Der Waldläufer. Gabriel Ferry

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Der Waldläufer - Gabriel  Ferry

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dieses Dramas, von dem die beiden falben Darsteller schon den Prolog brüllten.

      9. Die Jaguartöter

      Beim Licht des Feuers, das Benito sparsam unterhielt, konnte man bemerken, wie Don Estévan mit den Bewegungen seines Körpers der Richtung folgte, in der das Brüllen sich links hören ließ. Er hatte die ruhige Miene eines Jägers, der auf die Erscheinung eines Rehbocks lauert.

      Tiburcio fühlte beim Anblick des spanischen Führers jene Aufregung in sich, die die Gefahr in gewissen energischen Charakteren hervorbringt. Aber sein Dolch war die einzige Waffe, die er besaß. Er warf einen raschen Blick auf das Doppelgewehr des Senators, von dem dieser einen Gebrauch machen sollte, der verderblicher für seine Gefährten als für die Jaguare ausfallen konnte. Nach dem krampfhaften Zittern seiner Hand zu urteilen, mußte sein Auge verdunkelt genug sein, um das Ziel zu verfehlen.

      Der Senator wieder warf seinerseits einen neidischen Blick auf die Stellung, die Tiburcio nun mitten in der Gruppe einnahm, die von den beiden Gefährten Benitos, dem alten Vaquero selbst, Baraja und Cuchillo gebildet wurde.

      Tiburcio bemerkte einen solchen Blick. »Herr Senator«, sagte er zu ihm, »es schickt sich wohl nicht, daß Ihr ein so kostbares Leben wie das Eure so aufs Spiel setzt. Ihr habt Verwandte, eine edle Familie; ich habe niemand, der mich beweinen wird.«

      »Die Wahrheit ist«, erwiderte der Senator, »daß, wenn die anderen auf mein Leben nur halb soviel Wert legen, als ich es tue, mein Tod ihnen einen schrecklichen Kummer verursachen wird.«

      »Nun, dann wollen wir die Plätze wechseln; gebt mir dieses Gewehr, und ich werde mit meinem Leib ein Wall für Euch sein gegen die Tatze und den Zahn des Jaguars.«

      Dieser Versuch Tiburcios geschah in dem Augenblick, als die hohlen Stimmen des wilden Paares noch abwechselnd ertönten. Aber plötzlich vereinten sich beide zu einem Brüllduett, das den Widerhall zerriß und die Luft über den Gipfeln der Bäume durchzitterte. Unter dem Eindruck dieses furchtbaren Stückes wurde der von Tiburcio vorgeschlagene Tausch angenommen. Der Senator nahm seinen Platz ein, während jener mit funkelnden Augen und zusammengepreßten Lippen einige Schritte vor die Gruppe trat und, das Gewehr im Anschlag, den unvermeidlichen Angriff eines der beiden Jaguare erwartete.

      Don Estévan und er schienen unbeweglich und unerschütterlich wie zwei Statuen. Der ungleiche Widerschein erleuchtete diese so seltsam vom Zufall zusammengeführten Männer, von denen keiner dem anderen – weder an Stolz noch an Mut – nachstand.

      Der Augenblick wurde immer entscheidender. Die beiden Jaguare befanden sich nun ihren würdigen Gegnern gegenüber. Die Glut der Feuerstelle warf kaum noch einen bleichen Widerschein umher. Indes sollte ein neues Ereignis bald die Lage der Dinge verändern. Um dieses begreiflich zu machen, ist es nötig, genau die Stellung der Männer und die örtlichen Verhältnisse anzugeben.

      Wir haben schon erwähnt, daß das Lager in einem Raum aufgeschlagen war, der sich zwischen der Baumeinfassung des kleinen Tals, wo die Poza gegraben war, und dem Saum eines Waldes befand, der von dem Weg, der zur Hacienda del Venado führte, durchschnitten wurde. Gerade den Mittelpunkt dieses Raumes hatte man zum Lagerplatz gewählt, doch näher der Zisterne als dem Wald. Ziemlich hohe Eisenholzgebüsche umgaben diese Lichtung an den beiden anderen Seiten. In der Richtung diesseits der Poza einerseits und jenseits des Waldsaums andererseits ließ sich das Brüllen vernehmen. An der ersten Seite befand sich Tiburcio, an der anderen Don Estévan; die Männergruppe war mitten zwischen beiden.

      In einem der Augenblicke fürchterlichen Schweigens, das alle Schrecken des Unbekannten birgt, ließ sich das klagende Geheul eines Schakals in einiger Entfernung jenseits der Hecke von Eisenholz hören; aber so traurig auch diese Art von Geschrei war, so erschien es doch wie eine sanfte Melodie im Vergleich mit dem Brüllen der Jaguare.

