Onnen Visser. Sophie Worishoffer

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Onnen Visser - Sophie  Worishoffer

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Erdboden einem Gemälde, das alle Beschauer entzückte, wenn auch in sehr verschiedener Weise.

      »Endlich lebende Wesen!« rief Monsieur Renard, »es war hohe Zeit. Eine Art von Verzweiflung hatte sich meiner bemächtigt.«

      Hinter ihm krachte ein Schuß und der Leithirsch sprang hoch in die Luft, er taumelte, überschlug sich und stürzte, während seine Genossen mit wilder Hast zur Rechten und Linken an ihm vorüberstürmten, nur darauf bedacht, das eigene gefährdete Leben zu retten, unbekümmert um ihr Oberhaupt, dessen letztes Röcheln das laute Siegesgeschrei der Franzosen gewaltig übertönte.

      »Zur Jagd! zur Jagd! Kein Tier darf lebend davonkommen.«

      Monsieur Renard wandte lächelnd den Blick. Als echter Sohn seines Landes hatte er für das Großartige, Fremde dieser Moorlandschaft, dieser todesstillen Einöde kein Verständnis, er brauchte Lärm und wechselnde Bilder, um der inneren Langeweile zu entgehen; eine Jagd war dazu gerade das rechte Mittel.

      »Drauf, meine Kinder!« rief er. »Holt sie! holt sie!«

      Der Emdener Ratsschreiber auf seinem harten Sitz ballte verstohlen die Faust. »Schandbuben!« dachte er, »Raubgesindel! Da wird alles abgeschlachtet, was gut schmeckt! O die armen Tiere! – Unser schönes Rotwild!«

      Aber laut durfte er nichts sagen; die Franzosen verfolgten mit Ungestüm, ohne alle Rücksicht auf die Gesetze der Jagd das fliehende Wild. In weniger als einer Viertelstunde hatten ihre Büchsenkugeln die schutzlosen Hirsche und Kälber ereilt; durcheinanderschwatzend und lachend weideten sie dieselben aus, schnitten das Fleisch ab und beluden sich jeder mit dem, was er schleppen konnte. Breite Blutlachen bezeichneten die Stelle, an der noch vor einer Stunde das Wild so ruhig lagerte.

      »Heda!« rief der Offizier zu dem Insassen des Gepäckwagen hinüber, »kommt denn nicht bald ein Dorf, Herr? – Man möchte essen.«

      Der Ratsschreiber lächelte verstohlen. »Das Dorf kommt«, antwortete er, »aber ob sich große Vorräte finden werden, das ist eine andere Frage.«

      Ein mißtrauischer Blick traf sein Gesicht, dann ritt der Offizier schweigend weiter, bis sich nach und nach in einiger Entfernung ein dichter, dem Boden entströmender Rauch bemerkbar machte, ein Etwas, das den Atem beklemmte und Tränen in die Augen trieb.

      Monsieur Renard schnupperte. »Was ist denn nun das?« rief er. »Nirgends ein Haus und doch eine Feuersbrunst. Sapristi, wie das beißt!«

      Sämtliche Soldaten niesten und husteten. Der Qualm wurde immer ärger, bald sah man im dichten Rauche auch die Flammen und zwischen ihnen schwarze Gestalten, die mehr Kobolden oder bösen Geistern als Menschen von Fleisch und Blut glichen. Jeder dieser Leute hielt in den Händen eine langstielige eiserne Pfanne, mit der er kräftigen Schwunges die Feuerbrände nach allen Richtungen auf den Acker verteilte.

      Hände, Gesicht und Anzug geschwärzt, den Bart versengt und das Zeug zerlumpt, so erschienen die Moorbrenner vor den Franzosen, ohne von ihnen sonderlich Notiz zunehmen. Die armen Leute bearbeiteten mühsam den unfruchtbaren Boden, um da, wo die Flamme das Gestrüpp zerstört hatte, im nächsten Jahre Buchweizen säen zu können, sie schleuderten die Brände stumpfsinnig nach allen Seiten und schienen von dem fürchterlichen Rauche in keiner Weise belästigt zu werden.

      »Vorwärts! Vorwärts!« kommandierte Monsieur Renard. »Das ist nicht auszuhalten; ich will lieber vor dem Feinde stehen als hier. Sie da, Schreiber, wo bleibt denn schließlich das Dorf, he?«

      Der Emdener deutete mit erhobenem Arme nach links. »Da sehen Sie schon die Häuser, Herr Leutnant.«

      Monsieur Renard zog die Lorgnette hervor. »Das da?« rief er. »Beim Himmel, es ist eine Kolonie von Zwergen, die dort hausen muß. Lauter Hundehütten!«

      Doch dann sagte er: »Einerlei, einerlei – wo Menschen leben, da gibt es frisches Wasser, Eier, Butter, Gemüse, das Fleisch bringen wir ja schon mit.«

      Der Ratsschreiber lächelte wieder, aber er sprach kein Wort.

