Der Erbe. Dritter Band.. Gerstäcker Friedrich

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Der Erbe. Dritter Band. - Gerstäcker Friedrich

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sagte der Mann feierlich, »nie ist selbst nur ein böses Wort zwischen uns gefallen, und Gott mag ihr, das bitte ich recht von Herzen, den Fehltritt vergeben – ich kann es nicht! Grund genug ist doch zu einer Scheidungsklage?«

      Witte sah, daß er mit dem alten, störrischen Manne jetzt doch nichts ausrichten konnte. »Ich glaube, ja,« sagte er endlich nach einigem Zögern, »und wenn Sie es nicht anders wollen, so läßt es sich wohl durchsetzen.«

      »Und wann darf ich wieder vorfragen?«

      »Ich komme selber zu Ihnen, Baumann. Ich will jetzt auf das Criminalamt, um bei der Untersuchung der gestohlenen Gegenstände gegenwärtig zu sein. Heute nimmt uns das vollständig in Anspruch, und wir müssen vor allen Dingen sehen, daß wir den armen Teufel, den Fritz, aus seiner unbequemen Lage befreien.«

      »Der arme Junge,« sagte Baumann seufzend, »wie ist dem seine ganze Jugend gestohlen worden!«

      »Darüber möchten Sie ihn doch erst einmal selber fragen,« meinte der Staatsanwalt, »und ich zweifle sehr, ob er – nach Allem, was ich wenigstens über das Leben auf Schloß Wendelsheim gehört habe – mit dem Lieutenant tauschen würde.«

      Der alte Baumann seufzte tief auf. Er war bis dahin schlicht und ehrlich, immer geradeaus durch das Leben gegangen und hatte in der That gar keinen andern Weg für möglich gehalten. Jetzt fand er sich plötzlich in lauter krummen und fremdartigen Gängen – mit eigentlich zwei Söhnen und keinem –, verwickelt und verworren, in Lug und Trug hineingebracht, und sah dabei keinen Ausweg, wieder heraus und auf freien Boden zu kommen. Aber er mußte eben stillhalten, es ließ sich mit seinen arbeitsharten Fäusten, mit seinem schlichten Menschenverstand nichts in der Sache thun; das erforderte feine Hände und einen spitzen Kopf, und schon von dem Bewußtsein niedergedrückt, reichte er dem Staatsanwalt nur noch die Hand und kehrte nach Hause zurück.

      Witte eilte auf das Criminalamt, und dort erwartete ihn allerdings heute eine so interessante als lohnende Beschäftigung, nämlich die Besichtigung der gestohlenen Waaren, zu der man aber auch den alten Salomon brauchte. Jetzt lag auch nichts mehr daran, das Gerücht seines Todes im Publikum verbreitet zu halten, da man den wirklichen Dieb schon in Händen zu haben glaubte, und als auch der Polizeiarzt versicherte, Salomon könne ohne die geringste Gefahr für sich selber auf's Amt kommen, und sich sogar erbot ihn abzuholen, so wurde eine Droschke beordert, und der mitfahrende Doctor dirigirte sie der Judengasse zu.

      Salomon hätte übrigens kaum mehr der Droschke bedurft, so rasch hatte er sich, wie nur die erste Betäubung von ihm gewichen, wieder erholt. Die beiden Wunden verlangten allerdings noch Pflege, aber es stellte sich auch bald heraus, daß die Schläge, obgleich mit voller Kraft und jedenfalls in der Absicht, zu tödten, geführt, doch beide mehr seitwärts abgeglitten waren und den Schädel nicht zersprengt hatten, und danach konnte die Heilung bald erfolgen.

      Dem Alten ließ es auch selber keine Ruhe, und schon am zweiten Tage drängte er, in seinem Laden nachzusehen, wie weit er an seinem Eigenthum geschädigt worden. Aber Rebekka erlaubte es nicht. Er sollte sich noch nicht aufregen, wenn er den Verlust vielleicht größer fand, als er erwartet hatte. Am dritten Abend aber mußte sie ihm willfahren, und nach Dunkelwerden, damit ihn nicht etwa Jemand aus den Hinterfenstern der Nachbarhäuser bemerke, stieg er in Begleitung der Tochter hinunter und nahm eine genaue Revision vor.

      Der erlittene Diebstahl stellte sich aber demnach gar nicht so beträchtlich heraus, denn mit Ausnahme eines Pakets von Kassenscheinen, das mehrere Hundert Thaler betrug, fehlten ihm nur noch einige, allerdings ziemlich werthvolle Silbersachen und eine goldene, mit Diamanten besetzte Schnupftabaksdose. Der Dieb war, wie man ja wußte, mitten in seiner Arbeit gestört worden, und hatte so eilig fliehen müssen, um selbst den Sack mit Silberthalern, der sich noch an der Thür gefunden, im Stich zu lassen.

