Die alten Götter. Luci van Org

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Die alten Götter - Luci van Org

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is’ man höchstens …“

      „Ne arme Sau“, stellte Wotan betreten fest. Und ihm war anzumerken, dass er sich mit einem Mal ein wenig schämte.

      „Phh“, schnaufte Mimir abfällig, weil ihm so viel Mitgefühl nun wirklich zu weit ging, „Drei Weltreligionen, Mann! Is halt der Preis des Ruhms. Wer das eine hat, muss das andere mögen!“

      „Aber ne Woche heulen, wenn Michael Jackson stirbt!“

      „Phh.“

      „Nich’, dass Jehova auch so endet.“

      „Oder wie Amy Winehouse …“

      „Oder wie Rex Gildo!“

      „Jetzt reicht’s aber, Allvater! Da is ja Weichei noch besser!“

      Doch auch, wenn Wotan sich jetzt noch ein wenig mehr schämte – wegen seiner Frechheit dem armen Jehova gegenüber und noch mehr, weil er ganz offensichtlich tausendsechshundert Jahre lang der miesesten aller Lügen aufgesessen war – dass er mit einem Mal wusste, was er zu tun hatte, erfüllte ihn mit Freude und auch ein wenig mit Stolz.

      „Und du glaubst wirklich, das hilft?“

      „In allen Ratgebern steht, dass man unnachgiebig sein soll. Einfach durchziehen das Ganze, auch wenn’s schwerfällt.“ Mit grimmiger Miene stopfte Wotan den Bong der Marke „Power Tower“ und Jehovas Gras-Vorräte für die kommende Woche in zwei große, blaue Müllsäcke. Wovon der Wüstengott nichts mitbekam, weil er tief und fest schlief unter seinem Federbett.

      Er schlummerte noch immer, als Frija mit einem Ruck beide Vorhänge beiseite zog. Explosionsartig pufften dicke, mehlige Staubwolken links und rechts neben dem dreckstarrenden Fenster aus den Gardinenfalten, mischten sich in der Luft des Gästezimmers mit den Qualmschwaden zu gräulich-weißem Nebel.

      Darin eingehüllt Heimdall, göttlicher Wächter der Welten und Virtuose des mächtigen Gjallarhorns, dessen dröhnender Klang die Asen für gewöhnlich vor ungebetenen Eindringen warnte, hoch oben auf der Regenbogenbrücke zwischen Midgard und Asgard.

      Heute allerdings stand Heimdall ausnahmsweise mal direkt an Jehovas Kopfende.

      Der Flur im dritten Stock des Jobcenters Berlin-Tempelhof-Schöneberg war überfüllt. Wie immer kurz vor Feierabend, obwohl jedes Mal alle so taten, als hätte man das nun wirklich nicht absehen können.

      Dass aber Kadir und Christoph Unterhuber, Sachbearbeiter für Arbeitssuchende mit den Anfangsbuchstaben I bis J beziehungsweise N bis O einander durch die offenen Bürotüren wissend zugrinsten, hatte einen anderen Grund.

      Kadir und Christoph taten das, weil sie sich liebten. Und weil der Typ vor Kadirs Schreibtisch schon der dritte Irre in dieser Woche war, der behauptete, Gott zu sein.

      „Nicht Gott! Ein Gott. Das ist schon ein ziemlicher Unterschied“, merkte nun die weibliche Hälfte des Ehepaares an, das den Irren begleitete. „Ein Wüstengott, genau genommen.“

      Kadir nickte langmütig und Christoph unterdrückte ein Grinsen. Denn aus welcher Anstalt auch immer diese drei entlaufen waren, sie schienen wenigstens höflich und zurückhaltend und damit eher ein Spaß als gefährlich zu sein. Und, was „Gott“ anging, sogar ziemlich ansehnlich. Ein schmales, markant geschnittenes Gesicht mit hohen Wangenknochen, der Körper wohlproportioniert und feingliedrig, die hüftlangen Locken dunkelbraun glänzend. An der rechten Schläfe standen sie allerdings wirr wie ein Ball Zuckerwatte vom Kopf ab, weil der Gestörte sich ständig sein Ohr rieb. „Krasser Penner, ey, sag isch dir, Alter!“, murmelte er dabei in sich hinein.