      Eine Gruppe von Hütten, regellos auf das Moor gestreut, trat allmählich immer klarer hervor. Aus Lehm erbaut, mit einem Binsendach versehen, glichen diese Wohnungen den Scheunen und Ställen, welche man heute noch bei besonders armen Landbewohnern trifft. Zwei kleine Fenster hingen windschief in der zerbröckelnden Wand, die Sparren standen zum Dache heraus, die Tür war niedrig und der Schornstein fehlte ganz. In einem Anbau, der unmittelbar an das einzige Gemach der trostlosen, mit grauer Erdfarbe überzogenen Behausung stieß, in einem lichtlosen schmutzigen Winkel grunzte ein Schwein, während einige zerzauste Schafe auf dem umgebenden Moor die wenigen dürren Halme suchten.

      Von Menschen war nichts zu sehen, selbst die Kinder, sonst überall zahlreich vertreten, schienen hier zu fehlen.

      Monsieur Renard ließ seine Leute halten, er wischte sich mit dem Taschentuche den Staub aus der Stirn.

      »Sucht einen Brunnen!« rief er ärgerlich.

      Der Ratsschreiber kletterte von seinem unbequemen Sitz, um sich wenigstens einen Augenblick zu strecken. »Herr Offizier«, sagte er, »Brunnen gibt es hier überhaupt nicht.«

      Der Offizier sah ihn groß an. »Mein Gott«, rief er ganz fassungslos, »was trinken denn die Leute?«

      Der Schreiber deutete auf eine Tonne, die vor dem nächsten Hause in den Boden gegraben war. »Regenwasser!« antwortete er. »Da ist die Zisterne.«

      Ein hölzerner Eimer hing an der Kette vom Querbalken herab und einer der Soldaten ließ ihn fallen um einen Trunk zu schöpfen, aber als das wenige Naß seinen Blicken begegnete, wich er schaudernd zurück. »Das ist doch kein Wasser!« rief er.

      Die Flüssigkeit war braun wie der Erdboden, undurchsichtig und mit allerlei kleinen treibenden Splittern und Halmen vermischt. Es schien unmöglich, diese dicke Suppe zu genießen.

      »Pfui!« rief der Franzose. »Sucht in den Häusern nach Bier oder Milch, Leute!«

      Die Franzosen öffneten sogleich alle Türen und durchforschten jede dieser elenden Hütten, während der Ratsschreiber den Offizieren alle mögliche Auskunft geben mußte.

      Nur einige kranke Personen oder kleinere Kinder wurden angetroffen. Der Fußboden in den Wohnungen bestand aus festgestampftem Lehm, die Möbel aus einem großen Strohlager, einem rohen hölzernen Tische und einigen Stühlen nebst Küchengerät. Keine Vorhänge verhüllten die Fenster, keine Blume blühte, kein Vogel sang – es waren Stätten der äußersten trostlosesten Armut

      »Was essen die Leute?« rief der Franzose, »was treiben sie? Mein Gott, das ist eine Stätte der Verdammnis!«

      Der Ratsschreiber nickte. »Viel besseres wirklich nicht«, gestand er seufzend. »Hier wohnt das ärmste Volk unseres Landes, häufig Gesindel, das schon mit dem Zuchthaus Bekanntschaft machte, verlaufene Strolche aller Art. Andere als nur solche würden aber in einem Moordorfe nicht leben wollen, weil doch der Aufenthalt zu unerträglich ist. Die Leute haben ihren Buchweizen und ihr Schwein – mißrät der erstere und stirbt das letztere, so sieht die Hungersnot zur Tür hinein.«

      Monsieur Renard schüttelte sich. Er ließ die Soldaten wieder antreten und tröstete sie im Hinblick auf das Fehndorf, welches ja bald erreicht sein werde. »Wo doch nur die Bewohner sind?« sagte er kopfschüttelnd. »Es ist alles wie ausgestorben.« »Die Männer haben Sie beim Moorbrennen gesehen«, antwortete der Schreiber, »die Frauen handeln in den Städten mit Besen; ihre kleinen Kinder tragen sie dabei im Tuche, die größeren müssen nebenherlaufen.«

      »Brr!

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