      Am vierten Morgen nach der That saß der alte Mann oben beim Frühstück, als er draußen laute Stimmen hörte. In der Nachbarschaft herrschte nämlich nicht geringe Aufregung unter seinen Glaubensgenossen, daß die Beerdigung des lange Todtgeglaubten noch nicht stattfand und auch keiner der sonst üblichen Gebräuche befolgt wurde. Die abenteuerlichsten Gerüchte durchliefen dabei das Viertel, und eins der am stärksten verbreiteten war, der Salomon wäre vor seinem Tode heimlich mit der ganzen Familie zum Christenthum übergetreten und deshalb eben so heimlich in der letzten Nacht auf einem christlichen Gottesacker beerdigt worden.

      Indessen war aber auch ein naher Verwandter von ihm, der in Berlin wohnte und von dem Raubmord dort in den Zeitungen gelesen hatte, eingetroffen und an dem nämlichen Morgen, trotzdem er seinen Namen angab, nicht eingelassen worden. Die alte Magd hatte ihn abgewiesen, weil sie natürlich nicht wagte, einem von der Polizei gegebenen Befehl zuwider zu handeln. Der alte Salomon wurde aber böse, als er es erfuhr.

      Gott der Gerechte, der Simon Levy abgewiesen von seiner Thür, seiner einzigen Schwester einziges Kind, der die lange Reise gemacht hatte nur seinetwegen!

      Aber der Herr Actuar hatte so streng befohlen.

      »Der Herr Actuar soll befehlen, wo er will,« sagte der alte Mann, »aber nicht im eigenen Hause vom Salomon und in seiner Familie, so lange der Salomon lebt und gesund ist; und wenn er todt wäre, hätte er erst recht nichts zu befehlen, denn dann ist die Frau vom Salomon da, wo das Alles besorgt, was zu befehlen ist.«

      Der Simon Levy hatte sich aber ohnedies nicht so rasch abweisen lassen, denn noch war er kaum zweihundert Schritt vom Hause entfernt und immer mit sich selber im Zorn sprechend und vor sich hin gesticulirend fortgegangen, als er auch plötzlich, auf dem Absatz herumfahrend, Kehrt machte und jetzt fest entschlossen schien, das Haus von seiner Mutter Bruder nicht eher zu verlassen, bis er wenigstens seine Tante gesehen und gesprochen und von ihr die Bestätigung dessen gehört hatte, was die Leute in der Judengasse erzählten. Nachher wollte er den Staub von seinen Füßen schütteln und nach Berlin zurückfahren auf der Eisenbahn.

      Wie er zum zweiten Mal in den Hof kam, begegnete er wieder der alten Magd, die gerade ausgeschickt worden, um ihn aufzusuchen. Sie hatte aber strengen Befehl bekommen, dem Simon Levy nicht zu sagen, daß der Salomon noch lebe und gesund sei, sondern sie sollte ihn nur zu der Frau bestellen und ihn dann in das Zimmer führen, wo Salomon noch immer bei seinem Frühstück saß. Die Alte kam auch der Ordre genau nach.

      »Herr Levy,« sagte sie, »ist mir lieb, daß ich Sie treffe; sparen Sie mir doch einen langen Weg für meine kurzen Beine.«

      »Ist die Madame Salomon zu Hause?«

      »Ist sie,« nickte die alte Magd, »und sitzt oben in der Stube und wartet auf den Herrn Levy, und die Fräulein Rebekka auch.«

      »Und wozu hast Du mir vorgeschmust, ich dürfe nicht hinauf?« sagte der kleine Mann ärgerlich. »Bin ich ein Landstreicher, daß ich werde fortgewiesen von der Thür von meine nächsten Verwandten?«

      »Als Sie wollen näher treten, wird Ihnen die Madame Salomon erklären; in der großen Betrübniß darf man's verzeihen, und man soll keinen Zorn bringen in ein Haus der Trauer.«

      »Soll ich leben und gesund bleiben,« sagte Levy, »ob's nicht eine schreckliche Geschichte ist! Aber, Rachel,« setzte er leise und scheu hinzu, »bist Du auch geworden eine christliche Dienstmagd?«

      Die Alte schmunzelte still vor sich hin, denn sie wußte gut genug, was sich die Leute in der Nachbarschaft erzählten; aber sie beantwortete die Frage nicht, sondern seufzte nur tief auf und eilte dann rasch die Treppe hinan, um den Besuch zu melden. Der Simon Levy folgte ihr langsamer. Er war auf die Tante böse gewesen; jetzt beschlich ihn ein Gefühl der Trauer und Bekümmerniß, und mit gebücktem Haupt klopfte er an und öffnete auf den feierlich gegebenen Anruf langsam die Thür.

      »Gott der Gerechte, Simon, was schneidst Du für ein Gesicht!« sagte schmunzelnd der alte Salomon,

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