      „Kleines … Lärmtrauma“, erklärte sein männlicher Begleiter. „Ein Onkel von ihm spielt Trompete, wissen Sie.“

      Prüfend musterte Christoph Unterhuber Kadirs neuen Klienten. Ganz schön blass war der auf den zweiten Blick, die tiefschwarzen, eigentlich sehr apart mandelförmigen Augen gerötet, seine aufgeworfenen, auffällig wohlgeformten Lippen trocken.

      Hoffentlich fängste dir nichts ein von dem, tippte Christoph in seine Tastatur und schickte die Nachricht auf Kadirs Rechner. Wieder ein Grinsen.

      „Irgendwelche Nachweise über Ausbildungen, Abschlüsse, weitere Qualifikationen?“

      „Fick … Fickationen, ey? Schwul oder was?!“

      Kadir Unterhuber war ein freundlicher und auch eigentlich sehr beherrschter Mensch – aber er hatte Grenzen!

      „Unser Freund, er meint das nicht so. Wissen Sie, das hat nur was … mit seinem mangelnden Selbstbewusstsein zu tun. Deshalb sind wir ja hier.“

      Trotzdem bedeckte Christoph Unterhuber nun seine Ohren mit den Handflächen, obwohl der Schreibtisch seines geliebten Mannes gut sechs Meter entfernt stand.

      „JA! ICH – BIN – SCHWUL! WAS DAGEGEN?!“

      Das Gemurmel im Gang war schlagartig verstummt. Auch „Gottes“ Begleitung und dem Irren selbst hatte es die Sprache verschlagen. Stille.

      Bis Kadir Unterhuber sich ungerührt von seinem Stuhl erhob: „Ich denke“, tröpfelte es beißend wie Säure von seinen geschürzten Lippen, „Ich denke, Sie machen erst einmal einen Kurs für angemessene Ausdrucksweise. Und übrigens.“ Eisig grinsend beugte er sich zu „Gott“ herunter und senkte seine Stimme: „Die, die’s am heftigsten abstreiten, haben immer am meisten zu verbergen. Ich seh’ doch auf tausend Meter, dass Sie ne Schrankschwester sind!“

      „Schrank … was?“, stotterten der Irre und sein Kumpel gleichermaßen verwundert.

      „Schrankschwester“, wiederholte die Frau und Christoph konnte sehen, dass sie ein Grinsen unterdrückte, „Ein nicht gerade charmantes Wort für …“

      „Für einen Homo, der Angst hat zuzugeben, dass er n’ Homo is’ und deshalb so tut, als wäre er die Ober-Hete!“, rief Christoph genüsslich hinüber, so laut, dass alle auf dem Gang sich umdrehten. „Weil er denkt, dass so keiner was mitkriegt.“

      „Solche Typen“, ergänzte Kadir voll gespielten Mitleids, „Solche Typen enden ja meist entsetzlich tragisch. Fahren in ihrer Verzweiflung mit dem Auto gegen einen Baum, wie Jörg Haider, oder stürzen sich aus dem Fenster, wie Rex Gildo.“

      „ACH DU SCHEISSE!“ Wie vom Blitz getroffen schlug „Gottes“ Begleiter sich an die Stirn „Und ich sach’s noch! Rex Gildo!“

      „Rex Dildo, ey? Krass schwule Scheiße, Alter!“

      „Nu reicht’s aber! Du springst mir nich’ aus’m Fenster! Hast du gehört?!“

      Und während „Gott“ sich nun zur Abwechslung beide Ohren rieb vom Gebrüll seines Freundes, drehte dieser sich mit vorwurfsvoller Miene zu seiner Frau um: „Du hast das die ganze Zeit gewusst, oder?! Seit tausendsechshundert Jahren! Ich meine, du hättest doch wenigstens mal ne Andeutung …!“

      Die Miene der Angesprochenen verfinsterte sich.

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