Die Falkner vom Falkenhof. Zweiter Band.. von Adlersfeld-Ballestrem Eufemia
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Читать онлайн книгу Die Falkner vom Falkenhof. Zweiter Band. - von Adlersfeld-Ballestrem Eufemia страница 6
Da tönte ein gellender Schrei durch die stille Gruft –
»Die Augen – sie hat die Augen aufgemacht –« kam es in Tönen des Entsetzens von Prinzeß Lolos Lippen, und die Arme wild emporgereckt, die Augen stier und die Lippen blaß, flog sie auf Falkner zu und brach zu seinen Füßen zusammen.
»Das ist die Folge, wenn Backfische das Gruseln lernen wollen,« murmelte Doktor Ruß vor sich hin, während Dolores sagte:
»Schnell – schaffen Sie sie hinauf, Alfred! Das arme Kind kann Krämpfe davon tragen von ihrer Angst –«
Falkner hatte sich schon gebückt und hob die Prinzeß empor, welche krampfhaft schluchzend die Arme um seinen Hals schlang und das blonde Köpfchen an seine Wange drückte wie ein kleines Kind, das man mit dem schwarzen Mann in Schrecken gejagt. Der gellende Schrei hatte auch die vor der Kapelle Zurückgebliebenen aufgeschreckt.
»Das war Lolo –! O, ich dachte es wohl!« rief Prinzeß Alexandra und trat in die Kapelle. Doch da erschien schon Falkner oben an der Treppe mit seiner Bürde, die sich schluchzend fest an seinen Hals klammerte.
»Sie wird sich in der frischen Luft bald erholen,« sagte er auf den fragenden Blick der älteren Schwester.
Aber Prinzeß Lolo erholte sich nicht so schnell. Sie war von Falkners Halse nicht loszureißen und weinte Ströme von Thränen.
»Sie hat die Augen aufgemacht und mir gewinkt,« schluchzte sie, »aber ich will nicht sterben, Alfred, ich lasse dich nicht – laß du mich auch nicht – du bist mir gut – nicht wahr? Laß mich nicht sterben – nicht sterben – nicht sterben!«
Jetzt riß dem Erbprinzen die Geduld.
»Eleonore!« sagte er streng und scharf, daß das Schluchzen sofort nachließ, wie oft bei grundlos weinenden Kindern. »Eleonore, was soll das? Schäme dich!«
Langsam lösten sich die runden, weichen Arme von Falkners Hals, aber das verweinte Gesichtchen blieb an seine Brust gelehnt, bis der Herzog hinzutrat und, seine Tochter an der Hand fassend, diese hinwegzog.
»Fräulein von Drusen,« sagte er, »haben Sie die Güte, die Prinzeß nach Hause zu begleiten und dort zu Bett bringen zu lassen!«
»Papa!« schrie sie empört auf.
»Du weißt, ich liebe Scenen nicht,« entgegnete der Herzog ärgerlich. »Außerdem wünsche ich nicht, mir den schönen Abend weiter zu verderben. – Sie werden uns nämlich noch nicht los,« wandte er sich an Dolores, »denn Sie haben uns ein Lied versprochen.«
»Und ich hoffe, meine Schuld mit Zinsen einlösen zu können, Hoheit,« erwiderte Dolores liebenswürdig, und nur ein feiner Kenner hätte in ihrer Stimme ein leises Schwanken wahrnehmen können. Und so ging es die Allee zurück nach dem Falkenhof – fast in der alten Ordnung – Dolores voran mit dem Herzog, Ruß mit Fräulein von Drusen, der Kammerherr mit Frau Ruß, welche leichenblaß war und vor Aufregung zitterte infolge der Scene vor der Kapelle. Dem ersten Paare hatte sich Gräfin Schinga, dem zweiten ihr Gatte zugesellt, Prinzeß Alexandra folgte, den Arm um ihre Schwester geschlungen und leise mit dieser flüsternd, zuletzt, etwas weiter zurück, folgten der Erbprinz und Falkner.
Nach einer Pause ergriff ersterer das Wort.
»Baron Falkner,« sagte er, »wie soll ich mir diese Scene mit meiner Schwester deuten?«
»Genau wie Hoheit sie sahen. Es liegt nichts dahinter,« erwiderte Falkner ruhig. Daß man eine Erklärung fordern würde, dessen hatte er von Anbeginn sicher sein können, und er sah ihr gefaßt entgegen mit dem Gefühl eines Mannes, dem das hingebende Anschmiegen, das rückhaltlose Hervorbrechen der Zuneigung eines reizenden Weibes wohlgethan hatte, nachdem die Zärtlichkeit einer Mutter für ihn unter Kontrolle stand, und er verscherzt glaubte, was niemals sein gewesen.
