Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea. Hans-Peter Schwintowski
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Für eine effizientere Konzernlenkung[30] bietet sich insbesondere das monistische System an. Anders als beim weisungsunabhängigen Vorstand kann hier die auf die Konzernspitze ausgerichtete Leitung leichter durchgesetzt werden als beim dualistischen System der AG.
5. Reorganisation des Europa-Konzerns von Unternehmen aus einem Drittstaat
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Für Unternehmen aus Drittstaaten wie bspw. den USA, Japan oder China, die in Europa durch mehrere Tochtergesellschaften präsent sind, bietet die SE-VO neue Reorganisationsmöglichkeiten.
5.1 Errichtung einer SE als Zwischenholding
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Die Gründung einer Holding-SE, in die sämtliche Anteile an den Tochtergesellschaften eingebracht werden, bietet die Möglichkeit, diese Tochtergesellschaften der einheitlichen Leitung einer europäischen Zwischenholding zu unterstellen. Dadurch können die Aktivitäten des Drittstaat-Unternehmens auf europäischer Ebene besser koordiniert werden. Zudem hat die Holding-SE den Vorteil der Mobilität durch die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Sitzverlegung.
5.2 Verschmelzung sämtlicher Tochtergesellschaften auf eine SE
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Durch die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Verschmelzung ist das Drittstaat-Unternehmen in der Lage, sämtliche europäischen Tochtergesellschaften auf eine einzige SE zu verschmelzen. Die Betriebe der ehemaligen Tochtergesellschaften bestehen dann als ausländische Niederlassungen fort. Diese Umstrukturierung führt zur Einsparung von Leitungsebenen und weiteren Kosten wie Jahresabschluss- und Hauptversammlungskosten. Sie kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn die einzelnen Tochtergesellschaften nicht aus Gründen der Haftungsabschottung als selbständige Rechtssubjekte erhalten bleiben sollen; durch die Verschmelzungswirkungen würden nämlich sämtliche Verbindlichkeiten auf die neue SE übergehen. Darüber hinaus könnte es zu nachteiligen steuerlichen Auswirkungen[31] kommen, wenn einzelne ausländische Niederlassungen später veräußert werden sollen, da diese Veräußerung dann nicht mehr im Wege eines share deal, sondern nur noch durch einen asset deal möglich ist.
6. Umstellung einer dualistischen AG auf das monistische System
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Soweit eine AG seit mindestens zwei Jahren eine Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat hat, kann sie in eine SE umgewandelt werden.[32] Im Rahmen ihrer Organisationsverfassung kann die SE das monistische System wählen, auch wenn es sich bei ihr bisher um eine dualistisch strukturierte AG gehandelt hat. Damit kann für die umgewandelte Gesellschaft die Flexibilität des monistischen Systems genutzt werden, was sich wegen der umfangreicheren Weisungsmöglichkeiten beispielsweise für konzernabhängige Gesellschaften anbieten kann. Aber auch bei großen deutschen Konzernobergesellschaften sind in der Vergangenheit Bestrebungen zu beobachten gewesen, die Stellung des Vorstandsvorsitzenden zu stärken und dem CEO des anglo-amerikanischen Board-Systems anzugleichen, der zugleich die Stellung des Chairman of the Board innehat. Schließlich kann die Umwandlung in eine monistische SE die Attraktivität des Unternehmens für ausländische Kapitalanleger erhöhen, die regelmäßig mit dem monistischen System besser vertraut sind; dies ist insbesondere für Unternehmen interessant, die eine Börsennotierung – beispielsweise im Rahmen eines dual listing – in London oder New York anstreben.
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In Deutschland dürfte diese Umwandlungsmaßnahme freilich für eine mitbestimmte AG nicht interessant sein, da auf diese Weise die Mitbestimmung von dem ausschließlich mit Aufsichtsaufgaben befassten Aufsichtsrat auf den für die Leitung der SE verantwortlichen Verwaltungsrat übertragen würde.
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Geht es bei der Umwandlung allein um die Organisationsverfassung, ist aus rein nationaler Sicht, die die übrigen Vorteile der SE außer Betracht lässt, die GmbH der SE überlegen, da sie mangels aktienrechtlicher Satzungsstrenge flexibler ist. Dies gilt allerdings nur so lange, wie die aktienrechtlichen Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung und der Übertragbarkeit der Aktien sowie die Optionen des Kapitalmarkts im konkreten Fall keine Bedeutung haben.
7.1 Chancen der Verhandlungslösung
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Bei Errichtung einer SE kann im Wege der Verhandlungslösung eine Reduzierung bzw. Veränderung des Mitbestimmungsniveaus erreicht werden. Dazu ist freilich wegen des Schutzes vorhandener Rechte durch das Vorher-Nachher-Prinzip die Mitwirkung und Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer erforderlich. Zwar mögen Zweifel berechtigt sein, ob die Verhandlungen angesichts des Bestandsschutzes wirklich zu einer Flexibilisierung oder gar Reduzierung der Mitbestimmung führen können, doch bestehen angesichts des zunehmenden globalen Wettbewerbs durchaus gute Gründe dafür, dass die Arbeitnehmervertretungen sich einer Flexibilisierung im Interesse des Wirtschaftsstandorts Deutschland nicht vollständig verschließen sollten.
7.2 Beseitigung der Mitbestimmung durch Verschmelzung
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Die Verschmelzung mit einer ausländischen AG kann nur dann gesichert zur Beseitigung der vorhandenen Mitbestimmung führen, wenn in den beteiligten deutschen Unternehmen weniger als 25 % der Belegschaftsmitglieder der neuen SE beschäftigt sind. Nur in diesem Fall greift nicht zwingend die nationale Auffangregelung.[33]
7.3 „Einfrieren“ der Mitbestimmung durch Umwandlung
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Im Falle der Umwandlung einer deutschen AG in eine SE bleibt grundsätzlich mindestens das vorhandene Mitbestimmungsniveau erhalten. Nur wenn der Aufsichtsrat der AG nicht mitbestimmt ist, ist eine Vereinbarung möglich, keine Mitbestimmung einzuführen. Droht die Einführung der Mitbestimmung bzw. eines höheren Niveaus der Mitbestimmung durch das Überschreiten der einschlägigen Schwellen von 500[34] bzw. 2 000[35] Arbeitnehmern, kann die Einführung bzw. Verschärfung der Mitbestimmung dadurch verhindert werden, dass die AG rechtzeitig in eine SE umgewandelt wird. Ist dort die Mitbestimmung einmal vereinbart, löst allein das Überschreiten der Arbeitnehmerschwellen durch Neueinstellungen