Friedrich Arnold Brockhaus - Erster Theil. Brockhaus Heinrich Eduard

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Friedrich Arnold Brockhaus - Erster Theil - Brockhaus Heinrich Eduard

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begann zu einer Zeit, wo Dortmund noch als Freie Stadt dem Deutschen Reiche angehörte; er wurde fortgesetzt unter der fürstlich nassau-oranischen Regierung, unter der Herrschaft der französischen Gesetze, welche im Jahre 1811 im Großherzogthum Berg in Kraft getreten waren; er ist wieder aufgenommen unter der jetzigen königlich preußischen Regierung und wird jetzt nach preußischen Rechten und Formen verhandelt. Es ist für das Interesse der Rechtswissenschaft von großer Wichtigkeit, die Verhältnisse dieser verschiedenen Gesetzgebungen in ihrer Wechselwirkung und vorzüglich zu dem Zwecke zu betrachten, um die Bedingungen und Grenzen der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit richtig zu bezeichnen.

      Er ist interessant durch die kaufmännischen Verhältnisse, welche ihm zu Grunde liegen, deren Combinationen sich die Richter der ersten und zweiten Instanz durchaus nicht klar zu machen vermocht haben, so einfach sie auch jedem Sachkundigen erscheinen müssen.

      Er hat endlich in dem neuesten Abschnitte noch eine allgemeine Wichtigkeit durch die völkerrechtliche Frage gewonnen, inwiefern ein königlich preußischer Staatsbürger einen entfernten Ausländer zwingen kann, vor den königlich preußischen Gerichten sich als Beklagter zu stellen und den Vortheil aufzugeben, welcher mit der Verhandlung der Sache vor seinem ordentlichen Richter, in gewohnten Formen, nach bekannten Rechten, für ihn verknüpft ist. In der That würden die von dem königlichen Oberlandesgericht zu Hamm in erster Instanz hierüber aufgestellten Grundsätze alle Ausländer, welche in Preußen Geschäfte treiben, und alle benachbarten Regierungen zur besondern Aufmerksamkeit und zu abweichenden Maßregeln verpflichten. Diese wichtige völkerrechtliche Frage macht in der jetzigen Lage der Sache den Hauptpunkt des Streites aus. Der Gang der Sache ist nämlich folgender ...

      So liegt die Sache in diesem Augenblicke; einfach an sich in jedem ihrer Abschnitte, so verworren auch der erste Anblick derselben sein mag. Zunächst dreht sie sich fast nur um Formalien, um Gerichtsstand und Rechtskraft. Man ist nur zu sehr geneigt, auf denjenigen, welcher mit der bloßen Form ficht, den Verdacht eines Bewußtseins des Unrechts in der Sache fallen zu lassen, und daher war dem Beklagten an nichts mehr gelegen als daran, zu zeigen, daß er sich gegen die Form nur im Vertheidigungsstande befindet, nicht aber sie zur Schutzwehr einer Ungerechtigkeit gebraucht. Man hat es ihm vielleicht verübelt, daß er die Entscheidung eines königlich preußischen Gerichtshofs so eifrig abzulehnen bemüht ist; allein man würde dabei aus den Augen gesetzt haben, welchen großen Werth es für einen Jeden hat, nur von seinem ordentlichen heimischen Gerichte nach bekannten Gesetzen und Formen gerichtet zu werden. Wer irgend eine Erfahrung in dieser Art gemacht hat, der vermag die großen Nachtheile zu würdigen, mit welchen schon die bloße Entfernung den Betrieb eines Rechtsstreites umgibt.

      Man wird es unter diesen besondern Umständen dem Beklagten nicht verargen, wenn er durch den gegenwärtigen Abdruck der wichtigsten Actenstücke seines Processes sowol für das Urtheil seiner Richter als für die Meinung seiner Freunde (für das größere Publikum sind diese Blätter ohnehin nicht bestimmt) die Materialien in einer leichtern Uebersicht zu liefern bemüht war. Er will dasselbe nicht bestechen, nicht für sich einnehmen; denn er legt die Hauptsache so vollständig vor, daß sie auch seinem Gegner zu statten kommen mag, wenn er selbst sich in seinen Ansichten geirrt haben sollte. Allein ein mehr als zwanzigjähriger Proceß, eine so vielfache Verkettung rechtloser Formen und Fragen bedarf wol eines Fadens, in dessen Finden nicht immer gerade derjenige am glücklichsten ist, welcher ihn für sich und andere zu suchen bestellt ist. Der Erfahrene weiß, daß dies zu sagen weder Anmaßung noch ein Vorwurf ist, und dreimal wenigstens wurde schon in der gegenwärtigen Sache der richtige Weg verfehlt.

      Wir verlassen hiermit diesen unerquicklichen Proceß, der uns weit über die Zeit hinausgeführt hat, die wir zunächst zu schildern haben, und versetzen uns wieder nach Amsterdam und dem Jahre 1801, in welchem Brockhaus sein Geschäft dorthin verlegte.

      Zuvor sei indeß noch ein von Brockhaus selbst herrührender Rückblick auf sein Leben bis zu diesem Zeitpunkte mitgetheilt.

      4.

