Alarm. Alfred Schirokauer

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Alarm - Alfred Schirokauer

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style="font-size:15px;">      Da schlug die große Standuhr in der Ecke mit ihrem herrlichen Orgeltone zehnmal. Angelita sprang empor. Stand vernichtet – verängstigt.

      »Ich – muß – fort«, stöhnte sie verzweifelt.

      Verwirrt fand er sich zurück aus der Qual der Loslösung von dem Mysterium seines Lebens und starrte sie ohne Verstehen an.

      »Ich muß fort«, wiederholte sie verstört. »Der Herzog darf nicht wissen, daß ich das Haus verlassen habe. Er ist fanatisch eifersüchtig.«

      Er war noch immer so verloren an den Entschluß, endlich zu sprechen, zu bekennen, daß er nicht begriff.

      »Ich muß vorsichtig sein«, klagte sie.

      »Warum gehst du nicht fort von ihm, wenn du ihn nicht liebst?« fragte er hart.

      »Wozu? Eine Ehe besteht nicht zwischen uns. Schon damals in Japan nicht mehr. Wo ich bin, ist doch gleich, wenn ich nicht bei dir bin. Wozu dann Skandal und Aufregungen, Erörterungen, Mißhelligkeiten?! Wozu? Alles ist doch so gleichgültig, wenn ich nicht mit dir leben darf. Alle diese Jahre habe ich nur für diese Stunde der Aufklärung gelebt.«

      Sie suchte mit den Augen ihren Pelz. Er holte ihn. Während er ihr beim Anlegen half, fragte er: »Wann kommst du wieder?«

      »Ich weiß es nicht. Sobald ich kann. Und dann – wirst du mir alles sagen?«

      Er nickte schwer.

      »Ich will es nicht in Eile und Hast hören, und dann mit deinem noch warmen Bekenntnis, der höchsten Gabe deiner Liebe und deines Vertrauens, davoneilen. Ich habe Jahre gewartet. Ich kann noch Tage warten. Ich habe dich nun ja gesehen und gefühlt und geatmet. Gute Nacht, du geliebter Mensch, der du mein Leben bist!«

      Da schrie er aufgewühlt auf, und Tränen stürzten ihm aus den Augen, zum ersten Male, seit er ein Mann geworden war.

      5

      Angelita war längst gegangen, hinaus in den triefenden gelben Nebel der Londoner Januarnacht. Sie duldete nicht, daß er sie begleitete.

      »Wir müssen vorsichtig sein, so lange ich die Herzogin Breton de Los Herreros bin«, lächelte sie traurig zum Abschied. »An der nächsten Ecke finde ich sicher eine Taxi – nein, laß keine holen.«

      Sie war gegangen. Die düstere Bibliothek war wieder leer und stumm, wie sie seit Jahren gewesen war. Doch anders – anders. Ihr Odem lebte zwischen den dunklen Wänden. Es war nicht mehr die Verzweiflungsstätte eines vergrämten, verlassenen Mannes, der sich heimlich in Sehnsucht und in spukhafter Erinnerung eines furchtbaren blutigen Tages seiner Vergangenheit aufrieb und zerfleischte. Die Gnade seines Lebens hatte nun dieses Zimmer, dieses Totenhaus geweiht und verklärt. Alles war anders geworden, geheiligt und neu belebt.

      Rutland saß wieder an dem Schreibtische vor den Papieren und Akten seines »Werkes«. Sein Gesicht war gelöst, die Schultern zuckten. Der Panzer seiner Züge und seiner Brust war geborsten. Er fühlte und wußte, hatte es voll Ohnmacht in jeder Sekunde ihrer Gegenwart empfunden, wie leblos, kalt, brutal und engstirnig er ihrem großen heißen Frauentume gegenüberstand und ihrer rückhaltlosen freien Menschlichkeit. Er schämte sich seiner schmerzlichen Unzulänglichkeit. Es war ihm unmöglich gewesen, gleich durch die eiserne Schicht – hart wie die Stahlplatten, die sein Werk fabrizierte —, die sein Gefühlsleben umpanzerte, hindurchzudringen. Er bekannte sich, daß er klein gewesen war, ihrer Größe, ihrem großzügigen Allesgewähren gegenüber – damals in Japan und heute wieder.

      Alle diese Jahre in diesem Hause hatte er nur dieses Wiedersehen erharrt, nur ihm gelebt, ohne Hoffnung, daß es je Wirklichkeit werden könne —, und als sie gekommen war, hatte die leichenhafte Vergangenheit wieder über die lebensvolle Gegenwart triumphiert.

