Hann Klüth: Roman. Georg Engel

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Hann Klüth: Roman - Georg Engel

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du Racker,« wollte der Lotse eben belobigen, da fühlte er unvermittelt, wie etwas an ihm herunterglitt; dadurch verlor er das Gleichgewicht und purzelte, sich überschlagend und unter dem dröhnenden Gelächter der Studenten, gerade auf den Schoß seiner Gattin Alwining.

      Die zog ein strenges Gesicht und kniff ihn heimlich in den Arm.

      »Alwining,« flüsterte oll Kusemann und griff seiner Frau unter das Kinn: »Sei ruhig, ich weiß, was du denkst. – Aber die kleine Krabbe ließ mir gar nicht in Frieden. Du weißt ja, aus der wird nichts Gutes! – Sollst sehen, Alwining. – Ich kenn' meine Leute.«

* * *

      Sie forderte zu trinken, als sie nun atmend und glühend neben ihrem Pflegebruder auf der Terrasse stand.

      Aber er verweigerte ihr alles. Eine tiefe Verachtung gegen dies tolle Ding war in dem feinen gebildeten Jungen aufgestiegen. Fast mit Gewalt hatte er sie in eine Ecke hinter die Musiker gezogen, und nun schüttete er dort sein Herz vor ihr aus. Wie sie sich benommen, wie sie ihn blamiert hätte, und was die Mutter zu Hause dazu sagen würde. Den Abschluß bildete immer der eine Satz: »Du hast nichts gelernt, du gehörst eben unter die Fischer.«

      Doch sie antwortete nichts.

      Ihre schwarzen Augen, die so seltsam auf dem blauweißen Untergrund schwammen, lugten noch immer gierig nach allen Seiten. Die Musik und der Tanz hatten sie offenbar betäubt. Immer noch blinzelte sie nach den sich drehenden Paaren.

      »Line, verstehst du mich denn nicht? – Ich trag dich mit Gewalt raus, wenn du nicht von selbst gehst,« flüsterte er mit neu aufbrausender Wut.

      Verständnislos – kindlich und doch mit einem merkwürdigen, bewußten Zug um die Lippen lächelte sie ihn von unten herauf an. Dann streichelte sie ihm schmeichelnd über die Wange, um gleich darauf das Haupt zu neigen und mit ungeheucheltem Erstaunen auf ihre entblößte Wade herabzublicken.

      Jetzt bemerkte sie es erst.

      Auch der Sekundaner mußte diesem Blick folgen. Das Blut schoß ihm dabei ins Gesicht, er verachtete sich selbst, weil er sich nicht sofort abwenden konnte. Doch er verharrte und blinzelte hinunter. Und Line lachte über den Unfall, während sie tiefgebeugt über ihrem Strumpf nestelte. In diesem Augenblick nahte sich ein junger, schlanker Student, Jahn mit Namen, derselbe, der vorhin das Hurra auf diese jüngste Tänzerin kommandiert hatte, und streckte einfach die Arme nach ihr aus.

      Schon berührten seine Finger die Schulter der Gebückten, als Bruno sich nicht mehr mäßigen konnte. Er riß sie empor, daß sie förmlich in die Höhe zuckte, beide flogen von der heftigen Bewegung die wenigen Stufen hinunter, und dann – hatte er begonnen oder Line?

      Keiner wußte es später.

      Aber die schlanken Arme, mit denen sie ihn unwillkürlich umschlungen, löste sie nicht, und dann war es Bruno, als ob alles um ihn herumwirbele. Die Wärme, die heiße Glut, dieser erste Lebenstaumel des jungen Wesens an seiner Brust hatten es ihm angetan – ! Er tanzte! – Nein, er riß sie rasend mit sich fort. Er sah nichts als die aufblitzenden Augen und die weißen Zähne, die hinter den schmalen Lippen glänzten. Immer herum – immer weiter, wenn es ihm auch war, als ob er über spitze Messer tanze, wenn ihm auch eine flüchtige Erscheinung kam, als stände sein Bruder Hann draußen an den Fensterscheiben und stiere blöden Sinnes herein. Schneller, wilder, dieses sich immer gleichbleibende, beglückte Lächeln der Tänzerin berauschte ihn und hetzte ihn weiter.