      Ein Rückblick

      Brockhaus schrieb in spätern Jahren, wahrscheinlich erst 1818 oder 1820, einen Rückblick auf seine Erlebnisse nieder, um einer Schwägerin, die in trüben Verhältnissen seine Vertraute geworden war, einen nähern Einblick in sein Leben zu gewähren. »Sie kennen es nicht«, fügte er hinzu, »oder nur durch verworrene Sagen, und doch liegt in jeder Vergangenheit der Schlüssel und häufig die Bedingung der Gegenwart.«

      Diese Selbstbiographie, die unsere bisherige Schilderung in manchen Punkten ergänzt und den Verfasser trefflich charakterisirt, leider aber nur bis zu dem Wendepunkte in seinem Leben reicht, an dem wir uns jetzt befinden, lautet:

      Ich bin 1774 geboren.8 Mein Vater, Sohn eines benachbarten Predigers, hatte meine Mutter, die Tochter eines angesehenen Kaufmanns, als Witwe geheirathet. Zwei Kinder erster Ehe waren gestorben, und aus dieser Ehe entsprangen zwei Söhne, von denen ich der jüngste bin, und der älteste mein noch in Dortmund lebender Bruder ist. Mein Vater, der erst 1811 gestorben, war ein sehr braver und wackerer Mann, aber nicht transcendent. Meine Mutter dagegen war eine geistreiche, vortreffliche Frau, und ihr Bild steht noch immer als das Ideal einer vollendeten Hausfrau vor meiner Seele.

      Ich war ein aufgeweckter Knabe mit einem brennenden Durst nach Kenntnissen aller Art, und einer wahren Bücherwuth. Noch schwebt es mir wie gestern in Andenken, und gibt dies zugleich ein Bild jener Zeit, wie ich das erste Buch kaufte und wie es ablief. Ich mußte für den Vater in den Bücherauctionen Folianten und Quartanten erstehen, die er in seinem Laden als Maculatur gebrauchte. Hier kam nun auch Voltaire's Leben von Karl XII. in der alten Uebersetzung unter den Hammer. Niemand bot etwas. Ich hatte das größte Gelüste nach dem Buch und wagte es, 2 Groschen zu bieten, und siehe da, ich erhielt es und war der glückliche Besitzer! Aber der Vater, ein strenger Mann, vermerkte es sehr übel, wie ihm überhaupt mein vieles Lesen in den Tod zuwider war, verwies mir meine Verschwendung, und ohne das Dazwischentreten der immer guten und verständigen Mutter hätte ich wol noch eine Ohrfeige dazu erhalten. Es ist, als ob ein Jahrhundert dazwischen läge zwischen dem, wie es damals war, und jetzt ist.

      Im funfzehnten Jahre kam ich nach Düsseldorf in eine dortige große Schnitthandlung, die zugleich Bankiergeschäfte machte, in die Lehre. Mein Lehrherr hieß Hofmann, er lebt noch und ist mein Freund geblieben. Er zeichnete mich unter sechs andern Commis und Burschen sehr aus, und zu sehr. Er bekam den Einfall, sein Geschäft zu erweitern, da er ein sehr wohlhabender Mann war, und eine Großhandlung neben der bestehenden Schnitt- und Wechselhandlung zu errichten, und er warf auf mich, den jüngsten Lehrburschen, die Augen, dazu die ersten Reisen zu machen, weil in dortigen Gegenden Alles durch Reisediener besorgt werden muß, da die Messen zu fern liegen. So wurde ich unerfahrener Mensch in einem Alter von kaum 17 Jahren auf ziemlich große Reisen, die sich bis Hannover, Kassel, Koblenz, Lüttich, Cleve ausdehnten, geschickt, um die neuen Geschäfte zu gründen. Diese so frühen Reisen haben sehr nachtheilig auf mich eingewirkt. Meine Bildung war noch nicht vollendet und wurde dadurch ganz zerrissen, indem ich oft in Monaten nicht zu Hause kam, und anstatt geführt zu werden, wie es dem Jünglinge ziemt, mußte ich mich selbst führen. Gegen jetzt war damals eine große Sittenreinheit, aber dagegen wieder eine größere Roheit. Die gänzliche Freiheit, worin sich der siebzehnjährige Jüngling aber auf diesen Reisen befand, das fortwährende Gasthofleben und die stete Gesellschaft mit andern Reisedienern wirkte nothwendig nachtheilig auf Sitten und Charakter.

      Indessen vollzog ich meine Geschäfte zur höchsten Zufriedenheit meines Herrn, ich bildete mich zu einem tüchtigen Geschäftsmann, und mir ward vor Ablauf der Lehrzeit und noch nicht 20 Jahr (der Auftrag?), das Geschäft auch nach Braunschweig auszudehnen und dort die Messen zu beziehen. Mein Herr blieb dabei fein zu Hause, und mir ganz allein war das schwierige und kitzliche Geschäft der ganzen ersten Organisation übertragen. Und unser Geschäft war höchst bedeutend. Auch hier ging Alles

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<p>8</p>

Diese Angabe ist ein seltsamer Irrthum, da Brockhaus nach dem dortmunder Kirchenbuche am 4. Mai 1772, nicht 1774, geboren ist. An dieser Selbsttäuschung scheint er auch später festgehalten zu haben, wie aus gelegentlichen Aeußerungen in seinen Briefen hervorgeht, und daraus erklärt sich auch, daß auf seinem Leichensteine ebenfalls diese falsche Jahreszahl angegeben war.