Der Erbe. Dritter Band.. Gerstäcker Friedrich

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Der Erbe. Dritter Band. - Gerstäcker Friedrich

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vielleicht im ersten Augenblicke vorkam.«

      Baumann rührte sich nicht. Wie er bisher gesessen, saß er noch, und eben so starr hing sein Blick an der Stubenecke, als vorher. Der Staatsanwalt kam wirklich in Verlegenheit, denn er war nicht einmal fest überzeugt, daß der Schlossermeister nur gehört, was er zu ihm gesagt.

      »Lieber Baumann,« bat er endlich, »hören Sie mich nicht? Ich bin hieher gekommen, um Sie zu beruhigen; Sie sollen wissen, daß Sie noch einen Freund in der Stadt haben.«

      Dem alten Schlossermeister tropften die großen, schweren Thränen aus den Augen, und als Witte jetzt seine Hand faßte, fühlte er den kräftigen Druck des Mannes.

      »Was muß die Welt von mir denken,« hauchte er endlich mit vollkommen lautloser Stimme, »was muß die Welt von mir denken! Und wenn sie mich in's Zuchthaus stecken, hab' ich es nicht verdient?«

      »Aber lieber, bester Baumann,« rief der Staatsanwalt, froh, nur erst einmal ein Lebenszeichen von ihm zu hören, denn das frühere starre Schweigen hatte ihn wirklich geängstigt – »was machen Sie sich für tolle, nutzlos tolle Gedanken! Glauben Sie, daß irgend ein Mensch in der Stadt Ihnen auch nur einen Gran von Schuld beimessen wird?«

      »Und meine Frau, mit der ich die langen, langen Jahre glücklich gelebt – die ich auf den Händen getragen und geliebt und verehrt – Alles, Alles vorbei – Alles vorbei! Was hab' ich denn gethan, daß ich so hart gestraft werden mußte?«

      »Es ist noch nicht vorbei, Baumann,« suchte ihn der Staatsanwalt zu trösten, »es ist noch lange nicht vorbei, und danken Sie Gott, daß Ihre Frau sich noch in der letzten Stunde ein Herz gefaßt hat, um ihr Vergehen zu bekennen und es dadurch wieder, so weit es wenigstens in ihren Kräften stand, gut zu machen. Wer kann sagen, wie sich noch Alles zum Besten gestaltet? Ihr ganzes bisheriges Leben muß auch für sie sprechen und sie entschuldigen oder dem Richter doch wenigstens beweisen, daß er es, so weit es nämlich Ihre Frau betrifft, mit keinem Verbrechen zu thun hat. Hoffen Sie das Beste, und meine Hülfe, mein Beistand sind Ihnen dabei gewiß.«

      »Ich danke Ihnen, Herr Staatsanwalt,« sagte Baumann, indem er sich mit der breiten, hornigen Hand über die Stirn fuhr – es war die erste Bewegung, die er machte – »ich danke Ihnen von Herzen! Ich fühle, daß Sie es gut mit mir meinen – aber es hilft Ihnen nichts. Vor den Gerichten könnten Sie die Frau vielleicht frei bringen, vor meinem eigenen Gewissen nicht. Sie hat es gethan, und wenn sie es nicht gethan hat, sie hat geduldet, daß es geschah, und mir, ihrem Manne, dem sie gelobt, kein Geheimniß vor ihm zu haben, die langen, endlosen Jahre das Furchtbare verschwiegen, daß sie ihm sein eigenes Kind verkauft!«

      »Aber, Meister Baumann!«

      »Verkauft – ich habe kein anderes Wort dafür,« sagte der Mann tonlos; »sie hat es verkauft, weil sie den Stand verachtete, in dem sie lebte und großgezogen war, weil sie etwas Besonderes, etwas Vornehmes aus ihrem Kinde machen wollte, und deshalb nur, deshalb allein wurde dem Vater die falsche Brut untergeschoben und dessen Herz von dem eigenen Sohne abgewandt!«

      Der Staatsanwalt war selber in Verlegenheit, was er dem Mann darauf erwiedern sollte. Er hatte nur zu sehr recht, und er fühlte auch, daß ein Trost jetzt nach dem ersten Schmerz am unrechten Platz sein und vielleicht mehr schaden als nützen würde.