»Es liegt nichts dahinter?« wiederholte der Erbprinz. »Meinen Sie damit, daß die Reden meiner Schwester spontane Eingebungen waren, welche Sie selbst überraschten?«
»Zum Teil thaten sie dies allerdings, Hoheit,« war die ebenso ruhige und sichere Antwort.
»Zum Teil! Und zum anderen Teil?« war die heftigere Frage.
»Zum anderen Teil bekenne ich mich schuldig, auf dem Wege zur Kapelle durch ein unvorsichtiges Wort Hoffnungen in dem jungen Herzen erweckt zu haben, welche, so fürcht' ich, nur auf Sand gebaut sind.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Fürstentöchter sind schon zu Vasallen herabgestiegen – doch diese hatten dann mehr zu bieten als Äquivalent, als ich.«
»Darauf kommt es nicht an, Falkner,« erwiderte der Erbprinz ruhiger. »Es handelt sich für mich nur darum, zu wissen, wessen Neigung stärker ist – die meiner Schwester für Sie, oder die Ihrige für meine Schwester!«
»Dann fragen Hoheit die Prinzessin Eleonore selbst – ihre Antwort ist die meinige,« entgegnete Falkner.
Der Erbprinz seufzte, aber schwieg. Er konnte sich's ungefähr erklären, wie alles gekommen war, er kannte seine »kleine Schwester,« und im Grunde seines Herzens lebte die feste Überzeugung, daß Prinzeß Lolo bei ihrer Neigung »zum Durchgehen« besser aus der Sphäre herausgedrängt wurde, in welcher sie geboren war, und an der Seite eines Mannes wie Falkner die Festigkeit erlangte und die Stütze fände, deren sie so sehr bedurfte, als daß sie in einer Konvenienzehe, sich selbst überlassen, dem Abgrunde zutrieb, von dem vielleicht nichts mehr sie retten konnte.
Im Falkenhof wieder angelangt, blieb man, Prinzeß Lolo inbegriffen, noch versammelt, aber die Konversation blieb gezwungen und die Gemütlichkeit war entflohen, und während Gräfin Schinga eine der wundervollen ungarischen Rhapsodien von Liszt spielte, beobachtete Doktor Ruß, scheinbar in den Kunstgenuß versunken, wie es in den Zügen des kleinen Kreises nacharbeitete von der Scene an der Grabkapelle. Denn der sonst stets gutgelaunte Herzog suchte ersichtlich Herr seiner Mißstimmung zu werden, und mitunter flog ein Blick aus seinen gutmütigen Augen hinüber nach seiner zweiten Tochter, der so ernst und mißbilligend war, als er's überhaupt zuwege bringen konnte. Der reizenden Delinquentin sah man's an, daß Zorn und Thränen in ihr kämpften. Prinzeß Alexandra sah bekümmert aus, Frau Ruß rang nach Atem, und Falkner stand da wie einer, der den drohenden Sturm gefaßt erwartet. Die Unbefangenen waren Keppler und Graf Schinga – unbefangener und ganz gelassen schien Dolores, als ginge der Sturm im Wasserglase sie gar nichts an. Und wirklich hatte die Scene draußen sie nicht in dem Maße überrascht, als die anderen – sie war ja die Vertraute der kleinen Prinzeß –
»Sie wird weinen, er wird sich in Stolz hüllen, und dann wächst Gras über die ganze alberne Sache,« dachte sie, nicht ohne Bitterkeit.
Und dabei ahnte sie nicht einmal, was diese Selbstbeherrschung ihr wert war. Denn Doktor Ruß beobachtete scharf, und hätte er ein Zucken in ihren schönen Zügen entdeckt, einen verräterischen Blick erhascht – was alles hängt nicht im Leben oft an einem »wenn!« Und als Gräfin Schinga ihre leidenschaftliche Rhapsodie geschlossen, da sang Dolores einige Lieder mit fester, klarer Stimme, und als ihre Gäste dann die Heimkehr antraten, nahm sie Abschied von ihnen, als sei niemals etwas geschehen, was die Harmonie des heutigen Abends stören konnte.
»Das war ein interessanter Abend,« sagte Doktor Ruß, als er Dolores gute Nacht wünschte.
»Ach ja – die Herrschaften sind wirklich sehr angenehme Nachbarn,« erwiderte sie, ohne den doppelten Sinn verstehen zu wollen.
»Schade