      »Ein Schakal wagt es, so nahe bei einem Jaguar zu kläffen? Das scheint mir sonderbar«, sagte der alte Vaquero leise.

      »Aber ich habe sagen hören, daß, wenn der Jaguar jagt, der Schakal ihm heulend folgt«, antwortete Tiburcio in demselben Ton.

      »Es ist etwas Wahres dran«, antwortete Benito; »aber der Schakal wagt nur, dicht beim Jaguar zu kläffen, wenn der letztere seine Beute zerreißt; es ist eine demütige Bitte, ihm seinen Teil davon übrigzulassen. Aber wenn der Jaguar auf der Jagd ist, so hütet er sich wohl, sich hören zu lassen, aus Furcht, selbst seine Beute zu werden. Es ist wirklich seltsam«, sagte noch einmal der alte Hirt, als ob er laut dächte; »aber, bei Gott, da ist ein zweiter Schakal auf dieser Seite!«

      Wirklich stieg derselbe klagende Ton, genauso abgemessen als der erste, langsam inmitten des Schweigens empor, und zwar in der entgegengesetzten Richtung. »Ich wiederhole«, nahm Benito das Wort: »Schakale würden nicht so keck sein, sich so zu verraten; das müssen zwei Wesen anderer Art sein, die sich nicht vor den Jaguaren fürchten.«

      »Welche meint Ihr?« fragte Tiburcio erstaunt.

      »Zwei menschliche Wesen; zwei kühne amerikanische Jäger; ich wette darauf.«

      »Zwei Jäger aus dem Norden, meint Ihr?«

      »Ja, sie allein sind mutig genug, auf diese gefährlichen Tiere des Nachts Jagd zu machen. Sie haben sich ohne Zweifel getrennt und gebrauchen ein besonderes Zeichen, um sich wieder zu vereinigen.«

      Indes mußten die beiden Jäger – wenn es wirklich solche waren – mit großer Vorsicht herankommen, denn man hörte nicht den geringsten Zweig brechen, nicht das kleinste Blättchen rauschen.

      »He, da am Feuer!« schrie plötzlich eine Stimme, ähnlich der der Matrosen, die sich in der Nacht anrufen: »Nos acostons; fürchtet euch nicht, und gebt nicht Feuer.« Die Stimme hatte einen fremdartigen Akzent, der teilweise die Voraussetzung des alten Vaqueros bestätigte; aber das sonderbare Aussehen des Mannes, der sich nun zeigte, machte endlich eine Gewißheit daraus.

      Es ist hier nicht der rechte Ort, die herkulische Gestalt und den bizarren Anzug des Ankommenden zu beschreiben; er wird eine zu hervorragende Rolle in dieser Erzählung spielen, als daß wir nicht später Gelegenheit haben sollten, sein Porträt zu entwerfen. Es wird hinreichen zu sagen, daß es eine Art Riese war, bewaffnet mit einer langen, schweren Büchse mit einem dicken sechseckigen Lauf.

      Das lebhafte Auge des amerikanischen Jägers hatte bald die ganze Gruppe überflogen und ruhte mit einigem Wohlgefallen auf Tiburcio. »Der Teufel hole euer Feuer!« sagte er in rauhem Ton, der aber nicht ohne Gutmütigkeit war. »Ihr macht uns seit zwei Stunden die beiden schönsten gefleckten Panther scheu, die jemals in diesen weiten Einöden gebrüllt haben.«

      »Scheu machen?« unterbrach Baraja. »Caramba, sie vergelten es uns wahrhaftig!«

      »Ihr werdet doch das da auslöschen, hoffe ich«, erwiderte der Jäger.

      »Unsere Feuer? Unseren einzigen Schutz?« schrie der Senator. »Denkt Ihr das wirklich?«

      »Euren einzigen Schutz?« wiederholte erstaunt der Amerikaner. Und er zählte mit dem Finger den ganzen Kreis. »Was?« nahm er wieder das Wort. »Acht Menschen haben nur ein Feuer zum Schutz gegen zwei armselige Jaguare? Ihr wollt Euch wohl über mich lustig machen!«

      »Wer seid Ihr denn?« fragte Don Estévan gebieterisch.

      »Ein Jäger, wie Ihr seht.«

      »Ein Jäger von was?«

      »Mein Gefährte und ich, wir jagen Ottern, Biber, Wölfe, Jaguare und Indianer – wie es sich eben trifft.«

      »Der Himmel schickt euch zu unserer Befreiung!«

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