Der Waldläufer. Gabriel Ferry

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Der Waldläufer - Gabriel  Ferry

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hoch genug am Himmel, um seine Strahlen bis auf den Grund des kleinen Tals zu werfen, in das sie hinabgestiegen waren, und im Vergleich mit dem lebhaften Licht, das ringsum glänzte, schien dieser dunkle Grund noch schwärzer zu sein. Kaum hätte das menschliche Auge die beiden Jäger unterscheiden können, die, die Büchse in der Hand, das Messer zwischen den Zähnen und ein Knie am Boden, die Rücken aneinandergelehnt hatten. Diese Stellung machte die Grundfläche des menschlichen Körpers breiter und gab ihnen mehr Halt, um nötigenfalls den ungestümen Angriff eines ihrer Gegner auffangen zu können, obgleich einer der Jäger – um die Wahrheit zu sagen – von einer Stärke schien, aufrecht, ohne zu wanken, den Anprall eines Löwen des Atlas zu ertragen. Dazu konnten sie auch Rücken an Rücken mit den Augen den ganzen Raum umspannen, den die Jaguare durchschreiten mußten, und somit eine beiderseitige Überraschung vermeiden.

      Nach einigen Minuten konnte die keuchende Gruppe der Zuschauer durch die Bäume zwei fahle Körper mit flammenden Augensternen bald springend, bald kriechend schlüpfen sehen; ihr Anblick – wenn man sich nicht schon daran gewöhnt hatte – war derart, daß das Herz des mutigsten Mannes zu Eis erstarrte. Geschmeidig wie Lianen, zeigten die beiden herankommenden Tiere vier strahlende Punkte; vier stets bewegte Feuerkugeln, ähnlich den Flocken, die die Waldluft auf die Blätter der Bäume Amerikas streut.

      Die im Tal verborgenen Jäger konnten noch nichts sehen; das einzige Zeichen der Annäherung ihrer Feinde war ein dumpfes, zorniges Knurren, das diesen Tieren beim Anblick und der Witterung der Menschen entschlüpft, und ein wonniger Schauer, den ihnen die Nähe der klaren Quelle der Poza erregte. Trotz der herankommenden Gefahr machte doch keiner der Jäger eine Bewegung, und eine bronzene Feldschlange auf ihrer Lafette konnte nicht fester liegen, als der Lauf ihrer Büchse in ihrer Hand erschien.

      Indessen hatten sie auch einen durchaus erprobten Mut oder ein blindes Vertrauen auf ihre Geschicklichkeit nötig, um so, ohne zu zittern, im Grund eines engen, von abschüssigen Rändern eingeschlossenen Tals, einen Kampf Leib gegen Leib – ohne Hoffnung auf Flucht – mit zwei Gegnern anzunehmen, die der Durst rasend machte und deren Wut durch eine Wunde, wenn sie nicht tödlich war, verzehnfacht werden mußte. Auf dem Grund dieses Tales mußten sie siegen oder sterben.

      10. Zwei Belastungszeugen

      Die Zuschauer des schrecklichen Kampfes, der beginnen sollte, sahen bald die Jaguare plötzlich anhalten wie Spürhunde, die stehen. Ein Brüllen getäuschter Hoffnung entwand sich ihrer Brust. Sie hatten eben zwei neue Feinde gewittert, die sie vorher noch nicht wahrgenommen hatten. Das wilde Paar war nur noch einige Schritte von der Zisterne entfernt. Einen Augenblick standen Männchen und Weibchen wie auf Verabredung still, streckten sich ihrer ganzen Länge nach aus, schlugen die Weichen mit dem Schweif und taten einen furchtbaren Satz, währenddessen sie förmlich über dem Erdboden zu schweben schienen.

      Ein Schuß, gefolgt von einem schrecklichen Brüllen, ließ sich im selben Augenblick hören. Einer der Jaguare, durch die Büchse eines der Jäger gleichsam im Flug getötet, überschlug sich in der Luft und fiel leblos auf den Grund des Tals. Der andere sprang hinein voll Wut und Kraft.

      Da gab es nun einen verwirrten Lärm von menschlichen Stimmen und von Gebrüll, als ob die beiden Jäger sich Leib gegen Leib mit ihren Gegnern auf dem Boden wälzten; dann folgte eine zweite Entladung, und ein letztes Brüllen – anfänglich hell und scharf, aber stufenweise abnehmend – beendete die kurze Szene, deren Zusammenhang die erschreckten Zuhörer nur erraten konnten.

      Dann erst, als der größere Jäger seine hohe Gestalt am Rand des Tals zeigte, liefen alle eifrig hinzu. »Seht«, sagte er zu ihnen, »was zwei Kentuckybüchsen und ein gutes Messer in den Händen vermögen, die an ihre Führung gewöhnt sind!«

      Aber die Dunkelheit hinderte sie anfangs, genau zu sehen, und erst nach einigen Minuten konnten sie die Leichname der beiden Jaguare auf der Erde ausgestreckt und den Jäger mit Namen Dormilon beschäftigt erblicken, einen langen Riß, der hinter dem Ohr begann, über die Schulter in einer breiten Furche weglief und oberhalb der Brust endete, mit kaltem Wasser zu baden.

