Die Verschwörung des Fiesco zu Genua. Friedrich von Schiller
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Читать онлайн книгу Die Verschwörung des Fiesco zu Genua - Friedrich von Schiller страница 6
Fiesco. Die Ehre der Gurgelschneider?
Mohr. Ist wohl feuerfester als Eurer ehrlichen Leute: sie brechen ihre Schwüre dem lieben Herrgott; wir halten sie pünktlich dem Teufel.
Fiesco. Du bist ein drolligter Jauner.
Mohr. Freut mich, daß Ihr Geschmack an mir findet. Setzt mich erst auf die Probe, Ihr werdet einen Mann kennen lernen, der sein Exercitium aus dem Stegreif macht. Fordert mich auf. Ich kann Euch von jeder Spitzbubenzunft ein Testimonium aufweisen, von der untersten bis zur höchsten.
Fiesco. Was ich nicht höre! (Indem er sich niedersetzt.) Also auch Schelmen erkennen Gesetzt und Rangordnung? Laß mich doch von der untersten hören.
Mohr. Pfui, gnädiger Herr! das ist das verächtliche Heer der langen Finger. Ein elend Gewerb, das keinen großen Mann ausbrütet, arbeitet nur auf Karbatsche und Raspelhaus und führt – höchstens zum Galgen.
Fiesco. Ein reizendes Ziel. Ich bin auf die beßre begierig.
Mohr. Das sind die Spionen und Maschinen. Bedeutende Herren, denen die Großen ein Ohr leihen, wo sie ihre Allwissenheit holen; die sich wie Blutigel in Seelen einbeißen, das Gift aus dem Herzen schlürfen und an die Behörde speien.
Fiesco. Ich kenne das – fort!
Mohr. Der Rang trifft nunmehr die Meuter, Giftmischer und Alle, die ihren Mann lang hinhalten und aus dem Hinterhalt fassen. Feige Memmen sind's oft, aber doch Kerls, die dem Teufel das Schulgeld mit ihrer armen Seele bezahlen. Hier thut die Gerechtigkeit schon etwas Übriges, strickt ihre Knöchel aufs Rad und pflanzt ihre Schlauköpfe auf Spieße. Das ist die dritte Zunft.
Fiesco. Aber, sprich doch, wann wird die deinige kommen?
Mohr. Blitz, gnädiger Herr! das ist eben der Pfiff. Ich bin durch diese alle gewandert. Mein Genie geilte frühzeitig über jedes Gehege. Gestern Abend macht' ich mein Meisterstück in der dritten, vor einer Stunde war ich – ein Stümper in der vierten.
Fiesco. Diese wäre also?
Mohr (lebhaft). Das sind Männer, (in Hitze) die ihren Mann zwischen vier Mauern aufsuchen, durch die Gefahr eine Bahn sich hauen, ihm gerade zu Leib gehen, mit dem ersten Gruß ihm den Großdank für den zweiten ersparen. Unter uns! man nennt sie nur die Extrapost der Hölle. Wenn Mephistopheles einen Gelust bekommt, braucht's nur einen Wink, und er hat den Braten noch warm.
Fiesco. Du bist ein hartgesottener Sünder. Einen solchen vermißte ich längst. Gib mir deine Hand. Ich will dich bei mir behalten.
Mohr. Ernst oder Spaß?
Fiesco. Mein völliger Ernst, und gebe dir tausend Zechinen des Jahrs.
Mohr. Topp, Lavagna! Ich bin Euer, und zum Henker fahre das Privatleben. Braucht mich, wozu Ihr wollt. Zu Eurem Spürhund, zu Eurem Parforce-Hund, zu Eurem Fuchs, zu Eurer Schlange, zu Eurem Kuppler und Henkersknecht. Herr, zu allen Commissionen, nur bei Leibe! zu keiner ehrlichen – dabei benehm' ich mich plump wie Holz.
