Der Erbe. Dritter Band.. Gerstäcker Friedrich

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Der Erbe. Dritter Band. - Gerstäcker Friedrich

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hier in der Nacht zu mir zu kommen und sich an meinen Tisch zu setzen, während ihre beiden Männer gegen mich ein Complot anstiften und mit Polizei in's Haus rücken!«

      »Meine Damen,« sagte der Commissar, aber jetzt wirklich selber in Verlegenheit, »es thut mir leid, so zur unrechten Zeit gekommen zu sein. Uebrigens habe ich nicht den geringsten Auftrag, Sie hier zurückzuhalten, und stelle Ihnen deshalb frei, den Platz zu verlassen, wann es Ihnen beliebt.«

      »Herr Commissar,« sagte die Frau Räthin, »wir werden von ihrer Güte Gebrauch machen.« Und ohne den Blick rechts oder links zu wenden, erfaßte sie den Arm ihrer Begleiterin und eilte mit dieser, so rasch sie über das in der Werkstätte umhergestreute Leisten- und Lederwerk hinwegkommen konnten, der Treppe zu. Dorthin begleitete sie aber noch der Commissar, gab dem dort stationirten Polizeidiener, der schon vortreten wollte, Befehl, die Damen durchzulassen, und kehrte dann in die Stube zurück, um seine vorgeschriebene Haussuchung zu beginnen.

      Heßberger selber zeigte sich dabei außerordentlich demüthig, aber doch auch störrisch; er meinte, es solle dem Herrn Rath Frühbach theuer zu stehen kommen, ihn auf solche Weise verdächtigt zu haben, noch dazu, da er ihn heute Mittag selber in den Laden geführt hätte, wo das Hosenzeug zu verkaufen wäre, auf das sich, wie er jetzt vermuthen müsse, seine Nachfragen bezogen hätten. Dort aber könne ihm Jeder bezeugen, daß er den Stoff da gekauft und gleich bezahlt habe, und er wolle doch einmal sehen, ob er sich auf diese Weise als ehrlicher Mann brauche beschimpfen zu lassen.

      Die Frau Heßberger selber, die ihren ersten Zorn hinuntergekämpft, benahm sich jetzt vollkommen vornehm gegen den Commissar und dachte gar nicht daran, ihn im geringsten zu unterstützen. Da wären die Schlüssel, sagte sie, zu allen ihren Schränken und Laden; nun möge er selber, wenn es ihm Freude mache, nachsehen, ob er dort irgend etwas von des Herrn Frühbach Sachen fände. Sie selber aber rühre keine Hand und sei auch nicht dazu verpflichtet, bitte sich aber aus, daß Alles wieder so ordentlich gelegt würde, wie man es gefunden.

      Dem Commissar gefiel das nicht; die Leute betrugen sich nicht wie ertappte Verbrecher, sondern handelten genau so, als ob sie in ihrem guten Recht wären, und der Staatsanwalt besonders befand sich nichts weniger als behaglich. Er wußte recht gut, welche Verantwortung er übernommen, und zum ersten Mal stieg der Wunsch in ihm auf, die ganze fatale Angelegenheit gar nicht berührt zu haben. Aber was half es! Die Haussuchung hatte durch das polizeiliche Besehen der Wohnung factisch begonnen und mußte nun auch durchgesetzt werden. Und wer konnte denn überhaupt wissen, ob sie nicht doch etwas fanden, was sie in der Ausführung entschuldigte und rechtfertigte!

      Zuerst wurde die Werkstätte untersucht, aber nur leichthin, denn hier war auch kein möglicher Platz, wo etwas hätte versteckt werden können, den Ofen vielleicht ausgenommen; dann kam das Zimmer der Frau, was schon mehr Schwierigkeiten bot. Aber trotz genauer Durchsuchung der sämmtlichen Schränke und Commoden fand sich auch nicht das geringste Verdächtige, eben so wenig in der Küche.

      Der kleine Holzverschlag war fast leer und konnte mit einer Laterne leicht abgeleuchtet werden; er enthielt nichts, als einst weiß gewesene schmutzige Kalkwände mit vielleicht einem Korb Holz darin. Einen Keller hatten die Heßbergers gar nicht, eben so wenig Bodenraum; nur noch ein dunkles Käfterchen, in dem vielleicht zwei Scheffel Steinkohlen lagen. Auch das wurde durchsucht und der Bestand zum großen Theile bei Seite geschaufelt; aber auch dort fand sich nichts, und der Commissar sah den Staatsanwalt an und zuckte die Achseln.

      Staatsanwalt Witte befand sich in Verlegenheit. Die Sache war ihm entsetzlich fatal, und noch fataler, daß sich Frau Heßberger auf einen ihrer Lehnstühle gesetzt und ihn mit höhnischen Blicken betrachtete. Aber was ließ sich thun! Daß Heßbergers jetzt den Rath Frühbach wegen falscher Anklage vor Gericht belangen würden, verstand sich von selbst, und er hatte eine heftige Scene mit dem Rath zu gewärtigen; aber das ließ sich eben nicht ändern. Keinesfalls wollte er sich dem Hohn der Schustersfrau hier länger aussetzen; der Commissar mochte sehen, wie er mit der allein fertig wurde.