      »Das tut nichts«, sagte Dormilon; »ein Messer ist besser als die schärfsten Krallen. Bitte – urteilt darüber, und schaut die tödliche Wunde!«

      Wirklich hatte die Schmarre, die er bekommen hatte, obgleich sie tief war, doch nur das Fleisch zerrissen, während einer der neben ihm liegenden Jaguare seine Eingeweide durch eine ungeheure, mehr als einen Fuß lange Wunde verlor. Das war der Gnadenstoß für das arme Tier gewesen, das durch eine Kugel nicht hatte getötet werden können. Was den anderen betrifft, so hatte das Blei des Jägers ihn so dicht am Gehirn getroffen, daß der Tod augenblicklich eingetreten war.

      »Gibt es nicht«, fragte Dormilon, »eine Hacienda nicht weit von hier, wo man zwei schöne Jaguarhäute und eine dritte von einem Puma verkaufen könnte?«

      »Gewiß«, antwortete Benito; »wir gehen selbst nach der Hacienda del Venado, die nur einige Meilen von hier liegt und wo ihr außer fünf Piastern, die man euch für jede Haut bezahlen wird, noch eine Belohnung von zehn anderen Piastern erhalten werdet.«

      »Was sagt ihr dazu, Kanadier? Wollen wir bis dahin?«

      »Ja, gewiß, fünfundvierzig Piaster lohnen die Mühe, und wenn wir einen Augenblick geschlafen haben, wollen wir uns auf den Weg nach der Hacienda machen. Aber ich meine, wir werden dort viel schneller ankommen als ihr, wenn ihr eure Pferde nicht wiederzubekommen sucht, von denen kein einziges zu eurer Verfügung steht.«

      »Seid unbesorgt um uns«, antwortete der alte Hirt; »es ist nicht das erstemal, daß ich Haufen von Pferden gesehen habe, wie sie, von einem tollen Schrecken ergriffen, sich so in die Wälder zerstreuten; aber ich habe mein erstes Handwerk nicht vergessen! Morgen, wenn die Sonne aufgeht, denke ich sie zurückgebracht zu haben, und mit Erlaubnis Don Estévans will ich meine zwei Gefährten nehmen und sogleich aufbrechen, sie wieder zu suchen.«

      Nichts hinderte jetzt mehr, daß man das Feuer für den Rest der Nacht wieder anzündete, denn die Sterne zeigten, daß es noch nicht einmal elf Uhr war. Man nahm also die letzten Vorbereitungen zum unterbrochenen Abendessen wieder auf. Die wieder angezündeten Kohlen verbreiteten aufs neue eine freundliche Helle; der Hammel entsandte einen appetitlichen Duft, als der Spanier und der Senator die beiden unerschrockenen Jäger, die ihnen einen Dienst erwiesen hatten, den man nicht wieder vergißt, zu sich einluden.

      »Kommt her«, sagte der Senator zu ihnen, »ihr braven Jäger, deren unverhoffte Hilfe und erprobte Unerschrockenheit wir so wohl zu würdigen wissen! Ein Stück Braten und ein Schluck katalonischer Wein werden nicht zuviel sein nach dem rauhen Werk, das ihr eben beendet habt.«

      »Oh«, sagte der älteste Jäger, indem er sich mit seiner athletischen Gestalt neben das Feuer stellte, »es ist keine große Sache, zwei armselige Tiere getötet zu haben. Wenn wir aus einem Kampf kämen mit einem Dutzend Indianern – Komantschen, Pawnees oder Sioux —, das möchte noch eher der Mühe wert sein, davon zu reden. In jedem Fall aber ist vor wie nach dem Kampf ein Stück Braten immer willkommen. Auf, Dormilon, komm auch herbei!« sagte er zuletzt zu seinem Kameraden.

      »Und Ihr auch, junger Mann!« sagte seinerseits der Spanier, indem er Tiburcio, der sich abseits hielt, ein Zeichen gab. »Wollt Ihr nicht die Gastfreundschaft teilen, die wir Euch wie diesen braven Jägern anbieten können?«

      Der junge Mann gehorchte der Einladung des Führers, und zum erstenmal erschien seine Gestalt in der strahlenden Helle des Feuers. Einen Augenblick schienen die Augen Don Estévans ihn mit ihrem Blick verschlingen zu wollen.

      Wirklich war auch das Gesicht Tiburcio Arellanos bemerkenswert. Obgleich es jetzt nur den Ausdruck einer ruhigen Melancholie zeigte, so waren doch die Adlernase mit den unruhigen Flügeln, schwarze, nicht sehr tief unter dicken Augenbrauen liegende Augen, ein olivenfarbiger Teint – den jedoch der schwarze

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