Unter Palmen und Buchen. Dritter Band.. Gerstäcker Friedrich

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Unter Palmen und Buchen. Dritter Band. - Gerstäcker Friedrich

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tausend Thaler?« – Die Frau schlug die Hände über dem Kopf zusammen, und der Schuster schüttelte den seinen still vor sich hin. Er glaubte nie an große Zahlen, und das Ganze kam ihm zu plötzlich und auch zu unwahrscheinlich vor, als daß er sich gleich hätte vollständig hineindenken können. Das Einzige, was ihm klar war, daß der Baron nach Deutschland zurück und seine Frau hier allein lassen wollte, gefiel ihm nicht. – Wenn er nun dort blieb? – Aber die Frau sah weiter – viele Tausend Thaler als Erbschaft, was hätte sich mit denen nicht hier in Australien anfangen lassen, und was für eine vornehme Frau konnte dann ihre Tochter werden. Benner hatte sie im Augenblick auf seiner Seite, und der Alte gab auch endlich nach. Was konnte er auch dagegen machen, wenn sein Schwiegersohn ihm sagte, daß er hinüber müsse, aber recht war's ihm noch immer nicht, und er vergaß ganz Ahle und Draht, schob sich sein schwarzes, fettiges Käppchen auf's eine Ohr und kratzte sich in tiefen Gedanken den Kopf.

      Das Resultat der Berathung gestaltete sich denn auch so, wie es Benner vorhergesehen. Die Eltern erklärten sich einverstanden mit der Reise, und ihr Schwiegersohn mußte ihnen nur versprechen, keine Zeit daheim zu versäumen, sondern so rasch als irgend möglich wieder zurückzukehren, schon der Leute wegen, die sicher genug ihre boshaften Bemerkungen darüber nicht unterließen und die arme junge Frau zu sehr gekränkt hätten.

      Noch etwas Anderes blieb für ihn in Tanunda zu ordnen, – er brauchte nämlich Reisegeld und wollte seinen Schwiegervater nicht darum bitten; aber Becher war augenblicklich bereit, ihm dasselbe vorzuschießen. Er betrachtete es gewissermaßen als Consulatssache, denn der Brief, der die Erbschaft anzeigte, war durch ihn gekommen, und er versicherte Benner, er würde es ihm übel genommen haben, wenn er sich in dieser Sache an irgend Jemand Anderen gewandt hätte. In einer halben Stunde war Alles geordnet, und zufällig lag auch gerade ein fast segelfertiges englisches Schiff in Port Adelaide, das nur noch Wasser einnehmen mußte, und spätestens übermorgen früh mit der einsetzenden Ebbe auslief. Wenn er mitgehen wollte, mußte er morgen Nacht schon jedenfalls an Bord sein.

      Benner ritt in einer eigenthümlich aufgeregten Stimmung nach Hause zurück und sonderbarer Weise war es in diesem Augenblick weniger der Abschied von Frau und Kind, an den er dachte, sondern mehr noch, weit mehr die Aussicht, bald, in wenigen Monden schon, wieder die alte Stätte seiner Jugend zu betreten, die er nie geglaubt hatte wiederzusehen, – noch einmal den Kreis der Freunde aufzusuchen und in ihrer Mitte zu verkehren. Auch die Sehnsucht nach der Schwester beschäftigte ihn, und so ganz füllten diese Bilder seine Gedanken, daß er plötzlich und unerwartet vor seinem eigenen Hause hielt und gar nicht wußte, wie er diesmal so rasch dorthin gekommen.

      Und morgen Abend schon wollte er fort? Die Frau wurde leichenblaß, als er es ihr sagte, aber sie erwiderte kein Wort; nur fester drückte sie das Kind an ihre Brust und ging dann schweigend an ihre Arbeit, um dem Gatten Alles herzurichten, was er zu seiner langen Reise brauchte.

      Was aus ihr selber in der Zeit wurde? – sie dachte nicht einmal daran; nur bei ihm waren ihre Gedanken, nur bei ihrem Kinde und dem Schmerz der Trennung, und doch that sie sich Gewalt an, daß sie es Eduard nicht merken ließ – hätt' es ihm selber ja doch den Abschied schwerer gemacht, und er konnte es ja nicht mehr ändern – er mußte fort.

      Den Abend verbrachten sie zusammen in ihrem Gärtchen und ihr Gatte theilte ihr jetzt mit, daß er sein kleines Grundstück für die Zeit seiner Abwesenheit und um den halben Ertrag an einen jungen Bauerssohn, den er bei Becher traf, verpachtet habe. Sie selber sollte indessen zu ihren Eltern ziehen, bis er zurückkäme. Mit der ersten Post schon versprach er ihr aber Geld zu senden, daß sie sich ein eigenes kleines Quartier miethen und ihre Wirthschaft führen könne. Mit der zweiten Post folgte er dann vielleicht schon selber nach.