      »Schön,« sagte er, »wenn nichts zu finden ist, brechen Sie die Verhandlung ab!« Und ohne sich länger aufzuhalten oder das also gekränkte Ehepaar weiter zu grüßen, schritt er durch die Werkstätte der Treppe zu.

      Dort an der Thür saß der Lehrjunge, den der Meister vorher so geprügelt hatte; er schien sich die ganze Untersuchung schadenfroh betrachtet zu haben und eben so wenig zufrieden zu sein, daß man nichts gefunden, wie der Staatsanwalt selbst. Als Witte aber an ihm vorüberging, zupfte er ihn plötzlich am Rock und flüsterte: »Kohlenkammer – Meister geht immer hinein!« und drehte sich dann scharf ab in die Werkstätte, wo er sich in einem Winkel niederkauerte. Witte hatte auch die letzten Worte kaum oder vielleicht gar nicht verstanden, aber das Wort »Kohlenkammer« war ihm nicht entgangen, und mit einer letzten Hoffnung, seine Ehre als Ankläger noch zu retten, drehte er sich scharf auf dem Absatz herum, ging auf den Polizeimann zu und sagte: »Herr Commissar, ich wünsche die nochmalige Durchsuchung der Kohlenkammer, ehe wir das Haus verlassen.«

      »Aber, lieber Herr Staatsanwalt,« sagte der Mann, »wir haben fast die ganzen Kohlen bei Seite geschaufelt.«

      »Wir werden es mit dem Rest eben so machen,« sagte Witte, der sich an diese letzte Hoffnung klammerte.

      »Meinetwegen – wie Sie es wünschen; ich bin Ihnen gern gefällig,« erwiederte der Mann. »Aber ich fürchte, wir versäumen nur unsere schöne Zeit – wo ist die Laterne?«

      »Hier, Herr Commissar.«

      »Gut – schaufelt noch einmal den letzten Kohlenrest bei Seite; es könnte doch möglich sein, daß noch etwas darunter wäre.«

      Die Leute gingen willig an die Arbeit, denn es war ihnen selber nicht recht, daß sie unverrichteter Sache wieder abziehen sollten – ist doch das ganze Polizeileben auch nur eine Art von Jagd, und ohne Beute scheut sich ein jeder Jäger heimzukehren. Aber selbst diese letzte Mühe schien vergeblich; denn mit jeder Schaufel voll Kohlen, die bei Seite geworfen wurde, stellte sich mehr und mehr heraus, daß der kleine Vorrath nichts heimlich Verborgenes mehr verdecken könne; ihre ganze Mühe war vergebens gewesen. Aber der Staatsanwalt beruhigte sich noch immer nicht. Er nahm selber die Laterne und leuchtete an den Wänden herum, und als er dort keine Möglichkeit eines Verstecks sah, auf der kohlengeschwärzten Diele.

      Heßberger stand an der Thür und sah ihm zu.

      »Aber, verehrtester Herr Geheimer Staatsanwalt,« sagte er, »glauben Sie denn wirklich, was der böse Herr Geheime Rath über uns gesagt hat? Habe ich Sie nicht immer bedient, wie sich's gehört und gebührt, und halten Sie mich wirklich für einen so corrumführten Menschen, um den Zorn Gottes auf mich zu laden?«

      »Herr Commissar,« sagte Witte, der in der Diele, aber von Kohlenstaub fast verdeckt, ein kleines Stück blanken Eisens bemerkt hatte. Es war kaum sichtbar; nur dadurch, daß das Licht der Laterne einmal darauf fiel, blitzte es ein wenig, und Witte's Auge haftete daran. Was der Schuhmacher sagte, hörte er gar nicht. – »Bitte, kommen Sie einmal hieher.«

      »Jawohl, Herr Staatsanwalt; was wünschen Sie?«

      »Sie haben mehr Praxis in derlei Dingen – was ist das da auf dem Boden?«

      »Das hier?« sagte der Commissar, indem er sich dazu niederbog. »Hm, das sieht beinahe aus wie der Riegel an einer Thür, und ich weiß eigentlich nicht, was das hier auf dem Boden bezweckt.«

      »Haben Sie kein Instrument bei sich, um es einmal zu versuchen?«

      »Vielleicht finden wir etwas in der Werkstätte. Heh, Heßberger, was ist das hier für ein Eisen?«

      »Kann ich nicht sagen, Herr Geheimer Commissar,« erwiederte der Schuster; aber dem Staatsanwalte entging nicht die Verlegenheit des Mannes. – »Hat vielleicht früher hier einmal

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