Die Unschuld im Krankenbett (Teil 1). Caroline Milf

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Die Unschuld im Krankenbett (Teil 1) - Caroline Milf

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er mir gegenüber. Nie gab mir mein Vater die Liebe, mit der Väter ihre Töchter verwöhnen. Dafür gab er mir Anerkennung: die unausgesprochene Versicherung, mich einzuladen, sollten wir ein Essen geben. Auch das Recht auf Bildung gestand er mir zu: Seine Bibliothek gehörte mir.

      Interessant ist, wie man mir die Bücher bringt. Es wurde ein kleiner Wagen mit Rädern gebaut und jede Woche mit einer ganzen Regalreihe Bücher aus Vaters Bibliothek beladen.

      Marie rollte ihn dann an mein Bett. Die Bücher, die ich ständig bei mir haben will, stehen in einem Regal neben meinem Bett. Die Wahl meiner Bücher blieb mir überlassen. Ich glaube, niemand kontrollierte je, was ich las.

      Ich lebe in meinen Büchern!

      Ebenso ist mir das Leben in diesem Haus genau gegenwärtig, und doch reicht das nicht aus. Tag für Tag versinke ich tiefer in den Zustand, den man Lethargie nennt.

      Jeder in meiner Umgebung geht auf Zehenspitzen, nur mein Vater nicht. Er vergisst, dass seine Tochter stirbt. Die Köchin backt mir eine Extratorte, der Gärtner züchtet eine neue Sarah, und bringt sie mir ins Zimmer.

      Zu meiner Beerdigung wird man das Haus mit ihnen schmücken, dessen bin ich gewiss.

      Alle haben die törichte Idee, sie bringen mir das Leben, sie bringen mir das Haus. Wie soll ich es nur erklären? In diesem Haus kann ich tun, was immer ich will, während ich hier in meinem Bett liege. Und ich bin auch die einzige, die wirklich etwas will.

      Im Haus herrscht die Atmosphäre meines nächtlichen Schlafes. Wenn ich mich besser fühle, öffnen sich Türen und Fenster; ist meine Nacht ruhelos, verschließt sich das Haus und wird mir zum Grab.

      Ich liege jetzt im großen Gästezimmer. Alles ist sehr edel und teuer eingerichtet – okay, meine Familie ist ziemlich vermögend. Wir stammen aus einer alten deutschen Adelsfamilie und besitzen von mehreren Firmen die Aktienmehrheit.

      Als ich krank wurde, bekam ich ein Zimmer im dritten Stock. Ein schrecklicher Ort. Er entsprach Mutters Vorstellung von einem Kinderzimmer, wie es sich ein Kind erträumt: überall Kattun und französische Puppen. Der Raum, in dem ich jetzt liege, entspricht viel eher meinem Geschmack.

      Ich sagte meiner Mutter, ich wünschte mir nach meinem Tode einen Sarg, ganz mit Gold bedeckt und umsäumt. Sie war so bekümmert darüber, dass ich nicht weiter davon reden konnte, aber ich hatte den festen Willen, es durchzusetzen.

      Natürlich habe ich einen Willen, und ich habe sehr oft meine Meinung geändert.

      Meine Großeltern hinterließen mir, und natürlich auch meinen Eltern, ein Vermögen. Irgendwie schienen sie gewusst zu haben, dass ich einmal hier im Bett liegen würde. Was mit meinem Geld geschieht, interessiert mich nicht.

      Das Haus begann zu schlafen. Das Gesicht meiner Mutter entspannte sich vermutlich in ein mehr religiöses Leiden.

      Mein Vater nahm seinen Schlaftrunk. Ich hörte, wie er das Glas schwer auf den Marmortisch neben seinem Bett niedersetzte.

      Um 22:00 Uhr schliefen der Butler und die Köchin. Das neue Dienstmädchen oben war allein. Wir hatten ein anderes Mädchen, zu dem der Chauffeur meines Vaters. Ich hörte sie immer oben auf der Treppe flüstern, und wenn ich mit gespanntester

      Aufmerksamkeit lauschte, konnte ich das Knarren in ihrem Zimmer hören.

      Ich habe eine besondere Technik des Lauschens. Ich lege mein Ohr auf etwas Festes, und von allen Decken und Wänden kriechen die Geräusche heran. Ich habe viel über solche Dinge gelesen, und ich glaube, sie behandeln mich deshalb wie einen Engel, weil sie wissen, ich werde als Jungfrau sterben.

