Onnen Visser. Sophie Worishoffer

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Onnen Visser - Sophie  Worishoffer

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großen Kabeljau in den Kasten, ein Ungeheuer, das der Schlammfischer gleich an Ort und Stelle schlachtete, um es nur mit sich führen zu können.

      Jede Reuse trug ihr Zeichen, das von den Buttjern unbedingt geachtet wurde. Wie Schatten, geräuschlos und mit Windeseile schossen sie im Nebel aneinander vorüber, keiner aber stahl dem anderen auch nur ein einziges jener kleinen silbernen Fischchen, die unter der Bezeichnung »Stinte« in den Handel kommen und die zu Tausenden in allen Rillen und Löchern umherzappelten.

      »Wie weit pflegst du zu gehen, Heinz?« fragte Onnen.

      »Bis zur Paap (Sandbank in der Ems). Dort liegt ein Langboot, das die Buttjer gemeinschaftlich halten.«

      »Und auf dem ihr mich mitnehmt nach Larrelt?«

      »Allstunds, junger Herr.«

      Die Flut mußte jetzt bald eintreten, schneller und schneller eilten der Schlammfischer und sein Kamerad über das Watt, dessen Nebel sich allmählich zu zerteilen begannen. Hell stand der Mond am nächtlichen Himmel, das Treiben auf dem Schlick beleuchtend, die Arbeit der emsig sammelnden Menschen und den Schmaus der Raubvögel, die mit dem fürlieb nahmen, was jenen zu gering erschien.

      Auch hier Kampf und Streit, Flügelschlagen und Schnabelhiebe, auch hier Feldgeschrei und heißes Ringen um den Platz an der großen Tafel, die Gott der Herr für jedes seiner Geschöpfe gedeckt hat und in erbarmender Liebe täglich neu mit Speise füllt. Aufatmend hielten zu beiden Seiten des tieferen Fahrwassers die Schlammfischer mit ihren hochbeladenen Kreien inne.

      Vor ihnen lag die Paap, eine öde, langgestreckte, bei tiefster Ebbe von den Meereswellen – die in den Emsfluß hineinströmen und ihn füllen – freigelassene Sandbank.

      Weit und breit war kein Boot zu entdecken.

      »Was beginnen wir Jetzt?« fragte etwas unruhig der Knabe. »Pst! Ich will es dir gleich erklären. Siehst du da auf dem Sande die großen, träge hingestreckten Tiere?«

      »Die Seehunde? Natürlich.«

      »Na, dann gib nur acht. Es sind jedenfalls Jäger hier und um ihretwillen ist unser Boot in der Entfernung geblieben.«

      Sie hielten sich eine Zeitlang vollkommen lautlos, dann zupfte der Buttjer seinen Genossen am Ärmel und deutete auf die Sandbank. »Jetzt gib acht, junger Herr!«

      An der anderen Seite der Paap erschienen in diesem Augenblick fünf oder sechs Männer, die sich sogleich mit lautem Geschrei und Armschwenken der Mitte näherten, wobei die scheuen Seehunde, aus ihrer behaglichen Ruhe aufgeschreckt, kopfüber in das Wasser schossen, gerade dadurch aber in die Hände ihrer Verfolger fielen.

      Sobald die großen plumpen Tiere verschwunden waren, erwachte rings umher neues Leben. Zwei Fischerboote kamen von rechts und links herbei; mit allen Kräften wurde ein großes, aus starkem Geflecht verfertigtes Netz zusammengezogen und aufgewunden.

      Unter dem Wasser schien ein gewaltiger Aufruhr zu toben. Die Wellen spritzten hoch hinauf gegen das Ufer, schäumten und brodelten, bewegten sich dermaßen, daß die Boote schaukelten; dann, nachdem ein ungeheures, von zwei Fahrzeugen zur Zeit der weichenden Flut ausgesegeltes Netz emporgehoben war, entstand eine plötzliche Stille. In den Maschen zappelten zwei große Seehunde.

      »Nur zwei!« rief Onnen. »Und wenigstens zwölf waren vorhanden.«

      »Das ist immerhin noch eine gute Jagd. Sehr, sehr häufig gelingt es sämtlichen Seehunden, nicht allein zu entkommen, sondern sogar auch das Netz zu zerreißen!«

      Die Fischer ruderten ihre beiden Boote nahe aneinander heran und fünf Männer brachten mit vereinten Kräften die gefangenen Tiere in den großen durchlöcherten Kasten, der wie ein zweites Boot hinter dem ersten durch das Wasser glitt.

