Die Falkner vom Falkenhof. Zweiter Band.. von Adlersfeld-Ballestrem Eufemia
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Читать онлайн книгу Die Falkner vom Falkenhof. Zweiter Band. - von Adlersfeld-Ballestrem Eufemia страница 10
»Höre, Ramo, das ist ja eine recht unangenehme Entdeckung,« rief sie nach der ersten Pause des Erstaunens. »Wer weiß, wer mir da schon manch' ungebetenen Besuch und zu Gott weiß welchem Zweck abgestattet hat.«
Ramo betrachtete seine rußigen Hände und schüttelte den Kopf.
»Herrin,« sagte er dann, »vor allen Dingen werde ich selbst den Schlosser aus dem Dorfe holen und so hereinbringen, daß er nicht gesehen wird. Der mag die Feder hier zusammenschweißen mit der Thür, und niemand kann mehr durch – oder er mag die Thür im Zimmer der Herrin mit dem Boden zusammennieten. Dann aber will ich suchen, wo die Fußspuren hereingekommen sind.«
Dolores war damit zufrieden und dankte innerlich ihrem Schöpfer, daß sie in Ramo solch' treuen und intelligenten Wächter besaß, doch das hatte er ihr freilich nicht gesagt, daß er eines Fuchseisens Aufstellung in dem diesseitigen Kaminschlunde plante, »denn wenn man soviel entdeckt, will man den Lump doch auch haben,« meinte er voll gerechter Entrüstung.
Dolores aber dachte an ihren Traum von dem sich drehenden Kamin, und es überlief sie ein leiser Schauer, als sie die Wirklichkeit mit demselben verglich. Und da sie allzeit ein guter Denker gewesen, so trat die Figur des Doktor Ruß vor ihr geistig Auge.
Sollte ihr dadurch zur Warnung dienen, daß Doktor Ruß –?
Aber mit großer Willenskraft wies sie diesen unwürdigen Gedanken von sich, und sie schämte sich dieses momentanen Verdachtes gegen einen Menschen, der gut erzogen und gebildet wie sie selbst, ihr noch keine Beweise gegeben hatte, daß er ein feindlicher Eindringling sei, der nächtlicherweile kam, um ihre Papiere zu durchstöbern. Denn was anders hätte er wollen können? Nein, dem diese Fußspuren im Staube gehörten, er war gekommen oder wollte kommen, um zu stehlen – ein niedriger Mensch, ein Dieb, denn wenn er auch vielleicht noch nicht vollführt, was er geplant – schon der Gedanke, schon die Absicht, nicht die That allein macht zu dem, was man werden will.
Fröstelnd wendete sie sich ab, den nördlichen Flügel zu verlassen, aus dessen düsteren Räumen aller Ecken Schatten zu kriechen schienen wie Gespenster, und so stark wurde dies Gefühl des Unheimlichen in ihr, daß sie schnellen Schrittes hinauseilte und erst aufatmete, als im Korridor das helle Licht sie umwogte, und sie in die sonnengebadete Landschaft hinausblickte.
Und dennoch – sie fühlte es über sich hängen, wie die Wolke kommenden Unheils, und wenn die Sonne auch jenes eben gespürte Unbehagen fortscheuchte aus ihrem Herzen, die Wolke blieb, die hatte sie mitgebracht aus den verlassenen Räumen, in denen das Verbrechen einherschritt und sein lichtscheues Wesen trieb.
Aber sie schalt sich selbst ernsthaft wegen dieser Ahnung nahenden Unheils, sie nannte sich hysterisch, unvernünftig, thöricht. Freilich, der Wille thut's auch nicht immer, und die Wolke blieb, und sie sah nach ihr aus, wie der Landmann, der einen vernichtenden Hagelschlag fürchtet und die drohende Angst nicht los werden kann.
Und wie sie am Fenster ihres Schlafgemaches stand, in welchem ihr die früher ganz ungekannte Gewohnheit des Träumens gekommen war, da sah sie Alfred Falkner von Monrepos herüberkommen, mit festem Schritt, hoch, stolz, jeder Zoll der Sproß eines edlen Hauses. Und es kam ihr die Frage an das Schicksal: »Warum hat er mich hassen gemußt, daß ich den Panzer des Stolzes wider ihn anlegen mußte? Er, der einzige Mensch, an dessen Liebe mir gelegen gewesen wäre? Warum? Warum?«
Und sie versank in ein Grübeln und dachte darüber nach, was sie gethan haben mußte, das zu verscherzen, was sie ihr Glück genannt hätte –
Nach einer halben Stunde wurde der Freiherr von Falkner ihr gemeldet, und sie empfing ihn im Ahnensaal. Ihm fiel auf, daß sie ungewöhnlich blaß war.