      „Sie ist eine Nonne", hatte ich meinen Vater sagen hören, mit dem besonderen Stolz des Wüstlings; eine üble Art der Verehrung scheint mir. Erzählte ich das meiner Mutter, sie wäre schockierter als über den goldenen Sarg.

      Sie denken: „Sie weiß nichts darüber, und die Enttäuschung wird ihr erspart bleiben."

      Eines Tages hörte ich Vater und Mutter im angrenzenden Zimmer sprechen. Sie redeten länger als gewöhnlich miteinander, und ich wurde nervös in meinem Bett.

      „Das ist eine gute Idee", hörte ich meinen Vater murmeln, und mein Herz schlug dumpf, als ich seine Stimme hörte, tief und seltsam angenehm. Unverzüglich begann ich zu läuten, dringlich, wieder und wieder, und einen Augenblick später war meine Mutter im Zimmer.

      „Amelie, was ist...", kurzer Atem und flammendes Gesicht.

      Ich sank tief in die Kissen zurück und schloss meine Augen; so entging ihr der Schimmer des Hasses in meinem Blick.

      „Ich habe Schmerzen", wisperte ich.

      „Wo? Wo?" Ganz sicher würde sie vor mir sterben.

      Mit einer kraftlosen Gebärde deutete ich auf mein Herz.

      „Hier schmerzt es", und erschöpft ließ ich den Arm auf die goldene Decke sinken.

      Sie hantierte in meinen Arzneifläschchen herum und fand endlich eine rosa Pille, die sie mir zwischen die Lippen schob.

      „Hier, Liebes", bettelte sie. Dann hielt sie inne und betrachtete aufmerksam mein Gesicht. „Du bist sehr blass." Sie sprach mehr zu sich selbst als zu mir.

      „Ja", fuhr sie fort, „wir werden es tun müssen. Ich hasse die Situation, die dadurch entsteht, und doch ist es die beste Lösung."

      Ich öffnete meine Augen.

      „Was willst du tun?" Mir antun, hatte ich fragen wollen, aber es blieb unausgesprochen, ebenso wie die Frage: Hast du mir denn nicht schon genug angetan?

      „Du wirst eine persönliche Pflegerin bekommen, Amelie. Eine, die Tag und Nacht um dich ist. Es erschreckt mich, dich auch nur eine Minute allein zu lassen. Wir müssen jemanden haben, der immer genau weiß, was im Moment zu tun ist."

      Nein - darauf bestand ich weiterhin, denn über dieses Thema hatten wir schon gesprochen. Ich wollte keine Fremde, die mich ständig auf weißen Schuhen umschwebte. Ich schätzte die halben Stunden, die ich noch allein sein durfte. Ich wusste, mit einer tüchtigen, sterilen Person immer um mich herum würde der selbstgeschaffene goldene Glanz des Todes verblassen. Nichts bliebe als das alltägliche Geschäft eines Krankenhaustodes.

      Ich bereute meine kindische Szene von vorhin.

      „Ich fühle mich wieder besser, Mutter. Bitte, ich brauche keine Pflegerin. Eine Pflegerin würde mich nur kränker machen. Sie würde auf Zehenspitzen herumgehen und die Vorhänge geschlossen halten. Eine Pflegerin würde mich ersticken...“, und ich begann, bittere Tränen zu weinen.

      Zum ersten Mal seit Monaten dachte ich an die Hilflosigkeit meiner Lage, und mein Gesicht war nass von Tränen. Mutter wischte mir die Stirn. Wäre doch Vater an ihrer Stelle und trocknete meine Tränen und verspräche mir, dass keine Pflegerin käme.

      Als mich Mutter nach diesem Ausbruch verließ - sie glaubte, ich schliefe -, war ihr Mund eine dünne Linie.

      Endlich schlief ich doch ein, und als ich viel später wieder erwachte, sah ich, wie sich eine unbekannte Person an den Vorhängen zu schaffen machte. Das hatte ich vermutet. Aber sie zog die Vorhänge auf, und Sonnenlicht flutete durch die Fenster und zeigte mir das dunkelrote Haar und die volle Figur meiner Besucherin.

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