Onnen Visser. Sophie Worishoffer
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Er ging mit stolzen Schritten über das Verdeck. Wie angenehm, morgen früh gehorsamst melden zu können: »Hier habe ich die Schleichhändler abgefaßt!«
Einem weißen Vogel gleich schwebte die Schaluppe, mit den Wellen stürzend und fallend, über das Meer. Am Steuer stand Heye Wessel und lächelte sonderbar, ganz sonderbar – der siegessichere französische Leutnant würde mit einigem Befremden dies stillvergnügte, vor Behagen glänzende Antlitz betrachtet haben.
Weit hinter dem Kanonenboot, ganz im Dunkel, ganz auf der Seite lief geräuschlos die »Taube« durch das Wasser. Der Wind heulte und die Wogen sprühten hoch über Deck – auf den drei englischen Schiffen war jedes Licht erloschen.
Die Fahrt nach Norddeich ist nicht lang; bei günstigem Winde genügen drei Stunden. Mehr als einmal während dieser Zeit hatte der französische Leutnant die Schaluppe angerufen, aber niemals eine Antwort erhalten – sie flog voraus unter dem Druck aller Segel, unaufhaltsam, als könne nur die größte Eile sie retten.
Immer ärger polterte der Wind, immer tiefer senkte sich die Finsternis herab auf Wasser und Land. Es regnete, ein Haufen schwarzer Wetterwolken stand am Himmel – nur unter Aufbietung seiner ganzen Sehkraft vermochte es der Leutnant, das weiße Segel im Auge zu behalten.
Der Schmuggler hoffte höchstwahrscheinlich, in der Nähe der Küste das flachere Fahrwasser zu erreichen und dadurch den Weg des tiefer gehenden Kanonenbootes abzuschneiden. Mochte er doch! Eine Menge von Schaluppen lagen in der Nähe; es ließ sich leicht genug auf Booten die Jagd fortsetzen.
Immer weiter, immer weiter. Diese Nacht mußte eine glückliche genannt werden.
Vorsichtig, im Bogen umfuhr die »Taube« das Kanonenboot und die Schaluppe, mit weißen Flügeln an Norddeich vorüberstreifend, weiter hinaus, bis wohin der Lichtschein von der Landungsstelle nicht mehr reichte. Da schaukelten mehrere Boote und dunkle Gestalten harrten zusammengekauert der Dinge, die da kommen würden.
Als die »Taube« nahte, verschlang das Brausen der Wellen den dumpfen Laut, welchen der herabfallende Anker verursachte. Die tanzenden Boote schwammen heran, immer mehr Männer tauchten auf aus der Finsternis, Kiste nach Kiste glitt herab, wie Eidechsen kletterten die Seeleute an der Böschung des Deiches empor und nach einer halben Stunde war das Schiff vollständig ausgeräumt.
»Rasch«, ermahnte der Kapitän, »wir müssen nach Norderney zurück, ehe die Flut weicht. In vier Tagen sind wir wieder hier.«
»So Gott will!« antwortete einer der Männer.
»Wird‘s schon wollen, Freund. Hat ja bisher immer noch geholfen. Adjes!«
»Adjes, Visser – grüße den Heye Wessel!«
Sie lachten beide, und unbemerkt, wie es gekommen war, schlüpfte das schlanke Fahrzeug, jetzt, wo der Ballast fehlte, mit ausgevierten Seitenschwertern wieder hinaus in das undurchdringliche Dunkel.
Vor Norddeich war unterdessen die erste Schaluppe, der »Kampfhahn«, beim Landungsplatze angelangt, verfolgt von dem Kanonenboot, dessen Kommandeur sogleich die erforderlichen Maßregeln anordnete. Eine Kette von Booten, alle mit französischen Soldaten bemannt, umstellte das Schmugglerfahrzeug, während die »Hortense« demselben ihre eine Breitseite zugekehrt hielt und so jede Flucht zur Unmöglichkeit machte.