      Eine lange Weile schwiegen Beide; endlich sagte Witte wieder: »Ueberdenken Sie sich die Sache diese Nacht; wir haben Zeit genug dazu, denn vor der Hand darf doch Niemand weiter darum wissen.«

      »Was?« rief Baumann, ordentlich erschreckt emporfahrend, »und mir muthen Sie zu, das selber als Geheimniß zu bewahren, was…«

      »Verstehen Sie mich nicht falsch,« unterbrach ihn der Staatsanwalt rasch; »nur auf vernünftige Weise müssen wir vorgehen, um das wieder gut zu machen, was gefehlt ist, und das kann nicht in der ersten Hitze und Aufregung geschehen, oder wir verderben, was wir bessern wollten. Kommen Sie morgen früh zu mir, so früh Sie wollen; ich stehe schon um sechs Uhr auf und arbeite. Dann besprechen wir Alles mit kaltem Blut; vorher aber geben Sie mir Ihr Wort, daß Sie mit keinem Menschen weiter darüber reden wollen.«

      »Mit keinem Menschen weiter?«

      »Nein. Glauben Sie mir, ich rathe Ihnen zum Besten und bin selber ein alter Mann; ich werde von Ihnen nichts verlangen, was ich nicht mit gutem Gewissen verantworten kann. Morgen früh kommen Sie zu mir, und ich glaube bestimmt, daß wir einen Weg finden, um ehrlich und rechtschaffen das von Ihrer Seele zu nehmen, was Sie jetzt zu Boden drückt. Sind Sie damit einverstanden?«

      Der Schlossermeister zögerte einen Augenblick mit der Antwort; endlich sagte er leise: »Gut, ich will Ihnen folgen, Herr Staatsanwalt; ich weiß, Sie meinen es ehrlich, und werden dafür sorgen, daß dem rechtmäßigen Erben nicht ein Groschen seines Rechts verkümmert wird. So weit ich selber mit meinem kleinen Vermögen ausreiche, etwa geschehenen Schaden zu decken, stelle ich mich Ihnen zur Verfügung – bis zu dem letzten Ziegel meines Daches. So weit bin ich erbötig, Alles gut zu machen, was fremde Leute betrifft. In meinem eigenen Hause werde ich selber Rechnung halten.«

      »Sie werden nicht zu hart mit Ihrer armen Frau sein, Baumann.«

      »Ich werde thun, was ich vor Gott und meinem Gewissen verantworten kann,« sagte der Mann ernst; »sorgen Sie sich deshalb nicht – und damit haben die Gerichte auch nichts zu thun – oder doch nur wenig,« setzte er leise und kaum hörbar hinzu.

      »Also auf morgen früh!«

      »Ich werde kommen – verlassen Sie sich darauf!« Und still und brütend sank er wieder in seinen Stuhl zurück.

      Witte aber, der jetzt wohl einsah, daß heute mit dem Mann doch nichts mehr zu reden, und es das Beste sei, ihn sich selber zu überlassen, verließ langsam das Haus und schritt seiner eigenen Wohnung wieder zu.

      2

      Die Haussuchung

      Zu Hause angekommen, überholte Witte auf der Treppe die Frau Räthin Frühbach, die im Begriff stand, seiner Frau einen Besuch zu machen. Sie war im höchsten Staat und strotzte von Seide, Sammetmanchester und unechten Spitzen.

      »Ach, Frau Räthin,« sagte der Staatsanwalt nach der ersten Begrüßung, indem er eben in sein Zimmer abbiegen wollte, »kommen Sie von Hause, und können Sie mir sagen, ob Ihr Herr Gemahl dort ist?«

      »Ach nein, Herr Staatsanwalt, das weiß ich wirklich nicht,« erwiederte die Dame; »ich habe noch einige Wege in der Stadt besorgt und bin dann gleich hieher gegangen. Aber mein Männi kommt um diese Zeit immer nach Hause – Sie finden ihn sicher.«

      Männi nannte sie den Fleischklumpen, und der Staatsanwalt schüttelte den Kopf, erwiederte aber nichts, machte ihr eine halbe Verbeugung und trat in sein Schreibzimmer, um inzwischen eingelaufene Geschäfte zu erledigen.

      Er wunderte sich allerdings im Stillen, die Frau Räthin hier zu sehen, denn sie kam sehr selten zu ihnen, und da er dem Dienstmädchen unterwegs begegnet war, das eine Düte mit Backwerk, das stete Zeichen einer Kaffee-Visite, trug, so mußte seine Frau auch auf den Besuch vorbereitet sein. Aber andere, wichtigere Dinge zogen ihm durch den Kopf, um sich lange mit solchen Nebensachen zu beschäftigen, und er hatte sie auch bald vergessen.

      Sonderbarer Weise war aber von der Frau Staatsanwalt wirklich die Frau Räthin heute, und zwar ganz allein, zum Kaffee geladen worden, und das noch dazu einer wichtigen Besprechung und Unterredung wegen. Man wußte nämlich ziemlich genau in der Stadt, daß die Frau Räthin, vielleicht aus Mangel einer besseren oder andern Beschäftigung, sehr geschickt im Kartenlegen sei, und die Frau Staatsanwalt war zu dem Entschluß gekommen (von dem aber ihr Mann natürlich keine Silbe

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