Die Unschuld im Krankenbett (Teil 1). Caroline Milf
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Caroline Milf
Die Unschuld im Krankenbett (Teil 1)
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Inhaltsverzeichnis
1
Meine Mutter kam in mein Zimmer. Und da war wieder dieser gequälte Blick; ich glaube, dieser Gesichtsausdruck ist ihr angeboren.
„Gute Nacht, Liebes", meine Krankheit hatte ihre Stimme immer sanfter, immer leiser werden lassen, „fühlst du dich gut?"
Ich gab ihr keine Antwort, lag flach ausgestreckt unter der Decke, mein dünner Leib war ein einziger Protest gegen dieses Getue.
„Fühlst du dich gut, Liebes?", wiederholte sie, und Sorge zitterte in ihrer Stimme.
„Ja", antwortete ich endlich ganz ruhig, das Ja mehr ein Seufzer als ein Wort; in Wirklichkeit war es ein Nein, ein lautes, ärgerliches Nein.
„Schlaf gut", flehte sie und verließ geräuschlos das Zimmer.
In dieser Nacht wollte ich nicht nachdenken. Manchmal denke ich nach, aber dann entgehen mir die Geräusche in diesem Haus. Ich lag still, ganz still, bis ich ihr demütiges Klopfen an Vaters Türe hörte.
„Schatz", rief sie, „darf ich für einen Moment hineinkommen?"
Zuerst gab er keine Antwort, dann antwortete er ebenso kurz wie ich vorhin, und ich wusste, ihre Finger waren jetzt an der Klinke seiner Tür, und das Schlurfen ihrer Hausschuhe bedeutete: „Vergib mir mein Eindringen." In ihrer Stimme war Schwermut, dabei war sie einmal eine fröhliche Frau gewesen.
Ich hörte die tiefe Stimme meines Vaters, und obwohl ich durch die Wand von ihnen getrennt war, hüpfte mein Herz, als ich den Ärger in seiner Stimme bemerkte. Sie blieb nur für eine Minute, ohne Zweifel erzählte sie ihm, mir ginge es gut und ich schliefe bald. Dann konnte ich hören, wie sie die Tür des kleinen angrenzenden Zimmers öffnete, welches vorher einmal ihr Ankleideraum gewesen war.
Vorher... vorher und nachher; das war der Aspekt, unter dem wir alles betrachteten.
Vorher - das lebensuntüchtige Erbgut meiner Mutter, der faule Kern der Familie zeigte sich in meinem 13. Lebensjahr. Es war ihre Krankheit, und mein Körper sank aufs Bett, ins Grab, und sanft zog ich sie mit mir.
Als sich das Haus zur Ruhe begeben hatte, überließ ich mich meinen Träumereien, Träumereien voller Unwissenheit.
»Die Unschuld im Bett« wurde ich von allen nur genannt.
Ich erinnere mich, es war vor drei Jahren, der Arzt stand an meinem Bett und sagte: „Sie ist ein Engel."
Dabei berührte er mein glattes, hellblondes Haar. „Wir werden alles tun, um sie zu retten, Fräulein von Eschenbach."
Meine Mutter sagte voller Trauer: „Sie ist so jung und immer so hinfällig."
Das war alles, was sie sagte. Mein Vater jedoch antwortete dem Arzt genauer.
„Die Mutter und die Schwester meiner Frau", sagte er voller Sarkasmus, ja Verachtung, „waren mit dem gleichen Leiden geschlagen."
„Natürlich", fügte er hinzu, „diese waren damals erheblich älter, während Amelie sich schon immer als besonders anfällig zeigte."
Ich fühlte seine Hand auf meiner Stirn. „Sie hat kein Fieber."
„Nein", der Arzt stimmte ihm zu, „dabei gibt es kaum Fieber. Aber sie muss eine lange Zeit vollkommen ruhig liegen. Wenn wir Glück haben, heilt die Ader. Sollte jedoch ein weiterer Anfall folgen - und ich muss Sie darauf hinweisen, dass dies immer im Bereich des Möglichen liegt - bleibt uns wenig zu tun."
Meine Mutter verschluckte ihre Tränen, und mein Vater sagte mit milder Stimme:
„Johanna, wenn du glaubst, dass dir Tränen Erleichterung verschaffen, tue dir keinen Zwang an", und damit verließ er mit dem Arzt das Zimmer.
Mutter saß noch eine lange Zeit an meinem Bett. Mir schienen es Tage zu sein. Ich schlief gelegentlich ein, und wenn ich erwachte, saß sie noch immer da, bis sich endlich der Schmerz wie ein Krebs auf ihrem Gesicht ausgebreitet und sich in ihren Augen eingenistet hatte.
2
Mein Vater ist schwach. Er ist viel schwächer als meine Mutter, denn er kann keine Schmerzen ertragen.
Ich glaube, dies ist neben seiner Bequemlichkeit der andere Grund, warum er sie nicht verlässt. Ihm erscheint ihr Leiden rätselhaft. Ich bin sicher, er fürchtet, dass ein Fluch über unser Haus kommt, wenn sie es verlässt, dabei hat sie doch bereits einen Fluch über ihn gebracht: mich.
Meine Mutter und mein Vater kommen etwa aus gleich guten Verhältnissen. Mag er sie auch verachten, so gehört sie doch zu den wenigen Leuten, mit denen er glaubt, sprechen zu können, ohne