»Ich komme wegen zweierlei Dingen,« sagte er, als sie ihn unbefangen, aber ein wenig hochmütig begrüßte, jede Vertraulichkeit von vornherein ausschließend, denn sie hatte eine stolze Seele, die zwar bereitwillig vergab, aber so schnell nicht vergessen konnte und – wollte.
»Sie machen mich neugierig,« antwortete sie Platz nehmend.
»Ja, das erste ist eine Mitteilung, das zweite eine Bitte.«
»Eine Bitte?« wiederholte sie erstaunt und setzte mit dem alten Spott, der ihn stets so sehr verletzt hatte, hinzu: »Also eine natürliche, von vornherein sichere Angelegenheit, die von meinem Gewähren oder Versagen unabhängig ist, nicht wahr?«
»Vielleicht doch nicht,« erwiderte er ruhig. »Eine ganz richtige Bitte,« fügte er mit leisem Lächeln hinzu.
»Das ist ja fast, als ob ein Eskimo seinen Antipoden um einen Trunk aus der Feldflasche bitten wollte,« gab sie ebenso zurück. »Oder sollte das Ende der Welt nahe sein?«
Einen Moment gab er keine Antwort, denn es stieg eine tiefe Röte in seinen braunen Wangen auf, welche erst herabgekämpft werden mußte.
»Ich denke, wir haben Frieden geschlossen?« fragte er dann ruhig und nicht ohne Humor.
»Ach ja, richtig!« rief sie lachend. »Schieben Sie das Vergessen auf das Ungewohnte. Also zur Sache!«
»Zur Sache,« erwiderte er. »Zuerst nun meine Mitteilung. Ich habe mich, unter Zustimmung des Herzogs, mit der Prinzessin Eleonore von Nordland verlobt.«
Also doch! Aber Dolores kämpfte tapfer ein seltsames Gefühl von Hoffnungslosigkeit nieder, das ihr ans Herz griff, und sie reichte Falkner lächelnd die Hand. Nur so weit reichte ihre Beherrschung nicht, daß sie dieser kalten Hand ihre natürliche Wärme hätte wiedergeben können.
»Ich gratuliere,« sagte sie und setzte, scheinbar heiter, hinzu: »Aber Sie überraschen mich nicht –«
»O, nach dem, was gestern Abend vorgefallen ist –« warf er ein.
»Ich hatte daran gar nicht gedacht,« meinte sie. »Doch da Ihre Prinzeß Braut mich schon vorher zur Vertrauten zu machen geruhte, so war mir das Neue in der That nicht mehr ganz neu. Ich freue mich aber sehr, daß die Zustimmung des Herzogs zu diesem glücklichen Ausgange geführt hat.«
»Es ist sehr großmütig von Ihnen, sich überhaupt mit mir zu freuen,« erwiderte Falkner in einem Ton, von dem Dolores nicht genau wußte, wie sie ihn deuten sollte, ob ironisch, ob einfach konversationsmäßig, oder ob beziehungsvoll.
»Gehört wirklich Großmut dazu, anderer Leute Freude zu begreifen?« fragte sie mit einem matten Lächeln. »Mir scheint, Ihr Glaube an meine vielgerühmte Herzlosigkeit hat seinen Umsturzprozeß doch noch nicht ganz vollzogen.«
Ein bitteres Gefühl hatte ihn seine Worte nicht ohne Ironie meinen lassen, jetzt aber bereute er dieselbe sofort.
»Mea culpa,« sagte er bittend. »Aber,« setzte er lächelnd hinzu, »Sie selbst sind auch nicht ganz ohne Schuld, denn wenn man meint, Ihr wahres Ich zu erblicken, so setzen Sie flugs die berühmten zwei Satanellahörnchen auf, die einen so schadenfroh anfunkeln, daß man ein kaltes Sturzbad zu erhalten meint.«
»Nun gestehen Sie selbst Ihr Unrecht,« entgegnete sie. »Kalt Wasser ist allzeit wohlthuend – ich dachte aber, daß es in der Hölle – heiß