      »Oh,« murmelte Line, »noch länger – noch länger.«

      »Ja – ja.«

      »So gut wie du tanzt doch keiner, Bruno.«

      »Aber du auch – du auch, Line.«

      »Ja, das hab' ich gelernt,« flüsterte sie stolz, während sie ihn leise in den Arm kniff.

      Doch ehe er noch antworten konnte, kam das, was ihn zur Besinnung brachte, vor dem er floh, als hätte er ein Verbrechen begangen.

      Wie eine Erscheinung, unvorhergesehen, stand es da.

      Leise, aber entsetzt schrie Line auf.

      Was war das für eine breite, nasse Hand, die sich auf ihren Arm legte? – Weshalb stürzte plötzlich ihr Tänzer fort, als ob er sich verfolgt wähne?

      Wer war das eigentlich, der sie festhielt und mit ihr sprach?

      Erst mußte sie sich die Haare aus der Stirn streichen, eh sie ihn erkannte. Dann blickte sie sich wirr im Saale um. Ihr Herz begann krampfhaft zu pochen, eine schneidende, überwältigende Angst durchfuhr sie.

      Wie kam sie denn hierher? – All die fremden Leute? Die Fischerweiber, die mit Fingern auf sie zeigten, und die Studenten, die so vertraut mit ihr taten?

      Zitternd und zerknirscht blieb sie vor dem Schifferjungen in dem nassen Rock stehen. Der sah sie mit seinen dumpfen blauen Augen bekümmert an und sagte mit kaum merklichem Vorwurf: »Ich such' dich, Lining.«

      »Hann,« stotterte sie.

      Da faßte er sie fester am Arm und meldete ernsthaft: »Ich soll dich nach Haus bringen.«

      »Ja – ja,« stieß sie scheu hervor, während sie sich an ihn drängte: »O komm bloß, ich will mit dir.«

      Er ließ ihr keine Zeit zur Besinnung, bevor sie es selbst recht bemerkte, hatte er sie aus dem tabakdurchqualmten Saal geleitet und führte sie nun durch die stockfinstere Nacht.

      »O Lining,« murmelte er nur einmal mit tiefem Kummer, »was hast du gemacht?«

      Hastig atmete sie auf. »Ich weiß auch nicht,« brachte sie dumpf hervor, aber dann setzte sie halb voll Angst hinzu: »Aber ich glaub', es kommt davon, weil ich so wenig gelernt hab'.«

      »Ja, ja, das mit dem Lernen,« stimmte Hann beklommen bei.

      Er dachte immerfort daran, wie sein feiner Bruder, der doch morgen in die Welt sollte, und dies kleine Mädchen zusammen getanzt hatten, getanzt, während der alte Lotse in seiner Grube kaum kalt geworden.

      Das war greulich.

      Aber er sprach darüber kein Wort. Etwas Unbestimmtes, Ängstliches hielt ihn von der Schwester fern.

      Endlich waren sie an der Seite des murmelnden Flusses bis vor die Tür des Lotsenhäuschens geschlichen.

      »Hann,« begann Line hier, der das Schweigen Pein verursachte, »wacht Mutter noch?«

      Er schüttelte das Haupt.

      »Bist du allein auf?«

      Er nickte.

      »O Hann« – sie drängte sich in ihrer schmeichelnden Art an ihn – »sprich doch mit mir – ich will's ja nie wieder tun, hörst du? – aber sprich mit mir.«

      Wieder schüttelte er das plumpe Haupt. Ihm war so trostlos zumut, daß ihm keine Worte einfielen. Da wurde die bohrende Verzweiflung in Lines Brust übermächtig, heftig sprang sie an dem Jungen in die Höhe und drückte ihm einen heißen, bittenden Kuß auf den breiten Mund. »Ich will's ja nie wieder tun,« hauchte sie dazu, »ganz gewiß, nie wieder – aber sag hier zu Haus nichts davon, hörst du? – sag kein Wort.«

      Noch stand sie einen Augenblick vor ihm. Durch die tiefe Nacht glaubte er das Weiße ihrer Augen zu erkennen. Dann hörte er etwas über die Treppe huschen, und über

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