      Er erhob sich und durchmaß den Raum.

      Sie hatte den Weg gewiesen. Er wollte ihn gehen.

      Er wollte beichten, ihr alles bekennen und erklären.

      Es würde für ihn eine Befreiung sein und für sie ein Begreifen. Ein tragisches, vielleicht vernichtendes. Sie würde dann einsehen, daß von allen Menschen dieser Erde er am unfähigsten war, in eine fremde Ehe hineinzugreifen, er am wenigsten dazu berechtigt war, ja, daß er vor sich und seinem Gewissen ein Recht auf Leben nur beanspruchen konnte, wenn ihm die Ehe das unantastbarste Heiligtum unter allem Heiligen dieser Welt war. Das würde sie dann begreifen und erkennen und sein lähmendes, entmannendes Entsetzen vor jedem leidenschaftsbetäubten Tasten an fremde Eherechte verstehen und nachempfinden.

      Ja, heute konnte er darüber sprechen. Heute vielleicht doch. Damals, in Tokio, stand er diesem eben erst erlebten Grauen noch zu nahe, damals bluteten noch alle Wunden. Doch jetzt lag das alles weit zurück, vieles war vernarbt. Jetzt wollte er ihr alles erläutern, erklären und bekennen. —

      Als Angelita in ihr Haus in Halkin Street, dicht hinter dem Schloßgarten des Buckingham-Palace, zurückkehrte, das sie mit allem Zierat und aller Behaglichkeit von dem Amtsvorgänger des Herzogs übernommen hatten, erwartete Breton sie bereits voller Eifersucht und schäumender Ungeduld.

      Sonst vermißten die Eheleute einander nicht, lebten fremd und unbeteiligt Seite an Seite dahin. Doch heute abend hatte der Herzog bei der Rückkehr von dem Chef nach seiner Gattin gefragt. Er hatte seine triftigen Gründe.

      Der Botschafter hatte seinem Ersten Rate nahegelegt, seine Besuche in der diplomatischen und gesellschaftlichen Welt möglichst zu beschleunigen, die Gegenvisiten würden sicher umgehend erfolgen, dann sollten er und die Herzogin ihre erste Festlichkeit veranstalten, um rasch in London und der »Society« warm zu werden.

      Aber dieser Wunsch des Botschafters, der ein Befehl an seinen Untergebenen bedeutete, hätte nicht unbedingt eine Aussprache der Ehegatten zu dieser Abendstunde erfordert. Im Laufe der politischen Debatte, die, nach diesem gesellschaftlichen Wink, zwischen den beiden spanischen Edelleuten einsetzte, überreichte der Chef dem Herzog ein Schreiben des Außenministers in Madrid, das wichtige diplomatische Anweisungen enthielt.

      »Lesen Sie es ruhig«, lächelte Seine Exzellenz, »wenn sich auch einige Bemerkungen über Ihre Gattin und Sie darin finden.«

      Breton las das umfangreiche amtliche Schreiben.

      Er lächelte geschmeichelt bei dem Passus: »Sie werden an dem Herzog eine vortreffliche Stütze finden. Er dürfte unser bester kommender Mann und Diplomat sein.«

      Er las mit Gleichgültigkeit die Worte: »Die reizende, geistvolle und intelligente Herzogin ist sicher ein Gewinn für unsere Vertretung in London. Sie dürfte neben Ihrer hochverehrten Gattin, liebe Exzellenz, die weibliche Anmut und Schönheit Spaniens vorteilhaft vertreten.«

      Er stutzte und beherrschte sich, wie er, der hervorragende Diplomat, sich überall beherrschte, außer in seinem Hause, außer seiner Frau gegenüber – ein Gehenlassen, eine Art Ausgleich, den er mit vielen Männern des öffentlichen Lebens teilte, als ihm aus diesem Briefe die Enthüllung einer kleinen politischen Intrigue entgegen sprang.

      »Übrigens wird die Duquesa sich in London sicher sehr wohl fühlen. Denn sie ist, wenn ich mich so ausdrücken darf, die Mutter der Idee, Breton nach London zu schicken. Wir hatten ihn wegen seines früheren längeren Aufenthaltes in Japan und der dort gesammelten Erfahrungen eigentlich für den ersten Posten in Tokio bestimmt. Aber que femme veut, dieu le veut.

      Seine Majestät bestimmte Breton für London – auf eine Anregung der Herzogin hin. Sie hatte auch mir davon gesprochen in ihrer feinen unmerklich verführerischen

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