Heye Wessel lachte immer noch wohlgefällig in sich hinein. Der Riese nickte sogar, als er aus seiner Flasche eine Herzstärkung zu sich nahm, ganz vertraulich nach der Richtung des Kanonenbootes hinüber. »Prosit, Franzmann, wohl bekomm‘s!«
Als der Morgen anbrach, schickte der Leutnant einen Boten nach Norden, von wo bald darauf mehrere Offiziere und der Unterpräfekt zu Wagen ankamen. Jetzt lagen die Kisten an Bord des »Kampfhahn« offen im Sonnenschein und alle Franzosen rieben sich die Hände. Schiff und Ladung verfielen der Beschlagnahme.
Mehrere Wagen waren zur Stelle, eine Abteilung Soldaten hielt mit aufgepflanztem Gewehr das Schmugglerschiff besetzt und vorsichtig wurden die Kisten in bereitgehaltene Boote herabgelassen. Fünfundzwanzig an der Zahl – ein hübscher Fang!
Heye Wessel und Uve Mensinga befanden sich mit geschlossenen Händen an Bord des Kanonenbootes; jetzt begann, von dem Unterpräfekten geführt, ein genaues, peinliches Verhör.
»Das Schiff ist Ihr Eigentum, nicht wahr?«
»Ja«, nickte der Riese.
»Weshalb hielten Sie nicht an, als man Ihnen vom Bord des Kanonenbootes zurief? Sie hofften zu entkommen, nicht wahr?«
»Allerdings«, gestand sehr zerknirscht der arme Sünder.
»Weil Sie sich der Übertretung bewußt waren? Weil Sie die Strafe fürchteten?«
»Ja! Ach Gott, ja!«
»Nun, das ist immerhin ein ehrliches Geständnis. An welchen Ort gedachten Sie den Inhalt dieser Kisten ursprünglich zu bringen?«
Heye Wessel seufzte. »Ja, du lieber Gott!« zögerte er.
»Heraus damit! Schnell!«
»Na, wenn es denn durchaus sein muß – ich wollte ihn in Norden verkaufen!«
»Natürlich. Und Sie dachten unbemerkt im Schutze der Dunkelheit an Land zu kommen, nicht wahr?«
»Ja, eben.«
Der Protokollführer schrieb, daß es knisterte, der Leutnant ging stolz wie ein Spanier in der Kajüte auf und ab.
»So, das wäre alles«, meinte der Unterpräfekt, »Sie müssen jetzt das Blatt unterzeichnen, Schiffer Wessel. Aber halt, noch eins! Was befindet sich in den Kisten?«
Jetzt sah Heye Wessel von einem zum andern; sein Gesicht war harmlos wie das eines Kindes. »Was darin ist?« wiederholte er, »ja, wissen es denn die Herren noch nicht? Sand natürlich, sauberer weißer Sand von den Dünen. Die in Norden kaufen ihn zum Putzen und.«
»Kerl«, rief der Leutnant, »Kerl, wenn du noch ein einziges Wort hinzufügst, drehe ich dir den Hals um!«
Er sprang mit drei Sätzen hinab in das Boot und riß dem nächsten besten Arbeiter die eisenbeschlagene Schaufel aus der Hand. Ein wuchtiger Hieb spaltete den Deckel der obersten Kiste – es war Sand darin, nichts als Sand.
»Hölle und Teufel«, schrie der erboste Franzose, »das ist ein neuer Betrug!«
Und er wühlte und wühlte, bis ihm das Blut unter den Nägeln hervordrang. »Wie ein erzürntes Kaninchen!« dachte Heye Wessel.
Der Boden der Kiste kam zum Vorschein, aber es war weiter nichts darin als nur Sand. Die Franzosen erkannten jetzt wohl sämtlich den Stand der Dinge; sie flüsterten miteinander und zuckten die Achseln, dann empfahlen sich die fremden Herren so schnell als nur möglich, verfolgt von dem Spottlächeln der Erdarbeiter.
Unteroffizier Durand löste mit einem Messerschnitt die Bande an den Händen der beiden Schiffer, dann schüttelte er bedeutsam den Kopf. »Allerlei Spuk!« murmelte er. »Es ist mir an Bord der ›Hortense‹ schon lange nicht mehr geheuer.«
Der Leutnant ballte die Fäuste; er verzieh es dem lächelnden Schiffer nicht, ihn so blamiert zu haben. »Was hindert mich, dich auf dem Fleck niederzuschlagen, du Schuft?« rief er, halberstickt vom heftigsten Ärger.
Heye Wessel zog gemächlich