      Morgens kam der Vater noch heraus, um Manches zu bereden und der Tochter Sachen auf seinem Wagen mit nach Tanunda zu nehmen – gegen Abend sollte ihn die kleine Familie dorthin begleiten und Abends um neun Uhr fuhr die Post ab, mit der er nach Adelaide gehen konnte und dann zur rechten Zeit im Hafen eintraf.

      Das war ein schwerer, recht schwerer Tag für die arme Frau, und sie ging wirklich wie in einem Traum herum. Sie that Alles was nöthig war, aber willenlos, maschinenartig, und wäre am liebsten mit ihrem Kind in einen Winkel gekrochen, um sich nur einmal – nur ein einziges Mal recht herzlich auszuweinen. Aber das ging nicht, sie mußte Stand halten; ihr Eduard wäre ihr ja sonst vielleicht noch am letzten Tag böse geworden. Auch konnte sie sich keine Minute mehr von den wenigen Stunden, die sie noch beisammen bleiben sollten, von ihm trennen.

      So fuhren sie zusammen nach Tanunda, und so langsam ihr sonst die Stunden manchmal hingegangen, so rasch, so entsetzlich rasch flog der heutige Tag an ihr vorüber. Es war Abend geworden, sie wußte selbst nicht wie, und der Zeiger auf der alten, im Zimmer ihrer Mutter hängenden Schwarzwälder Uhr lief ordentlich von Zahl zu Zahl.

      Um neun Uhr ging die Post. Das Gepäck war schon Alles aufgegeben. Vor acht Uhr schon hatte die Mutter noch einmal den Tisch gedeckt, zum letzten Abendbrod, und Henriette saß neben dem Gatten, das Kind auf dem Schooß, den Kopf an seine Schulter geschmiegt, und zuckte nur immer zusammen, wenn die Uhr wieder zum Schlagen aushob. – Und jetzt sollten sie essen? – Oh, wie hätte sie einen Bissen über die Lippen bringen können.

      Die Mutter hatte Rouladen gebraten. Eduard aß sie gern – Du lieber Gott, er wollte sich nicht einmal mit zum Tisch setzen, so weh war ihm zu Muthe, und als er endlich dem dringenden Nöthigen der Frau nachgab, quoll ihm der Bissen im Munde.

      Und es schlug halb – es schlug drei Viertel auf Neun – er rückte mit dem Stuhl.

      »Du gehst in zwei Minuten zu der Post hinüber,« flüsterte ihm die Frau zu und schmiegte sich ängstlich an ihn an. »Sie fahren ja nicht ohne Dich fort.«

      »Mein liebes, liebes Weib!«

      »Und willst Du recht viel an uns denken, Eduard, – an mich und Dein Kind?«

      »Tag und Nacht – Tag und Nacht, Lieb.«

      »Und nicht gar so lange fortbleiben?«

      »So rasch ich möglicherweise kann, kehr' ich zurück. – Sorge Dich nur nicht um mich – wie bald ist ja der Weg zurückgelegt.«

      »Wie bald? Oh, mein Himmel, und fünf Monat hin und fünf Monat zurück nennst Du bald – mir werden es eben so viele Jahre werden.«

      »Meine liebe, liebe Henriette!« – und sie hielten sich fest und lange umschlungen.

      »Kinder, es wird Zeit – es ist in zwei Minuten neun Uhr,« sagte da der Alte. »Eduard, mit Gott! Machen Sie, daß Sie fortkommen, wir wollen indessen schon auf die Kinder Achtung geben.«

      Fester klammerte sich die Frau an ihn an. Der Augenblick war gekommen, vor dem sie so lange gebebt, und erst jetzt erfaßte sie die Angst, das bittere Weh des Scheidens.

      »Leb' wohl, mein Herz – sei stark; ich kehre ja bald zu Dir zurück.«

      »Küsse noch einmal unser Kind,« flüsterte sie, – »der kleine Bursch ist eingeschlafen; er ahnt ja nicht, daß er den Vater verlieren soll.«

      »Er verliert ihn nicht, Herz,« sagte Eduard, indem er sich über das Kind bog und es küßte, während ein paar heiße Thränen auf seine Locken fielen – »und nun leb' wohl!« rief er, sich rasch und entschlossen aufrichtend, – »bleibt hier – geht nicht mit zur Post – macht mir den Abschied nicht schwerer, als er schon ist – Gott schütze Dich, mein süßes, süßes Lieb – Dich und das Kind – leb' wohl – leb' wohl!«

      Noch einmal preßten seine Lippen in glühendem Kuß die ihrigen – noch einmal drückte er Vater und Mutter die Hand – draußen in der anderen Straße blies der Postillon, ein Engländer, aber

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