüften gestemmt, vor dem Bett. Einen Staubsauger in der einen Hand und einen Wedel in der anderen Hand. Genau

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