      Von fernher näherte sich auch das Langboot der Buttjer und außerdem ein weißes Segel, das Heinz Thiedemann nicht gleich erkannte. »Ich glaube, es ist eine Schaluppe«, sagte er, »aber was will sie hier?«

      Onnen beobachtete scharf. »Die ›Taube‹!« rief er. »Mein Vater kommt, um mich abzuholen.«

      Die Flut rauschte auf, Kreien und Fischkörbe wurden in das Boot geschafft; von frischem Wind getrieben, kam die Schaluppe unter vollen Segeln heran. Heye Wessel hielt Wache am Steuer, er war nicht wenig erstaunt, den Sohn des Kapitäns hier in der Gesellschaft der Schlammfischer zu finden, dann aber lachte er, als ihm der Zusammenhang der Dinge erzählt wurde, recht behaglich und gab dem Buttjer ein reichliches Trinkgeld als Entschädigung für die gehabte Mühe.

      Onnens Abschied von seinem Retter war sehr herzlich; der arme Heinz hatte wohl lange keinen so guten Zug getan wie eben heute. Er schwenkte noch die Mütze, als schon die Schaluppe weit ausholte, um zu wenden und wieder in See zu gehen.

      Onnen suchte sein Lager, erzählte aber vorher dem aufhorchenden Riesen die Geschichte des letzten Tages, einschließlich des Abenteuers mit den beiden Unbekannten, welche auf so geschickte Weise den Paß erbeutet hatten.

      Heye Wessel dampfte ganze Wolken. »Muß doch ein tüchtiger Kerl sein, der Fremde«, meinte er, »einer, der sich nicht ins Bockshorn jagen läßt. Unser Paß für Poppinga und Sohn soll ihm übrigens wohl bekommen – wir hätten den Wisch doch nicht weiter brauchen können, er ist schon gar zu häufig und von den verschiedensten Leuten benutzt worden. Dein Monsieur Renard, der Schnüffler, hat ihn ohne Zweifel früher gesehen und wiedererkannt! – Gerade auf die Nase fiel er, der feine Herr?«

      »Gerade auf die Nase!« wiederholte Onnen, schon halb schlafend. »Ha, ha, ha, so sollen sie alle purzeln – alle!«

      3

      Über die öde braune Moorfläche, wo jetzt eine breite Landstraße von Emden nach Aurich führt, zog im Sonnenbrand eine Abteilung französischer Infanterie. Zwei Offiziere ritten voraus und hintendrein rumpelte schwerfällig ein Gepäckwagen, auf dem ein Schreiber des Präfekten, ein Emdener Kind, Platz genommen hatte, um den Franzosen als Dolmetscher zu dienen.

      Vor der kleinen Truppe und hinter derselben, überall dehnte sich das nackte unübersehbare Moor. Wie auf der offenen See bemerkte der Blick keinen noch so unbedeutenden Gegenstand, keine Erhöhung irgendeiner Art, überhaupt nichts als Luft und Erde, als eine pfadlose braune Wüste, von der sich das Auge beinahe mit Grauen abwandte.

      Lautlosen Fluges erhob sich dann und wann aus den tiefen schlammigen Rissen des Bodens eine Sumpfeule mit grauem Gefieder, Bekassinen schrien ihr heiseres »Rätsch! Rätsch!« oder eine Rohrdommel erhob klagend, ohne sich zu zeigen, die Stimme: »I prumb hu hu‹ i prumb hu hu!« – bis der Ton wie eine Totenklage die Herzen der Franzosen durchkältete.

      »Sapristi!« rief einer der Offiziere, »ob das noch dieselbe Erde ist, auf der Frankreich liegt? Man glaubt sich in den Vorhöfen der Hölle zu befinden.«

      Der andere nickte. »Dabei scheint jetzt noch die Sonne hell und warm vom Himmel herab, Monsieur Renard, aber nun lassen Sie es Winter werden, denken Sie sich die Luft grau wie den Boden, eisig kalt, den Wind pfeifend, ein tolles Schneetreiben vor sich herjagend – das Herz in der Brust müßte erstarren.«

      »I prumb hu hu! – I prumb hu hu!«

      Monsieur Renard riß die Pistole aus dem Sattel. »Wo ist der verfluchte Vogel?« rief er, »ich will ihm den Hals umdrehen!«

      »Halloh! halloh! – ein Rudel Hirsche!«

      Das Rotwild war aus einer Niederung, in der es lagerte, aufgeschreckt worden und stürmte nun vollen Laufes davon. Der Leithirsch

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