Der Sohn des Gaucho. Franz Treller

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Sohn des Gaucho - Franz Treller страница 8

Der Sohn des Gaucho - Franz Treller

Скачать книгу

am Leben sind?«

      »Gott ist gerecht!« sagte die Alte. »Glaubt es mir: Don Carlos wird kommen und die Räuber seines Eigentums, die Mörder seiner Mutter verjagen. Sie sind mir oft im Traum erschienen, die lieben Kinder, und haben mir zugelächelt. Ich habe mehr als einmal den alten Zauber meines Volkes befragt; ich weiß, sie leben und kommen eines Tages zurück. Gebe Gott, daß Antonio und ich sie noch mit unseren alten Augen sehen.«

      Während sie noch so beieinander standen und über ihre nächste Zukunft berieten, wurden Don Juan und Pati von den Dienern de Salis‘ zu einem kleinen, aus Balken gefügten Hause gebracht, das in der Sklavenzeit dazu gedient hatte, widerspenstige Neger zu züchtigen. Es lag an dem Waldsaum, der sich entlang des Parana dahinzog. Man stieß die beiden gefesselten Männer in den Raum, schlug die schwere Balkentür hinter ihnen zu und schob den Riegel vor.

      Juan und sein Gefährte sahen sich in einem halbdunklen Raum, der sein schwaches Licht nur durch einige hochgelegene, mit Eisenstäben vergitterte Luken erhielt. Sie sahen sich um. Kein Stuhl, kein Schemel, keine Bank war vorhanden; nichts als die nackten Wände, an denen hier und da eiserne Ketten mit Handschellen befestigt waren, und der kahle Erdboden bot sich ihren Blicken. In einer Ecke lag ein Haufen fast verfaulten Maisstrohs. Die Luken waren zu hoch angebracht, als daß sie hätten hinausschauen können.

      »Da säßen wir ganz hübsch in der Falle«, knurrte Pati.

      Der Gaucho antwortete nicht; er stand gegen eine der Wände gelehnt und war tief in Gedanken versunken. »Es ist kein Zweifel«, sagte er nach einer Weile. »Er war es. Ich habe diese Stimme nur einmal gehört, aber sie tönt mir noch heut in den Ohren. Du hast die Stimme doch auch wiedererkannt?« fragte er.

      »Der Estanciero ist der Mann in der Maske, der die Frau niederschoß«, sagte Pati, »es ist gar kein Zweifel.«

      »Es ist nicht auszudenken!« Der Gaucho begann ruhelos im Raum auf und ab zu gehen. »Die Frau und die Kinder des eigenen Bruders«, flüsterte er. »Man sollte es nicht glauben!« Er blieb vor dem Rotblonden stehen. »Es steht schlimm um unser Kind, Pati«, sagte er, »gegen einen solchen Feind können wir nicht kämpfen!«

      »Warum nicht, Don Juan?« fragte Pati. Die Gefangenschaft schien ihm weiter keine Sorgen zu machen.

      Der Gaucho ließ die Frage unbeantwortet; seine Gedanken waren schon weiter. »Eins haben wir jedenfalls erreicht«, sagte er, »wir wissen: der Junge ist ein de Salis, der Sprößling einer der ältesten Familien des Landes, der Erbe dieses Bodens hier. Es ist alles klar. Der Vater war gestorben, die Frau und die Kinder mußten aus dem Weg geräumt werden, um dem Wechselbalg, der mich zu schlagen wagte, zur Herrschaft zu verhelfen. Darum kamen die Mörder, die man dann für Unitarier ausgab, über das Wasser. Es sind aber zwei Erben. Wo mag der andere sein, der älteste? Wahrscheinlich längst irgendwo vermodert!«

      »Ich verstehe das alles nicht«, sagte Pati. »Wenn unser Kind der Erbe dieser Estancia ist, warum rufen wir dann nicht die Entscheidung Don Manuels an?«

      »Ja, das wäre einfach! Manches wäre einfach auf der Welt!« Der Gaucho winkte ab; er nahm seine Wanderung wieder auf. »Ich täusche mich da nicht mehr«, sagte er, »ich habe zuviel erfahren. Dieser Don Francisco ist der Freund des Diktators. Don Manuels Freunde können tun, was sie wollen. Wer weiß, vielleicht stand der verstorbene Bruder de Salis auf der gegnerischen Seite, und seine Beseitigung kam dem Herrn da oben gerade recht. Die Kinder Don Fernandos gelten als tot. Wer aber sind wir? Ich, ein einfacher Gaucho, du, ein Mann ohne Eltern und Heimat! Was denkst du, was geschähe, wenn wir jetzt, nach fast drei Jahren, aufträten und sagten: dies ist der Sohn Don Fernando de Salis‘! Erfährt dieser saubere Oheim hier von der Existenz des Kindes, ich bin überzeugt, wir können es nicht einmal schützen. Don Manuel ist allmächtig, und seine Freunde sind es auch. Nein, der kleine Junge ist als de Salis tot; nur ein Wunder kann ihn wieder zum Leben erwecken. Er wird wohl unser Kind bleiben müssen.«