Fiesco. Sei unbesorgt! Wem ich ein Lamm schenken will, lass' ich's durch keinen Wolf überliefern. Geh also gleich morgen durch Genua und suche die Witterung des Staats. Lege dich wohl auf Kundschaft, wie man von der Regierung denkt und vom Haus Doria flüstert, sondiere daneben, was meine Mitbürger von meinem Schlaraffenleben und meinem Liebesroman halten. Überschwemme ihre Gehirne mit Wein, bis ihre Herzensmeinungen überlaufen. Hier hast du Geld. Spende davon unter den Seidenhändlern aus.
Mohr (sieht ihn nachdenklich an). Herr-Fiesco. Angst darf dir nicht werden. Es ist nichts Ehrliches – Geh! rufe deine ganze Bande zu Hilfe. Morgen will ich deine Zeitungen hören. (Er geht ab.)
Mohr (ihm nach). Verlaßt Euch auf mich. Jetzt ist's früh vier Uhr. Morgen um Acht habt Ihr so viel Neues erfahren, als in zweimal siebenzig Ohren geht. (Ab.)
Zehnter Auftritt
Zimmer bei Verrina.
Bertha rücklings in einem Sopha, den Kopf in die Hand geworfen.
Verrina düster hereintretend.
Bertha (erschrickt, springt auf). Himmel! da ist er!
Verrina (steht still, besieht sie befremdet). An ihrem Vater erschrickt meine Tochter?
Bertha. Fliehen Sie! Lassen Sie mich fliehen! Sie sind schrecklich, mein Vater.
Verrina. Meinem einzigen Kinde?
Bertha (mit einem schweren Blick auf ihn). Nein! Sie müssen noch eine Tochter haben.
Verrina. Drückt dich meine Zärtlichkeit zu schwer?
Bertha. Zu Boden, Vater.
Verrina. Wie? welcher Empfang, meine Tochter? Sonst, wenn ich nach Hause kam, Berge auf meinem Herzen, hüpfte mir meine Bertha entgegen, und meine Bertha lachte sie weg. Komm, umarme mich, Tochter. An dieser glühenden Brust soll mein Herz wieder erwarmen, das am Todtenbett des Vaterlands einfriert. O mein Kind! Ich habe heute Abrechnung gehalten mit allen Freuden der Natur, und (äußerst schwer) nur du bist mir geblieben.
Bertha (mißt ihn mit einem langen Blick). Unglücklicher Vater!
Verrina (umarmt sie beklemmt). Bertha! mein einziges Kind! Bertha! meine letzte übrige Hoffnung! – Genuas Freiheit ist dahin – Fiesco hin – (indem er sie heftiger drückt, durch die Zähne) Werde du eine Hure-Bertha (reißt sich aus seinen Armen). Heiliger Gott! Sie wissen? – Verrina (steht bebend still). Was?
Bertha. Meine jungfräuliche Ehre-Verrina (wüthend). Was?
Bertha. Diese Nacht-Verrina (wie ein Rasender). Was?
Bertha. Gewalt! (Sinkt am Sopha nieder.)
Verrina (nach einer langen schreckhaften Pause mit dumpfer Stimme).
Noch ein Athemzug, Tochter – den letzten! (Mit hohlem gebrochnem Ton.)
Wer?
Bertha. Weh mir, nicht diesen todtenfarben Zorn! Helfe mir Gott! er stammelt und zittert.
Verrina. Ich wüßte doch nicht – meine Tochter! Wer?
Bertha. Ruhig! ruhig! mein bester, mein theurer Vater.
Verrina. Um Gotteswillen – Wer? (will vor ihr niederfallen.)
Bertha. Eine Maske.
Verrina (tritt zurück, nach einem stürmischen Nachdenken). Nein! das kann nicht sein! Den Gedanken sendet mir Gott nicht. (Lacht graß auf.) Alter Geck! als wenn alles Gift nur aus einer und eben der Kröte spritzte? (Zu Bertha gefaßter.) Die Person, wie die meinige, oder kleiner?
Bertha. Größer.
Verrina (rasch). Die Haare schwarz? kraus?
Bertha. Kohlschwarz und kraus.
Verrina (taumelt von ihr hinweg). Gott! mein Kopf! mein Kopf – die Stimme?
Bertha. Rauh, eine Baßstimme.
Verrina (heftig). Von welcher Farbe? Nein! ich will nicht mehr hören! – der Mantel – von welcher Farbe?
Bertha.