      »Nun, Don Juan«, sagte Pati, »wir wollen ihn liebhaben und wollen ihn reich machen.«

      »Reich machen schwerlich«, sagte der Gaucho, »aber schützen wollen wir ihn, so gut wir können.« Er betrachtete aufmerksam die Wände und Luken, an der Tür blieb er stehen; die Handgelenke begannen ihm unter dem Druck der Fesseln zu schmerzen. »Was meinst du, Pati«, fragte er, »wirst du die Tür einstoßen können? Sie ist, wie ich bemerkt habe, mit einem Holzriegel verschlossen.«

      Der Mann vom La Plata lachte. Er hatte oft zum Staunen aller Hafenarbeiter spielend die schwersten Lasten bewältigt. »Ich glaube nicht, daß es schwer sein wird«, sagte er.

      »Kannst du deine Fesseln zerreißen?«

      »Ich denke schon«, sagte Pati, »aber ich möchte es noch nicht tun. Wir könnten noch Besuch bekommen.«

      Es war inzwischen fast dunkel in dem engen Raum geworden; ein Blick durch die Luken zeigte, daß bereits Sterne am Himmel standen.

      »Wir können nicht mehr warten«, sagte Juan. »Mich schmerzen die Handgelenke. Kommen wirklich noch Leute, werden wir die Arme vielleicht brauchen. Versuche, deine Hände freizumachen.«

      »Gut«, sagte Pati, »wie gesagt, ich glaube nicht, daß es schwierig ist.« Er ließ seine gewaltigen Muskeln spielen; sein Gesicht verzerrte sich vor Anstrengung, aber es währte kaum eine Minute, bis der Strick mit einem dumpfen Laut platzte.

      »Meine Anerkennung!« sagte Don Juan. »Nun befreie meine Hände.«

      Der Bootsmann rieb zunächst erst mal die seinen; es dauerte ein Weilchen, bis das Blut wieder richtig zirkulierte. Dann löste er mit ein paar Griffen den Strick, der die Hände des Gaucho auf dem Rücken zusammenschnürte.

      »So«, sagte Don Juan, seine Hände reibend, »nun gefällt mir der Aufenthalt hier schon besser. Schade, daß die Verpflegung zu wünschen übrig läßt. Wie ist es, mein Prinz aus Feuerland, wirst du bei Nacht auch das Kanu wiederfinden? Den Landweg möchte ich unter den veränderten Umständen erst recht nicht riskieren.«

      Das Kanu fände er jederzeit wieder, sagte Pati.

      »Ausgezeichnet«, versetzte der Gaucho. »Dann fehlt mir nur noch mein Lasso, mein Zaumzeug und mein Messer zu meinem Glück, und wenn es angeht, auch noch Sattel und Karabiner.«

      »Wir werden uns holen, was wir brauchen«, sagte Pati gleichmütig.

      »Ja, und die ganze Estancia in Aufruhr versetzen«, knurrte Don Juan, »und uns ein Dutzend dieser verwünschten Vaqueros auf den Hals hetzen! Na, laß uns nur erst auf dem Fluß sein, dann werden wir weitersehen. Komm, mein Goldsohn, heb mich doch mal zu einem dieser Luftlöcher hoch, ich möchte ein bißchen Umschau halten.«

      Pati hob den Gaucho hoch, als sei er ein Kind, und Juan sah zuerst zum Parana hinüber; er hatte sich die Lage des Blockhauses genau gemerkt, bevor man sie einsperrte. Er vermochte aber außer dem schattenhaft sich hinziehenden Waldsaum nichts zu erblicken. Auf der anderen Seite standen, wie an dem Lichtschein zu erkennen war, im Feld verstreut einzelne Häuser, dahinter sah er die erleuchteten Fenster des Herrenhauses; ein lebendiges Wesen war nirgends zu erkennen.

      »Wie wär‘s, wenn du versuchtest, zwei von diesen Ketten hier loszubrechen«, sagte er, nachdem er wieder auf dem Boden stand, »sie würden eine gute Waffe abgeben, und wir wissen noch nicht, was kommt.«

      Der Gaucho schien der Meinung, daß Patis Händen kein Werk unmöglich sei, und tatsächlich hatte er sich auch diesmal nicht getäuscht. Mit einiger Mühe gelang es dem Rotkopf, zwei Ketten aus ihren Verankerungen zu lösen. »Jetzt ist mir bedeutend wohler«, sagte der Gaucho befriedigt und wog das schwere Eisen in der Hand. »Aber noch. ist es zu früh, einen Spaziergang ins Freie zu unternehmen«,

Скачать книгу